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Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868.

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Einleitung.
nicht wirksam genug, um von England den Verzicht auf die Seebeute zu
erzwingen.

Endlich haben sich auf dem Pariser Congreß vom Jahr 1856 die
versammelten Mächte zu dem wichtigen Satze des heutigen europäischen
Völkerrechts geeinigt: "Die Kaperei ist abgeschafft". Leider ist der-
selbe durch den Widerspruch der Vereinigten Staten noch nicht allgemein
anerkanntes Recht geworden. Die Weigerung Nordamerikas zuzustimmen
beruhte freilich auf einem Grunde, der an sich volle Billigung verdient.
Der Präsident wollte nicht damit die Kaperei gutheißen, sondern er erklärte
nur, daß die Abschaffung derselben für sich allein und, so lange nicht auf
das verwerfliche Beuterecht zur See überhaupt verzichtet werde, eine unzu-
reichende und sogar eine gefährliche Maßregel sei. Es ist wahr, die großen
Seemächte, welche über eine zahlreiche Kriegsmarine verfügen, bedürfen der
Beihülfe der Kaper nicht, und ihre Ueberlegenheit im Seekrieg über schwä-
chere Seestaten mit zahlreicher Handelsmarine aber wenig Kriegsschiffen
wird dadurch eher vergrößert, weil nun die letztern Staten der vielleicht
nützlichen Hülfe von Kaperschiffen, in die sich die Kauffahrer verwandeln
können, entbehren müssen. Indessen war jene Weigerung doch ein Fehler;
denn es ist nicht recht, was man selbst für Unrecht erklärt, deshalb festzu-
halten, weil daneben noch anderes Unrecht fortbesteht, noch politisch klug,
ein erreichbares minderes Gut nicht anzunehmen, weil ein größeres wünsch-
bares Gut noch nicht erlangt wird. Die Abschaffung der Kaperei liegt auf
dem Wege zur Abschaffung der Seebeute, sie ist nicht ein Hinderniß dieser
Entwicklung.

2. Die Gefahr für die Kauffahrer ist ferner durch die neuere Sitte
der kriegführenden Seemächte, eine ergiebige Frist anzusetzen, binnen wel-
cher die Schiffe der feindlichen Nation ungefährdet aus den Häfen des
Krieg drohenden States auslaufen und sich mit ihrer Ladung nach einem
sichern Hafen flüchten können, erheblich ermäßigt worden. In dem Kriege
mit Rußland von 1854, 1855 haben die Westmächte England und Frank-
reich ein nachahmungswürdiges Beispiel der Art gegeben.

3. Ferner wurden auf dem Pariser Congreß von 1856 zwei wich-
tige Gesetze in das Völkerrecht aufgenommen:

a) "Die neutrale Flagge deckt die feindliche Waare, mit
einziger Ausnahme der Kriegscontrebande
." Da kein Staat auf
offenem Meere eine Gebietshoheit besitzt, so ist schon lange der völkerrecht-
liche Satz anerkannt, daß jedes Schiff auf offener See nur der Schutz-

Einleitung.
nicht wirkſam genug, um von England den Verzicht auf die Seebeute zu
erzwingen.

Endlich haben ſich auf dem Pariſer Congreß vom Jahr 1856 die
verſammelten Mächte zu dem wichtigen Satze des heutigen europäiſchen
Völkerrechts geeinigt: „Die Kaperei iſt abgeſchafft“. Leider iſt der-
ſelbe durch den Widerſpruch der Vereinigten Staten noch nicht allgemein
anerkanntes Recht geworden. Die Weigerung Nordamerikas zuzuſtimmen
beruhte freilich auf einem Grunde, der an ſich volle Billigung verdient.
Der Präſident wollte nicht damit die Kaperei gutheißen, ſondern er erklärte
nur, daß die Abſchaffung derſelben für ſich allein und, ſo lange nicht auf
das verwerfliche Beuterecht zur See überhaupt verzichtet werde, eine unzu-
reichende und ſogar eine gefährliche Maßregel ſei. Es iſt wahr, die großen
Seemächte, welche über eine zahlreiche Kriegsmarine verfügen, bedürfen der
Beihülfe der Kaper nicht, und ihre Ueberlegenheit im Seekrieg über ſchwä-
chere Seeſtaten mit zahlreicher Handelsmarine aber wenig Kriegsſchiffen
wird dadurch eher vergrößert, weil nun die letztern Staten der vielleicht
nützlichen Hülfe von Kaperſchiffen, in die ſich die Kauffahrer verwandeln
können, entbehren müſſen. Indeſſen war jene Weigerung doch ein Fehler;
denn es iſt nicht recht, was man ſelbſt für Unrecht erklärt, deshalb feſtzu-
halten, weil daneben noch anderes Unrecht fortbeſteht, noch politiſch klug,
ein erreichbares minderes Gut nicht anzunehmen, weil ein größeres wünſch-
bares Gut noch nicht erlangt wird. Die Abſchaffung der Kaperei liegt auf
dem Wege zur Abſchaffung der Seebeute, ſie iſt nicht ein Hinderniß dieſer
Entwicklung.

2. Die Gefahr für die Kauffahrer iſt ferner durch die neuere Sitte
der kriegführenden Seemächte, eine ergiebige Friſt anzuſetzen, binnen wel-
cher die Schiffe der feindlichen Nation ungefährdet aus den Häfen des
Krieg drohenden States auslaufen und ſich mit ihrer Ladung nach einem
ſichern Hafen flüchten können, erheblich ermäßigt worden. In dem Kriege
mit Rußland von 1854, 1855 haben die Weſtmächte England und Frank-
reich ein nachahmungswürdiges Beiſpiel der Art gegeben.

3. Ferner wurden auf dem Pariſer Congreß von 1856 zwei wich-
tige Geſetze in das Völkerrecht aufgenommen:

a)Die neutrale Flagge deckt die feindliche Waare, mit
einziger Ausnahme der Kriegscontrebande
.“ Da kein Staat auf
offenem Meere eine Gebietshoheit beſitzt, ſo iſt ſchon lange der völkerrecht-
liche Satz anerkannt, daß jedes Schiff auf offener See nur der Schutz-

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[42/0064] Einleitung. nicht wirkſam genug, um von England den Verzicht auf die Seebeute zu erzwingen. Endlich haben ſich auf dem Pariſer Congreß vom Jahr 1856 die verſammelten Mächte zu dem wichtigen Satze des heutigen europäiſchen Völkerrechts geeinigt: „Die Kaperei iſt abgeſchafft“. Leider iſt der- ſelbe durch den Widerſpruch der Vereinigten Staten noch nicht allgemein anerkanntes Recht geworden. Die Weigerung Nordamerikas zuzuſtimmen beruhte freilich auf einem Grunde, der an ſich volle Billigung verdient. Der Präſident wollte nicht damit die Kaperei gutheißen, ſondern er erklärte nur, daß die Abſchaffung derſelben für ſich allein und, ſo lange nicht auf das verwerfliche Beuterecht zur See überhaupt verzichtet werde, eine unzu- reichende und ſogar eine gefährliche Maßregel ſei. Es iſt wahr, die großen Seemächte, welche über eine zahlreiche Kriegsmarine verfügen, bedürfen der Beihülfe der Kaper nicht, und ihre Ueberlegenheit im Seekrieg über ſchwä- chere Seeſtaten mit zahlreicher Handelsmarine aber wenig Kriegsſchiffen wird dadurch eher vergrößert, weil nun die letztern Staten der vielleicht nützlichen Hülfe von Kaperſchiffen, in die ſich die Kauffahrer verwandeln können, entbehren müſſen. Indeſſen war jene Weigerung doch ein Fehler; denn es iſt nicht recht, was man ſelbſt für Unrecht erklärt, deshalb feſtzu- halten, weil daneben noch anderes Unrecht fortbeſteht, noch politiſch klug, ein erreichbares minderes Gut nicht anzunehmen, weil ein größeres wünſch- bares Gut noch nicht erlangt wird. Die Abſchaffung der Kaperei liegt auf dem Wege zur Abſchaffung der Seebeute, ſie iſt nicht ein Hinderniß dieſer Entwicklung. 2. Die Gefahr für die Kauffahrer iſt ferner durch die neuere Sitte der kriegführenden Seemächte, eine ergiebige Friſt anzuſetzen, binnen wel- cher die Schiffe der feindlichen Nation ungefährdet aus den Häfen des Krieg drohenden States auslaufen und ſich mit ihrer Ladung nach einem ſichern Hafen flüchten können, erheblich ermäßigt worden. In dem Kriege mit Rußland von 1854, 1855 haben die Weſtmächte England und Frank- reich ein nachahmungswürdiges Beiſpiel der Art gegeben. 3. Ferner wurden auf dem Pariſer Congreß von 1856 zwei wich- tige Geſetze in das Völkerrecht aufgenommen: a) „Die neutrale Flagge deckt die feindliche Waare, mit einziger Ausnahme der Kriegscontrebande.“ Da kein Staat auf offenem Meere eine Gebietshoheit beſitzt, ſo iſt ſchon lange der völkerrecht- liche Satz anerkannt, daß jedes Schiff auf offener See nur der Schutz-

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Zitationshilfe: Bluntschli, Johann Caspar: Das moderne Völkerrecht der civilisirten Staten. Nördlingen, 1868, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bluntschli_voelkerrecht_1868/64>, abgerufen am 21.11.2024.