Die neutralen Staten können auch den Kriegsparteien zur Vermitt- lung von Unterhandlungen während des Krieges dienen und die diploma- tische Vertretung für die Angehörigen einer Kriegspartei bei dem andern feindlichen State übernehmen.
Vgl. oben § 485. Die neutrale Stellung erleichtert sowohl die Vermittlung als die Stellvertretung, weil der neutrale Stat mit beiden Kriegsparteien in Freund- schaft ist, aber selbstverständlich bedarf dieselbe dazu der Ermächtigung der Kriegs- parteien.
Die Angehörigen der neutralen Staten sind berechtigt, mit den An- gehörigen der Kriegsstaten während des Kriegs, wie im Frieden Handel zu treiben. Der Kriegszustand unterbricht den Handelsverkehr nur inso- weit, als das Bedürfniß der Kriegsführung eine militärische Hemmung erfordert.
Nur allmählich und mit steigender Macht kam dieser Grundsatz zur Geltung. Früher wurde oft der entgegengesetzte Satz behauptet, daß der Kriegsstat allen Han- del, auch der Neutralen, mit dem Feindesland verbieten könne. Man wollte dadurch dem Feinde möglichst viel Schaden zufügen und ließ sich von diesem Eifer zu schä- digen nicht einmal durch die Rücksicht abhalten, daß man damit zugleich die Neu- tralen, mit denen man doch in Friede und Freundschaft lebte, ebenso empfindlich schädige. Der Handel aber ist ein Friedens- und nicht ein Kriegsgeschäft, und es ist weder Grund noch Recht vorhanden, dieses Friedensgeschäft der Neutralen mehr zu hemmen, als die militärische Nothwendigkeit es erfordert.
799.
Die Anwendung dieser Regel des friedlichen Handelsverkehrs der Neutralen wird nicht durch die Rücksicht ausgeschlossen, daß ein Kriegsstat
Neuntes Buch.
797.
Die neutralen Staten können auch den Kriegsparteien zur Vermitt- lung von Unterhandlungen während des Krieges dienen und die diploma- tiſche Vertretung für die Angehörigen einer Kriegspartei bei dem andern feindlichen State übernehmen.
Vgl. oben § 485. Die neutrale Stellung erleichtert ſowohl die Vermittlung als die Stellvertretung, weil der neutrale Stat mit beiden Kriegsparteien in Freund- ſchaft iſt, aber ſelbſtverſtändlich bedarf dieſelbe dazu der Ermächtigung der Kriegs- parteien.
Die Angehörigen der neutralen Staten ſind berechtigt, mit den An- gehörigen der Kriegsſtaten während des Kriegs, wie im Frieden Handel zu treiben. Der Kriegszuſtand unterbricht den Handelsverkehr nur inſo- weit, als das Bedürfniß der Kriegsführung eine militäriſche Hemmung erfordert.
Nur allmählich und mit ſteigender Macht kam dieſer Grundſatz zur Geltung. Früher wurde oft der entgegengeſetzte Satz behauptet, daß der Kriegsſtat allen Han- del, auch der Neutralen, mit dem Feindesland verbieten könne. Man wollte dadurch dem Feinde möglichſt viel Schaden zufügen und ließ ſich von dieſem Eifer zu ſchä- digen nicht einmal durch die Rückſicht abhalten, daß man damit zugleich die Neu- tralen, mit denen man doch in Friede und Freundſchaft lebte, ebenſo empfindlich ſchädige. Der Handel aber iſt ein Friedens- und nicht ein Kriegsgeſchäft, und es iſt weder Grund noch Recht vorhanden, dieſes Friedensgeſchäft der Neutralen mehr zu hemmen, als die militäriſche Nothwendigkeit es erfordert.
799.
Die Anwendung dieſer Regel des friedlichen Handelsverkehrs der Neutralen wird nicht durch die Rückſicht ausgeſchloſſen, daß ein Kriegsſtat
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Neuntes Buch.
797.
Die neutralen Staten können auch den Kriegsparteien zur Vermitt-
lung von Unterhandlungen während des Krieges dienen und die diploma-
tiſche Vertretung für die Angehörigen einer Kriegspartei bei dem andern
feindlichen State übernehmen.
Vgl. oben § 485. Die neutrale Stellung erleichtert ſowohl die Vermittlung
als die Stellvertretung, weil der neutrale Stat mit beiden Kriegsparteien in Freund-
ſchaft iſt, aber ſelbſtverſtändlich bedarf dieſelbe dazu der Ermächtigung der Kriegs-
parteien.
4. Neutraler Handelsverkehr. Kriegscontrebande. Durchſuchungsrecht.
798.
Die Angehörigen der neutralen Staten ſind berechtigt, mit den An-
gehörigen der Kriegsſtaten während des Kriegs, wie im Frieden Handel
zu treiben. Der Kriegszuſtand unterbricht den Handelsverkehr nur inſo-
weit, als das Bedürfniß der Kriegsführung eine militäriſche Hemmung
erfordert.
Nur allmählich und mit ſteigender Macht kam dieſer Grundſatz zur Geltung.
Früher wurde oft der entgegengeſetzte Satz behauptet, daß der Kriegsſtat allen Han-
del, auch der Neutralen, mit dem Feindesland verbieten könne. Man wollte dadurch
dem Feinde möglichſt viel Schaden zufügen und ließ ſich von dieſem Eifer zu ſchä-
digen nicht einmal durch die Rückſicht abhalten, daß man damit zugleich die Neu-
tralen, mit denen man doch in Friede und Freundſchaft lebte, ebenſo empfindlich
ſchädige. Der Handel aber iſt ein Friedens- und nicht ein Kriegsgeſchäft,
und es iſt weder Grund noch Recht vorhanden, dieſes Friedensgeſchäft der Neutralen
mehr zu hemmen, als die militäriſche Nothwendigkeit es erfordert.
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Die Anwendung dieſer Regel des friedlichen Handelsverkehrs der
Neutralen wird nicht durch die Rückſicht ausgeſchloſſen, daß ein Kriegsſtat
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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/452>, abgerufen am 22.11.2024.
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