[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741.Von dem Sinnreichen Manches Weib wird hoch gepreisen, Das kaum so viel Tugend zehlt, Als die Seeligste vor diesen Aus Bescheidenheit verhehlt. Diese beyden Stellen sind nicht nur erträglich, Dieses mag genug seyn den Lesern einen deutli- urthei-
Von dem Sinnreichen Manches Weib wird hoch gepreiſen, Das kaum ſo viel Tugend zehlt, Als die Seeligſte vor dieſen Aus Beſcheidenheit verhehlt. Dieſe beyden Stellen ſind nicht nur ertraͤglich, Dieſes mag genug ſeyn den Leſern einen deutli- urthei-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0126" n="110"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Von dem Sinnreichen</hi> </fw><lb/> <lg type="poem"> <l>Manches Weib wird hoch gepreiſen,</l><lb/> <l>Das kaum ſo viel Tugend zehlt,</l><lb/> <l>Als die Seeligſte vor dieſen</l><lb/> <l>Aus Beſcheidenheit verhehlt.</l> </lg><lb/> <p>Dieſe beyden Stellen ſind nicht nur ertraͤglich,<lb/> ſondern koͤnnen dem Buchſtaben nach verſtanden<lb/> werden. <hi rendition="#fr">Aber wenn jemand von dem groſſen<lb/> Alexander geſchrieben: Er habe ein rechtes<lb/> Ertz-Hertz gehabt, in deſſen einem Winkel-<lb/> chen die gantze Welt ſo raͤumlich habe liegen<lb/> koͤnnen, daß noch ſechs andre Welten neben<lb/> ihr Platz genug gehabt haͤtten: das kan wol<lb/> ziemlicher Maſſen ausgeſchweiffet heiſſen.</hi> Die-<lb/> ſer Jemand iſt der beruͤhmte Spanier <hi rendition="#fr">Balth. Gra-<lb/> cian.</hi> Der <hi rendition="#fr">P. Buhurs</hi> fuͤhrt in ſeinem obener-<lb/> wehnten B. dieſe Stelle mit einichen Anmerkun-<lb/> gen begleitet an. <hi rendition="#aq">Il traite le cœur d’Alexandre<lb/> d’Archicœur, dans un coin du quel tout ce mon-<lb/> de étoit ſi à l’aiſe, qu’il y reſtoit de la place pour<lb/> ſix autres. <hi rendition="#i">Grande fue el de Alexandro y el ar-<lb/> chicoraçon, pues cupo en un rincon del todo eſte mondo<lb/> holgadamente, dexando lugar para otros ſeis.</hi><lb/> Avez-vous rien vû de plus recherché & de plus<lb/> enflé?</hi></p><lb/> <p>Dieſes mag genug ſeyn den Leſern einen deutli-<lb/> chen Begriff davon zu machen, was in den Schrif-<lb/> ten uͤberhaupt ſinnreich, und was insbeſondere<lb/> ſcharfſinnig geheiſſen zu werden verdienet: Sie<lb/> koͤnnen daraus nicht allein lernen, woher die all-<lb/> gemeinen Grundſaͤze dieſer Schreibart muͤſſen ge-<lb/> holet, ſondern auch wie ſolche gebraucht werden<lb/> muͤſſen, wann man jede vorkommende Schrift be-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">urthei-</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [110/0126]
Von dem Sinnreichen
Manches Weib wird hoch gepreiſen,
Das kaum ſo viel Tugend zehlt,
Als die Seeligſte vor dieſen
Aus Beſcheidenheit verhehlt.
Dieſe beyden Stellen ſind nicht nur ertraͤglich,
ſondern koͤnnen dem Buchſtaben nach verſtanden
werden. Aber wenn jemand von dem groſſen
Alexander geſchrieben: Er habe ein rechtes
Ertz-Hertz gehabt, in deſſen einem Winkel-
chen die gantze Welt ſo raͤumlich habe liegen
koͤnnen, daß noch ſechs andre Welten neben
ihr Platz genug gehabt haͤtten: das kan wol
ziemlicher Maſſen ausgeſchweiffet heiſſen. Die-
ſer Jemand iſt der beruͤhmte Spanier Balth. Gra-
cian. Der P. Buhurs fuͤhrt in ſeinem obener-
wehnten B. dieſe Stelle mit einichen Anmerkun-
gen begleitet an. Il traite le cœur d’Alexandre
d’Archicœur, dans un coin du quel tout ce mon-
de étoit ſi à l’aiſe, qu’il y reſtoit de la place pour
ſix autres. Grande fue el de Alexandro y el ar-
chicoraçon, pues cupo en un rincon del todo eſte mondo
holgadamente, dexando lugar para otros ſeis.
Avez-vous rien vû de plus recherché & de plus
enflé?
Dieſes mag genug ſeyn den Leſern einen deutli-
chen Begriff davon zu machen, was in den Schrif-
ten uͤberhaupt ſinnreich, und was insbeſondere
ſcharfſinnig geheiſſen zu werden verdienet: Sie
koͤnnen daraus nicht allein lernen, woher die all-
gemeinen Grundſaͤze dieſer Schreibart muͤſſen ge-
holet, ſondern auch wie ſolche gebraucht werden
muͤſſen, wann man jede vorkommende Schrift be-
urthei-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |