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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.

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Neuntes Buch.
gerten Platz abzusperren und durch thatsächliche Hemmung der Zufuhr auch
von Lebensmitteln die Uebergabe zu erzwingen.

Auch in dieser Hinsicht stimmen die Meinungen der Schriftsteller und die
Bestimmungen der Verträge nicht überein. In dem französisch-englischen Revolutions-
kriege suchte England den Kornhandel mit Frankreich, wenigstens mit der franzö-
sischen Regierung, zu verhindern. Indessen traf dieser Versuch auf den Widerstand
der neutralen Staten, welche mit Recht entgegneten, daß die Ernährung der
Menschen
ein wesentlich friedliches Geschäft und daher und abgesehen von
der Ausnahme der Blocade -- nicht zu verhindern, und nicht als Contrebande zu
behandeln sei. Auch das eigene Bedürfniß, Lebensmittel zu erwerben, rechtfertigt
nicht die Wegnahme neutraler Zufuhr von Seite der bedürftigen Kriegspartei.
Vgl. die Note des Grafen Bernstorff vom Jahre 1793 bei Phillimore III.
§ 247.

808.

Der Handel mit Kriegsgeräthschaften oder die fabrikmäßige Bear-
beitung derselben ist den neutralen Personen auf neutralem Boden nicht
durch das Völkerrecht verboten, auch nicht, wenn dieselben von einer Kriegs-
partei gekauft oder bestellt werden.

Aber es ist Pflicht des neutralen Stats, zu verhindern, daß nicht
von neutralem Boden aus einer Kriegspartei Kriegshülfe geleistet werde
(766) und Recht der Kriegspartei, die Kriegscontrebande wegzunehmen
und die Verstärkung der feindlichen Kriegsmacht zu verhindern.

Waffenfabriken, Pulverfabriken, Anstalten für den Bau von Kriegsschiffen
u. s. f. sind wie der Handel mit solchen Gegenständen an sich friedliche Geschäfte
und sie verändern ihre Natur auch im Kriege dritter Staten nicht. Das Völkerrecht
kümmert sich erst darum, wenn entweder die Absicht der Kriegshülfe offenbar
wird, oder doch die Gefahr der thatsächlichen Förderung der feindlichen
Kriegsführung nahe erscheint. Der neutrale Stat hat daher erst von da an ein
Interesse einzuschreiten, damit er sich nicht dem gerechten Vorwurf aussetze, daß er
sein Gebiet zu feindlichen Handlungen mißbrauchen lasse. Zu diesem Behuf kann
und soll er je nach Umständen Sicherheit gegen den Mißbrauch fordern und wenn
es nöthig ist, auch Beschlag auf die Kriegsrüstung legen.

809.

Die feindliche Kriegsmacht darf sich der Contrebande während der

Neuntes Buch.
gerten Platz abzuſperren und durch thatſächliche Hemmung der Zufuhr auch
von Lebensmitteln die Uebergabe zu erzwingen.

Auch in dieſer Hinſicht ſtimmen die Meinungen der Schriftſteller und die
Beſtimmungen der Verträge nicht überein. In dem franzöſiſch-engliſchen Revolutions-
kriege ſuchte England den Kornhandel mit Frankreich, wenigſtens mit der franzö-
ſiſchen Regierung, zu verhindern. Indeſſen traf dieſer Verſuch auf den Widerſtand
der neutralen Staten, welche mit Recht entgegneten, daß die Ernährung der
Menſchen
ein weſentlich friedliches Geſchäft und daher und abgeſehen von
der Ausnahme der Blocade — nicht zu verhindern, und nicht als Contrebande zu
behandeln ſei. Auch das eigene Bedürfniß, Lebensmittel zu erwerben, rechtfertigt
nicht die Wegnahme neutraler Zufuhr von Seite der bedürftigen Kriegspartei.
Vgl. die Note des Grafen Bernſtorff vom Jahre 1793 bei Phillimore III.
§ 247.

808.

Der Handel mit Kriegsgeräthſchaften oder die fabrikmäßige Bear-
beitung derſelben iſt den neutralen Perſonen auf neutralem Boden nicht
durch das Völkerrecht verboten, auch nicht, wenn dieſelben von einer Kriegs-
partei gekauft oder beſtellt werden.

Aber es iſt Pflicht des neutralen Stats, zu verhindern, daß nicht
von neutralem Boden aus einer Kriegspartei Kriegshülfe geleiſtet werde
(766) und Recht der Kriegspartei, die Kriegscontrebande wegzunehmen
und die Verſtärkung der feindlichen Kriegsmacht zu verhindern.

Waffenfabriken, Pulverfabriken, Anſtalten für den Bau von Kriegsſchiffen
u. ſ. f. ſind wie der Handel mit ſolchen Gegenſtänden an ſich friedliche Geſchäfte
und ſie verändern ihre Natur auch im Kriege dritter Staten nicht. Das Völkerrecht
kümmert ſich erſt darum, wenn entweder die Abſicht der Kriegshülfe offenbar
wird, oder doch die Gefahr der thatſächlichen Förderung der feindlichen
Kriegsführung nahe erſcheint. Der neutrale Stat hat daher erſt von da an ein
Intereſſe einzuſchreiten, damit er ſich nicht dem gerechten Vorwurf ausſetze, daß er
ſein Gebiet zu feindlichen Handlungen mißbrauchen laſſe. Zu dieſem Behuf kann
und ſoll er je nach Umſtänden Sicherheit gegen den Mißbrauch fordern und wenn
es nöthig iſt, auch Beſchlag auf die Kriegsrüſtung legen.

809.

Die feindliche Kriegsmacht darf ſich der Contrebande während der

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[438/0460] Neuntes Buch. gerten Platz abzuſperren und durch thatſächliche Hemmung der Zufuhr auch von Lebensmitteln die Uebergabe zu erzwingen. Auch in dieſer Hinſicht ſtimmen die Meinungen der Schriftſteller und die Beſtimmungen der Verträge nicht überein. In dem franzöſiſch-engliſchen Revolutions- kriege ſuchte England den Kornhandel mit Frankreich, wenigſtens mit der franzö- ſiſchen Regierung, zu verhindern. Indeſſen traf dieſer Verſuch auf den Widerſtand der neutralen Staten, welche mit Recht entgegneten, daß die Ernährung der Menſchen ein weſentlich friedliches Geſchäft und daher und abgeſehen von der Ausnahme der Blocade — nicht zu verhindern, und nicht als Contrebande zu behandeln ſei. Auch das eigene Bedürfniß, Lebensmittel zu erwerben, rechtfertigt nicht die Wegnahme neutraler Zufuhr von Seite der bedürftigen Kriegspartei. Vgl. die Note des Grafen Bernſtorff vom Jahre 1793 bei Phillimore III. § 247. 808. Der Handel mit Kriegsgeräthſchaften oder die fabrikmäßige Bear- beitung derſelben iſt den neutralen Perſonen auf neutralem Boden nicht durch das Völkerrecht verboten, auch nicht, wenn dieſelben von einer Kriegs- partei gekauft oder beſtellt werden. Aber es iſt Pflicht des neutralen Stats, zu verhindern, daß nicht von neutralem Boden aus einer Kriegspartei Kriegshülfe geleiſtet werde (766) und Recht der Kriegspartei, die Kriegscontrebande wegzunehmen und die Verſtärkung der feindlichen Kriegsmacht zu verhindern. Waffenfabriken, Pulverfabriken, Anſtalten für den Bau von Kriegsſchiffen u. ſ. f. ſind wie der Handel mit ſolchen Gegenſtänden an ſich friedliche Geſchäfte und ſie verändern ihre Natur auch im Kriege dritter Staten nicht. Das Völkerrecht kümmert ſich erſt darum, wenn entweder die Abſicht der Kriegshülfe offenbar wird, oder doch die Gefahr der thatſächlichen Förderung der feindlichen Kriegsführung nahe erſcheint. Der neutrale Stat hat daher erſt von da an ein Intereſſe einzuſchreiten, damit er ſich nicht dem gerechten Vorwurf ausſetze, daß er ſein Gebiet zu feindlichen Handlungen mißbrauchen laſſe. Zu dieſem Behuf kann und ſoll er je nach Umſtänden Sicherheit gegen den Mißbrauch fordern und wenn es nöthig iſt, auch Beſchlag auf die Kriegsrüſtung legen. 809. Die feindliche Kriegsmacht darf ſich der Contrebande während der

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/460>, abgerufen am 22.11.2024.