[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741.Von dem Sinnreichen reichen an sich haben; durch diesen Gegensatz inein klärer Licht zu setzen, was sie droben zu behaup- ten gesucht hat, daß nemlich noch was mehrers zu einem sinnreichen Ausdrucke erfodert werde, als daß ein Gedancke natürlich und vernünftig sey. Die erste und zweyte sind aus eben derselben Schrift des Herrn von Besser entlehnet. Das nette und wolgesittete Leipzig die Mutter und Säugamme beydes der Musen und Gratien. Diese Stelle ist sinnreich, wegen der Aehnlichkeit und Kraft der Sinnbilder; da Leipzig unter dem Bildniß einer Mutter und Säugamme der Musen und Gratien vorgestellet wird. Die Musen sind die Schutzgöttinnen der Gelehrten, die Gratien die Göttinnen der Annehmlichkeit, beyden wurden von den Dichtern Mütter und Säugammen zugeeignet; und als eine solche wird Leipzig hier vorgebildet. So bald ihr diese Aehnlichkeiten und Bilder auf- löset, und den Satz, der darunter stecket, mit ei- gentlichen unverblümten Worten ausdrücket, so verliert sich das Sinnreiche, aber damit auch die Kraft des Ausdrucks. Der blosse einfältige Satz ist folgender: Leipzig erzeuget, nehret und he- get gelehrte und angenehme Leute. Aber das wird mit grösserer Deutlichkeit, Kraft und Nach- druck gesagt, wenn man sich ausdrückt, wie Besser in dieser Stelle gethan hat. Die Stelle, die hiernächst aus eben demselben chert
Von dem Sinnreichen reichen an ſich haben; durch dieſen Gegenſatz inein klaͤrer Licht zu ſetzen, was ſie droben zu behaup- ten geſucht hat, daß nemlich noch was mehrers zu einem ſinnreichen Ausdrucke erfodert werde, als daß ein Gedancke natuͤrlich und vernuͤnftig ſey. Die erſte und zweyte ſind aus eben derſelben Schrift des Herrn von Beſſer entlehnet. Das nette und wolgeſittete Leipzig die Mutter und Saͤugamme beydes der Muſen und Gratien. Dieſe Stelle iſt ſinnreich, wegen der Aehnlichkeit und Kraft der Sinnbilder; da Leipzig unter dem Bildniß einer Mutter und Saͤugamme der Muſen und Gratien vorgeſtellet wird. Die Muſen ſind die Schutzgoͤttinnen der Gelehrten, die Gratien die Goͤttinnen der Annehmlichkeit, beyden wurden von den Dichtern Muͤtter und Saͤugammen zugeeignet; und als eine ſolche wird Leipzig hier vorgebildet. So bald ihr dieſe Aehnlichkeiten und Bilder auf- loͤſet, und den Satz, der darunter ſtecket, mit ei- gentlichen unverbluͤmten Worten ausdruͤcket, ſo verliert ſich das Sinnreiche, aber damit auch die Kraft des Ausdrucks. Der bloſſe einfaͤltige Satz iſt folgender: Leipzig erzeuget, nehret und he- get gelehrte und angenehme Leute. Aber das wird mit groͤſſerer Deutlichkeit, Kraft und Nach- druck geſagt, wenn man ſich ausdruͤckt, wie Beſſer in dieſer Stelle gethan hat. Die Stelle, die hiernaͤchſt aus eben demſelben chert
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0114" n="98"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Von dem Sinnreichen</hi></fw><lb/> reichen an ſich haben; durch dieſen Gegenſatz in<lb/> ein klaͤrer Licht zu ſetzen, was ſie droben zu behaup-<lb/> ten geſucht hat, daß nemlich noch was mehrers zu<lb/> einem ſinnreichen Ausdrucke erfodert werde, als<lb/> daß ein Gedancke natuͤrlich und vernuͤnftig ſey.<lb/> Die erſte und zweyte ſind aus eben derſelben<lb/> Schrift des Herrn <hi rendition="#fr">von Beſſer</hi> entlehnet. <hi rendition="#fr">Das<lb/> nette und wolgeſittete Leipzig die Mutter und<lb/> Saͤugamme beydes der Muſen und Gratien.</hi><lb/> Dieſe Stelle iſt ſinnreich, wegen der Aehnlichkeit<lb/> und Kraft der Sinnbilder; da Leipzig unter dem<lb/> Bildniß einer Mutter und Saͤugamme der Muſen<lb/> und Gratien vorgeſtellet wird. Die Muſen ſind<lb/> die Schutzgoͤttinnen der Gelehrten, die Gratien die<lb/> Goͤttinnen der Annehmlichkeit, beyden wurden von<lb/> den Dichtern Muͤtter und Saͤugammen zugeeignet;<lb/> und als eine ſolche wird Leipzig hier vorgebildet.<lb/> So bald ihr dieſe Aehnlichkeiten und Bilder auf-<lb/> loͤſet, und den Satz, der darunter ſtecket, mit ei-<lb/> gentlichen unverbluͤmten Worten ausdruͤcket, ſo<lb/> verliert ſich das Sinnreiche, aber damit auch die<lb/> Kraft des Ausdrucks. Der bloſſe einfaͤltige Satz<lb/> iſt folgender: <hi rendition="#fr">Leipzig erzeuget, nehret und he-<lb/> get gelehrte und angenehme Leute.</hi> Aber das<lb/> wird mit groͤſſerer Deutlichkeit, Kraft und Nach-<lb/> druck geſagt, wenn man ſich ausdruͤckt, wie <hi rendition="#fr">Beſſer</hi><lb/> in dieſer Stelle gethan hat.</p><lb/> <p>Die Stelle, die hiernaͤchſt aus eben demſelben<lb/> Autor angefuͤhrt wird, iſt von einer andern Art;<lb/> wenn er von dem Vater ſeiner <hi rendition="#fr">Kuͤhlweinin</hi> ſchrei-<lb/> bet: <hi rendition="#fr">Unter den fuͤnfzehen Kindern, mit denen<lb/> er von dreyen Ehefrauen das Vaterland berei-</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">chert</hi></fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [98/0114]
Von dem Sinnreichen
reichen an ſich haben; durch dieſen Gegenſatz in
ein klaͤrer Licht zu ſetzen, was ſie droben zu behaup-
ten geſucht hat, daß nemlich noch was mehrers zu
einem ſinnreichen Ausdrucke erfodert werde, als
daß ein Gedancke natuͤrlich und vernuͤnftig ſey.
Die erſte und zweyte ſind aus eben derſelben
Schrift des Herrn von Beſſer entlehnet. Das
nette und wolgeſittete Leipzig die Mutter und
Saͤugamme beydes der Muſen und Gratien.
Dieſe Stelle iſt ſinnreich, wegen der Aehnlichkeit
und Kraft der Sinnbilder; da Leipzig unter dem
Bildniß einer Mutter und Saͤugamme der Muſen
und Gratien vorgeſtellet wird. Die Muſen ſind
die Schutzgoͤttinnen der Gelehrten, die Gratien die
Goͤttinnen der Annehmlichkeit, beyden wurden von
den Dichtern Muͤtter und Saͤugammen zugeeignet;
und als eine ſolche wird Leipzig hier vorgebildet.
So bald ihr dieſe Aehnlichkeiten und Bilder auf-
loͤſet, und den Satz, der darunter ſtecket, mit ei-
gentlichen unverbluͤmten Worten ausdruͤcket, ſo
verliert ſich das Sinnreiche, aber damit auch die
Kraft des Ausdrucks. Der bloſſe einfaͤltige Satz
iſt folgender: Leipzig erzeuget, nehret und he-
get gelehrte und angenehme Leute. Aber das
wird mit groͤſſerer Deutlichkeit, Kraft und Nach-
druck geſagt, wenn man ſich ausdruͤckt, wie Beſſer
in dieſer Stelle gethan hat.
Die Stelle, die hiernaͤchſt aus eben demſelben
Autor angefuͤhrt wird, iſt von einer andern Art;
wenn er von dem Vater ſeiner Kuͤhlweinin ſchrei-
bet: Unter den fuͤnfzehen Kindern, mit denen
er von dreyen Ehefrauen das Vaterland berei-
chert
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |