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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.

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Das Kriegsrecht.
673.

Alle Seebeute gehört dem State, nicht der Mannschaft des Nehme-
schiffs zu. Der Stat hat freies Verfügungsrecht darüber und kann den
Nehmern einen beliebigen Antheil daran einräumen oder auch ganz auf
die Annahme verzichten und Schiff und Waare wieder den Privatpersonen
zustellen, welche -- abgesehen von dem Beuterecht -- als die rechtmäßigen
Eigenthümer derselben anzusehen sind.

"Bello parta cedunt reipublicae" (Bynkershoek). Auch in
England gilt es vorzugsweise als ein Recht der Krone, frei über die Beute zu
verfügen. Es ist die Beute eine Folge des Kriegs und das Beuterecht eine Anwen-
dung des Kriegsrechts. Der Kriegsherr entscheidet hier, wie in andern Fällen der
Kriegsleitung. Es ist daher in seiner Macht, das erbeutete Schiff, wenn er solches
aus humanen oder aus politischen Gründen für zweckmäßig erachtet, wieder frei und
dem ursprünglichen Eigenthümer zurückzugeben, ohne daß der Schiffsmannschaft,
welche ihr Leben und ihre Arbeit daran gesetzt hat, dasselbe zu erbeuten, ein Recht
der Einsprache zusteht. Vgl. die Urtheile der Lords Stowell und Brougham
bei Phillimore III. § 128. Ebenso kann er einen beliebigen Antheil an der
Beute zur Belohnung der Mannschaft des Nehmeschiffs verwenden.


8. Verkehr und Verhandlungen unter den Kriegsparteien. Waffen-
ruhe. Waffenstillstand. Capitulation.
674.

Jeder Verkehr zwischen den von den feindlichen Kriegsheeren besetzten
Gegenden ist in der Regel untersagt. Ausnahmen bedürfen der Geneh-
migung der Befehlshaber. Uebertretungen des Verbots werden je nach
Umständen strenge bestraft.

1. Am. 86. Die ältere, von Bynkershoek (Quäst. I. 3) vertretene,
heute noch von Wildman, Wheaton, Phillimore vertheidigte Meinung
geht viel weiter. Sie nimmt an, durch die Kriegseröffnung werde aller Verkehr
zwischen den Ländern, die im Kriege sind, grundsätzlich untersagt. Diese Meinung
wird damit erklärt, daß die eigenen Unterthanen durch die Kriegserklärung aufgefordert

Das Kriegsrecht.
673.

Alle Seebeute gehört dem State, nicht der Mannſchaft des Nehme-
ſchiffs zu. Der Stat hat freies Verfügungsrecht darüber und kann den
Nehmern einen beliebigen Antheil daran einräumen oder auch ganz auf
die Annahme verzichten und Schiff und Waare wieder den Privatperſonen
zuſtellen, welche — abgeſehen von dem Beuterecht — als die rechtmäßigen
Eigenthümer derſelben anzuſehen ſind.

„Bello parta cedunt reipublicae“ (Bynkershoek). Auch in
England gilt es vorzugsweiſe als ein Recht der Krone, frei über die Beute zu
verfügen. Es iſt die Beute eine Folge des Kriegs und das Beuterecht eine Anwen-
dung des Kriegsrechts. Der Kriegsherr entſcheidet hier, wie in andern Fällen der
Kriegsleitung. Es iſt daher in ſeiner Macht, das erbeutete Schiff, wenn er ſolches
aus humanen oder aus politiſchen Gründen für zweckmäßig erachtet, wieder frei und
dem urſprünglichen Eigenthümer zurückzugeben, ohne daß der Schiffsmannſchaft,
welche ihr Leben und ihre Arbeit daran geſetzt hat, dasſelbe zu erbeuten, ein Recht
der Einſprache zuſteht. Vgl. die Urtheile der Lords Stowell und Brougham
bei Phillimore III. § 128. Ebenſo kann er einen beliebigen Antheil an der
Beute zur Belohnung der Mannſchaft des Nehmeſchiffs verwenden.


8. Verkehr und Verhandlungen unter den Kriegsparteien. Waffen-
ruhe. Waffenſtillſtand. Capitulation.
674.

Jeder Verkehr zwiſchen den von den feindlichen Kriegsheeren beſetzten
Gegenden iſt in der Regel unterſagt. Ausnahmen bedürfen der Geneh-
migung der Befehlshaber. Uebertretungen des Verbots werden je nach
Umſtänden ſtrenge beſtraft.

1. Am. 86. Die ältere, von Bynkershoek (Quäſt. I. 3) vertretene,
heute noch von Wildman, Wheaton, Phillimore vertheidigte Meinung
geht viel weiter. Sie nimmt an, durch die Kriegseröffnung werde aller Verkehr
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wird damit erklärt, daß die eigenen Unterthanen durch die Kriegserklärung aufgefordert

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[367/0389] Das Kriegsrecht. 673. Alle Seebeute gehört dem State, nicht der Mannſchaft des Nehme- ſchiffs zu. Der Stat hat freies Verfügungsrecht darüber und kann den Nehmern einen beliebigen Antheil daran einräumen oder auch ganz auf die Annahme verzichten und Schiff und Waare wieder den Privatperſonen zuſtellen, welche — abgeſehen von dem Beuterecht — als die rechtmäßigen Eigenthümer derſelben anzuſehen ſind. „Bello parta cedunt reipublicae“ (Bynkershoek). Auch in England gilt es vorzugsweiſe als ein Recht der Krone, frei über die Beute zu verfügen. Es iſt die Beute eine Folge des Kriegs und das Beuterecht eine Anwen- dung des Kriegsrechts. Der Kriegsherr entſcheidet hier, wie in andern Fällen der Kriegsleitung. Es iſt daher in ſeiner Macht, das erbeutete Schiff, wenn er ſolches aus humanen oder aus politiſchen Gründen für zweckmäßig erachtet, wieder frei und dem urſprünglichen Eigenthümer zurückzugeben, ohne daß der Schiffsmannſchaft, welche ihr Leben und ihre Arbeit daran geſetzt hat, dasſelbe zu erbeuten, ein Recht der Einſprache zuſteht. Vgl. die Urtheile der Lords Stowell und Brougham bei Phillimore III. § 128. Ebenſo kann er einen beliebigen Antheil an der Beute zur Belohnung der Mannſchaft des Nehmeſchiffs verwenden. 8. Verkehr und Verhandlungen unter den Kriegsparteien. Waffen- ruhe. Waffenſtillſtand. Capitulation. 674. Jeder Verkehr zwiſchen den von den feindlichen Kriegsheeren beſetzten Gegenden iſt in der Regel unterſagt. Ausnahmen bedürfen der Geneh- migung der Befehlshaber. Uebertretungen des Verbots werden je nach Umſtänden ſtrenge beſtraft. 1. Am. 86. Die ältere, von Bynkershoek (Quäſt. I. 3) vertretene, heute noch von Wildman, Wheaton, Phillimore vertheidigte Meinung geht viel weiter. Sie nimmt an, durch die Kriegseröffnung werde aller Verkehr zwiſchen den Ländern, die im Kriege ſind, grundſätzlich unterſagt. Dieſe Meinung wird damit erklärt, daß die eigenen Unterthanen durch die Kriegserklärung aufgefordert

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/389>, abgerufen am 22.11.2024.