Zufuhr bemächtigen und dieselbe als gute Prise behandeln, aber sie hat kein anderes Strafrecht gegenüber den Neutralen auszuüben.
Da der Kriegsstat außerhalb seines Gebiets -- und das Meer gehört nicht zu seinem Gebiet -- keine Strafgerichtsbarkeit besitzt, so darf er auch in diesem Falle die Kaufleute oder Schiffer, welche Contrebande führen, nicht strafen. Die Wegnahme der Contrebande ist nur eine völkerrechtlich anerkannte Ausübung des Kriegsrechts, nicht des Strafrechts. Aber der neutrale Stat darf wohl seine Angehörigen, welche seine Neutralität durch feindliche Handlungen in Gefahr bringen, deßhalb zur Verantwortung und Strafe ziehn. Das ist aber An- wendung des einheimischen Strafrechts, dessen Natur auch dann stats- rechtlich bleibt, wenn es völkerrechtliche Rücksichten nimmt.
810.
Die Beschlagnahme bezieht sich auf das Frachtschiff, welches die Contrebande führt, nur insofern, als es zum Vollzug der Wegnahme der Contrebande erforderlich ist, also nicht, wenn dieselbe nur einen unter- geordneten Theil der Ladung ausmacht und daher ausgeschieden und für sich allein weggenommen werden kann. Das Schiff darf nur dann als Prise dem Nehmestat zugesprochen werden, wenn der Schiffsherr gewußt und gestattet hat, daß das Schiff Contrebande zuführe.
Die Wegnahme und Confiscation des Schiffs wird nur durch Verschuldung gerechtfertigt. Vgl. oben zu § 806.
811.
Wenn die Verschuldung des Eigenthümers der Contrebande nicht aus den Umständen klar und dennoch die Beschlagnahme derselben wegen der offenbaren Bestimmung für die feindliche Kriegsführung gerechtfertigt erscheint, so hat der Nehmestat dem Eigenthümer den vollen Werth der weggenommenen Gegenstände zu ersetzen. In diesem Falle ist der weg- nehmende Kriegsstat als Zwangskäufer zu behandeln.
Obwohl hier kein mit Confiscation bedrohter Handel vorhanden, sondern nur die Behinderung der thatsächlichen -- wenn auch nicht beabsichtigten -- Kriegshülfe gerechtfertigt ist, so macht der Eingriff in die Interessen der Eigen- thümer ihre Entschädigung nöthig. Aus diesem Grunde ist die Analogie des Zwangsverkaufs in dem völkerrechtlichen Gebrauch angewendet worden. Die ältere Praxis unterschied weniger sorgfältig und war sogar in solchen Fällen geneigt
Recht der Neutralität.
Zufuhr bemächtigen und dieſelbe als gute Priſe behandeln, aber ſie hat kein anderes Strafrecht gegenüber den Neutralen auszuüben.
Da der Kriegsſtat außerhalb ſeines Gebiets — und das Meer gehört nicht zu ſeinem Gebiet — keine Strafgerichtsbarkeit beſitzt, ſo darf er auch in dieſem Falle die Kaufleute oder Schiffer, welche Contrebande führen, nicht ſtrafen. Die Wegnahme der Contrebande iſt nur eine völkerrechtlich anerkannte Ausübung des Kriegsrechts, nicht des Strafrechts. Aber der neutrale Stat darf wohl ſeine Angehörigen, welche ſeine Neutralität durch feindliche Handlungen in Gefahr bringen, deßhalb zur Verantwortung und Strafe ziehn. Das iſt aber An- wendung des einheimiſchen Strafrechts, deſſen Natur auch dann ſtats- rechtlich bleibt, wenn es völkerrechtliche Rückſichten nimmt.
810.
Die Beſchlagnahme bezieht ſich auf das Frachtſchiff, welches die Contrebande führt, nur inſofern, als es zum Vollzug der Wegnahme der Contrebande erforderlich iſt, alſo nicht, wenn dieſelbe nur einen unter- geordneten Theil der Ladung ausmacht und daher ausgeſchieden und für ſich allein weggenommen werden kann. Das Schiff darf nur dann als Priſe dem Nehmeſtat zugeſprochen werden, wenn der Schiffsherr gewußt und geſtattet hat, daß das Schiff Contrebande zuführe.
Die Wegnahme und Confiscation des Schiffs wird nur durch Verſchuldung gerechtfertigt. Vgl. oben zu § 806.
811.
Wenn die Verſchuldung des Eigenthümers der Contrebande nicht aus den Umſtänden klar und dennoch die Beſchlagnahme derſelben wegen der offenbaren Beſtimmung für die feindliche Kriegsführung gerechtfertigt erſcheint, ſo hat der Nehmeſtat dem Eigenthümer den vollen Werth der weggenommenen Gegenſtände zu erſetzen. In dieſem Falle iſt der weg- nehmende Kriegsſtat als Zwangskäufer zu behandeln.
Obwohl hier kein mit Confiscation bedrohter Handel vorhanden, ſondern nur die Behinderung der thatſächlichen — wenn auch nicht beabſichtigten — Kriegshülfe gerechtfertigt iſt, ſo macht der Eingriff in die Intereſſen der Eigen- thümer ihre Entſchädigung nöthig. Aus dieſem Grunde iſt die Analogie des Zwangsverkaufs in dem völkerrechtlichen Gebrauch angewendet worden. Die ältere Praxis unterſchied weniger ſorgfältig und war ſogar in ſolchen Fällen geneigt
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Recht der Neutralität.
Zufuhr bemächtigen und dieſelbe als gute Priſe behandeln, aber ſie hat
kein anderes Strafrecht gegenüber den Neutralen auszuüben.
Da der Kriegsſtat außerhalb ſeines Gebiets — und das Meer gehört
nicht zu ſeinem Gebiet — keine Strafgerichtsbarkeit beſitzt, ſo darf er auch in dieſem
Falle die Kaufleute oder Schiffer, welche Contrebande führen, nicht ſtrafen. Die
Wegnahme der Contrebande iſt nur eine völkerrechtlich anerkannte Ausübung des
Kriegsrechts, nicht des Strafrechts. Aber der neutrale Stat darf
wohl ſeine Angehörigen, welche ſeine Neutralität durch feindliche Handlungen in
Gefahr bringen, deßhalb zur Verantwortung und Strafe ziehn. Das iſt aber An-
wendung des einheimiſchen Strafrechts, deſſen Natur auch dann ſtats-
rechtlich bleibt, wenn es völkerrechtliche Rückſichten nimmt.
810.
Die Beſchlagnahme bezieht ſich auf das Frachtſchiff, welches die
Contrebande führt, nur inſofern, als es zum Vollzug der Wegnahme der
Contrebande erforderlich iſt, alſo nicht, wenn dieſelbe nur einen unter-
geordneten Theil der Ladung ausmacht und daher ausgeſchieden und für
ſich allein weggenommen werden kann. Das Schiff darf nur dann als
Priſe dem Nehmeſtat zugeſprochen werden, wenn der Schiffsherr gewußt
und geſtattet hat, daß das Schiff Contrebande zuführe.
Die Wegnahme und Confiscation des Schiffs wird nur durch Verſchuldung
gerechtfertigt. Vgl. oben zu § 806.
811.
Wenn die Verſchuldung des Eigenthümers der Contrebande nicht
aus den Umſtänden klar und dennoch die Beſchlagnahme derſelben wegen
der offenbaren Beſtimmung für die feindliche Kriegsführung gerechtfertigt
erſcheint, ſo hat der Nehmeſtat dem Eigenthümer den vollen Werth der
weggenommenen Gegenſtände zu erſetzen. In dieſem Falle iſt der weg-
nehmende Kriegsſtat als Zwangskäufer zu behandeln.
Obwohl hier kein mit Confiscation bedrohter Handel vorhanden, ſondern nur
die Behinderung der thatſächlichen — wenn auch nicht beabſichtigten —
Kriegshülfe gerechtfertigt iſt, ſo macht der Eingriff in die Intereſſen der Eigen-
thümer ihre Entſchädigung nöthig. Aus dieſem Grunde iſt die Analogie des
Zwangsverkaufs in dem völkerrechtlichen Gebrauch angewendet worden. Die
ältere Praxis unterſchied weniger ſorgfältig und war ſogar in ſolchen Fällen geneigt
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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/461>, abgerufen am 22.11.2024.
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