here Barbarei im Landkrieg wurde ganz ebenso damit vertheidigt, daß die Schädigung der Feinde ein unentbehrliches Mittel sei, um den Feind zur Nachgiebigkeit zu zwingen. Man hat dieselbe abgeschafft, weil man das Unrecht und die Verderblichkeit dieses Kriegsmittels erkannt hat. Dieselbe Einsicht wird endlich auch das Beuterecht im Seekrieg als einen Flecken der heutigen Weltordnung erkennen lassen und dieselbe davon reinigen helfen.
Vor einem Menschenalter stand es freilich noch schlimmer als gegen- wärtig. Sowohl die Schiffe der feindlichen Nation sammt ihrer Ladung als die feindlichen Kaufgüter, selbst wenn sie auf neutralen Schiffen ver- führt wurden, schienen ein offener Gegenstand der Seebeute zu sein, ob- wohl sie nicht im Eigenthum des Staates waren, mit welchem Krieg ge- führt wurde, sondern der Privaten, gegen welche nicht Krieg geführt ward. Man bedachte nicht einmal, daß die Enteignung dieser als gute Prise weg- genommenen Privatgüter sogar die Gränzen eines Zwangsmittels gegen den Feind überschreite, indem sie nicht wie die Beschlagnahme für die For- derungen ein Unterpfand schafft, sondern über den Frieden hinaus wirkt und das Recht friedlicher Privaten völlig aufzehrt.
Indessen einige, freilich noch nicht genügende, Fortschritte sind gemacht worden, um auch das Seekriegsrecht zu civilisiren.
Es verdienen vorzüglich folgende Maßregeln Erwähnung:
1. Die endliche Mißbilligung und Abschaffung der Kaperei. Nach der früheren räuberischen Praxis begnügten sich die Seemächte nicht da- mit, durch ihre Kriegsmarine den Seehandel zu behindern und die Rheder und Kaufleute der feindlichen Nation nach Kräften zu schädigen. Sie riefen sogar die Raublust der Privatunternehmer zu Hülfe und ermächtig- ten dieselben, mit ihren Kaperschiffen auf Beute auszulaufen. Es war das ein von Stats wegen in Kriegszeiten autorisirter Seeraub. Ver- geblich hatten sich im vorigen Jahrhundert philanthropische Männer, wie Franklin, gegen diese schmachvolle Unsitte erklärt. Auch ein Staatsver- trag zwischen den Vereinigten Staaten von Nordamerika und Preußen vom Jahr 1785, worin beide Mächte versprachen, niemals Kaperbriefe wider einander auszustellen, blieb ohne allgemeine Nachfolge. Während der Napoleonischen Kriege noch waren die französischen Kauffahrer aus allen Meeren von den Engländern weggefegt worden und französische Waaren nirgends vor der englischen Confiscation sicher, so weit die eng- lische Seemacht reichte. Die Continentalsperre, welche der Kaiser Napoleon gegen England in Europa anordnete, war nur Wiedervergeltung, aber
Einleitung.
here Barbarei im Landkrieg wurde ganz ebenſo damit vertheidigt, daß die Schädigung der Feinde ein unentbehrliches Mittel ſei, um den Feind zur Nachgiebigkeit zu zwingen. Man hat dieſelbe abgeſchafft, weil man das Unrecht und die Verderblichkeit dieſes Kriegsmittels erkannt hat. Dieſelbe Einſicht wird endlich auch das Beuterecht im Seekrieg als einen Flecken der heutigen Weltordnung erkennen laſſen und dieſelbe davon reinigen helfen.
Vor einem Menſchenalter ſtand es freilich noch ſchlimmer als gegen- wärtig. Sowohl die Schiffe der feindlichen Nation ſammt ihrer Ladung als die feindlichen Kaufgüter, ſelbſt wenn ſie auf neutralen Schiffen ver- führt wurden, ſchienen ein offener Gegenſtand der Seebeute zu ſein, ob- wohl ſie nicht im Eigenthum des Staates waren, mit welchem Krieg ge- führt wurde, ſondern der Privaten, gegen welche nicht Krieg geführt ward. Man bedachte nicht einmal, daß die Enteignung dieſer als gute Priſe weg- genommenen Privatgüter ſogar die Gränzen eines Zwangsmittels gegen den Feind überſchreite, indem ſie nicht wie die Beſchlagnahme für die For- derungen ein Unterpfand ſchafft, ſondern über den Frieden hinaus wirkt und das Recht friedlicher Privaten völlig aufzehrt.
Indeſſen einige, freilich noch nicht genügende, Fortſchritte ſind gemacht worden, um auch das Seekriegsrecht zu civiliſiren.
Es verdienen vorzüglich folgende Maßregeln Erwähnung:
1. Die endliche Mißbilligung und Abſchaffung der Kaperei. Nach der früheren räuberiſchen Praxis begnügten ſich die Seemächte nicht da- mit, durch ihre Kriegsmarine den Seehandel zu behindern und die Rheder und Kaufleute der feindlichen Nation nach Kräften zu ſchädigen. Sie riefen ſogar die Raubluſt der Privatunternehmer zu Hülfe und ermächtig- ten dieſelben, mit ihren Kaperſchiffen auf Beute auszulaufen. Es war das ein von Stats wegen in Kriegszeiten autoriſirter Seeraub. Ver- geblich hatten ſich im vorigen Jahrhundert philanthropiſche Männer, wie Franklin, gegen dieſe ſchmachvolle Unſitte erklärt. Auch ein Staatsver- trag zwiſchen den Vereinigten Staaten von Nordamerika und Preußen vom Jahr 1785, worin beide Mächte verſprachen, niemals Kaperbriefe wider einander auszuſtellen, blieb ohne allgemeine Nachfolge. Während der Napoleoniſchen Kriege noch waren die franzöſiſchen Kauffahrer aus allen Meeren von den Engländern weggefegt worden und franzöſiſche Waaren nirgends vor der engliſchen Confiscation ſicher, ſo weit die eng- liſche Seemacht reichte. Die Continentalſperre, welche der Kaiſer Napoleon gegen England in Europa anordnete, war nur Wiedervergeltung, aber
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Einleitung.
here Barbarei im Landkrieg wurde ganz ebenſo damit vertheidigt, daß die
Schädigung der Feinde ein unentbehrliches Mittel ſei, um den Feind zur
Nachgiebigkeit zu zwingen. Man hat dieſelbe abgeſchafft, weil man das
Unrecht und die Verderblichkeit dieſes Kriegsmittels erkannt hat. Dieſelbe
Einſicht wird endlich auch das Beuterecht im Seekrieg als einen Flecken
der heutigen Weltordnung erkennen laſſen und dieſelbe davon reinigen helfen.
Vor einem Menſchenalter ſtand es freilich noch ſchlimmer als gegen-
wärtig. Sowohl die Schiffe der feindlichen Nation ſammt ihrer Ladung
als die feindlichen Kaufgüter, ſelbſt wenn ſie auf neutralen Schiffen ver-
führt wurden, ſchienen ein offener Gegenſtand der Seebeute zu ſein, ob-
wohl ſie nicht im Eigenthum des Staates waren, mit welchem Krieg ge-
führt wurde, ſondern der Privaten, gegen welche nicht Krieg geführt ward.
Man bedachte nicht einmal, daß die Enteignung dieſer als gute Priſe weg-
genommenen Privatgüter ſogar die Gränzen eines Zwangsmittels gegen
den Feind überſchreite, indem ſie nicht wie die Beſchlagnahme für die For-
derungen ein Unterpfand ſchafft, ſondern über den Frieden hinaus wirkt
und das Recht friedlicher Privaten völlig aufzehrt.
Indeſſen einige, freilich noch nicht genügende, Fortſchritte ſind gemacht
worden, um auch das Seekriegsrecht zu civiliſiren.
Es verdienen vorzüglich folgende Maßregeln Erwähnung:
1. Die endliche Mißbilligung und Abſchaffung der Kaperei. Nach
der früheren räuberiſchen Praxis begnügten ſich die Seemächte nicht da-
mit, durch ihre Kriegsmarine den Seehandel zu behindern und die Rheder
und Kaufleute der feindlichen Nation nach Kräften zu ſchädigen. Sie
riefen ſogar die Raubluſt der Privatunternehmer zu Hülfe und ermächtig-
ten dieſelben, mit ihren Kaperſchiffen auf Beute auszulaufen. Es war
das ein von Stats wegen in Kriegszeiten autoriſirter Seeraub. Ver-
geblich hatten ſich im vorigen Jahrhundert philanthropiſche Männer, wie
Franklin, gegen dieſe ſchmachvolle Unſitte erklärt. Auch ein Staatsver-
trag zwiſchen den Vereinigten Staaten von Nordamerika und Preußen
vom Jahr 1785, worin beide Mächte verſprachen, niemals Kaperbriefe
wider einander auszuſtellen, blieb ohne allgemeine Nachfolge. Während
der Napoleoniſchen Kriege noch waren die franzöſiſchen Kauffahrer aus
allen Meeren von den Engländern weggefegt worden und franzöſiſche
Waaren nirgends vor der engliſchen Confiscation ſicher, ſo weit die eng-
liſche Seemacht reichte. Die Continentalſperre, welche der Kaiſer Napoleon
gegen England in Europa anordnete, war nur Wiedervergeltung, aber
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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/63>, abgerufen am 16.02.2025.
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