[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741.Hans Sachs Die Jole (n) folgt hernach, die Aug und Ohr erfreutDurch ihre sanfte Stimm' und holde Sittsamkeit; Die, weil ein Seufzer hier den andern lieblich jaget, Des Dichters Wahnwiz mehr als Hyllas Noth beklaget; Und der so sehr nicht schmerzt der Dejaniren (o) Schluß, Als daß sie, was du hast geschrieben, singen muß. Zulezt kommt Adelind (p), die mit den süßten Freuden, Hier stehl' ich dir den Vers, ersezen kan das Leiden; Die ihre eigne Wort' oft mit mehr Lust anbringt, Und sprechend mehr gefällt, als wenn sie deine singt; Die ohne Sorgen dich läßt deine Verse zimmern, Und dich allein um das, was dich angeht, bekümmern; Die (n) Jst eine Rolle aus der Opera Hercules von einer Sängerinn, Nahmens Rischmüllerin, gemacht, die in trau- rigen Stücken nicht ihres gleichen hatte. (o) Die Jole ward von der Dejanira im Singspiele zum Tode verdammt. (p) Adelinda ist eine Rolle aus einem andern Singspiele,
die von einer Nahmens Schoberin recitirt ward, die von einem sehr lustigen Humeur und schertzhaften Umgang war. Die unterstrichene Worte sind aus Postels Versen selbst ge- nommen. Jch will diese Entdeckungen nicht vor wichtiger ausgeben als sie sind, und darum bekennen, daß sie der Schilderey des Satyrici eben kein viel grösseres Licht mit- theilen. Er hat uns den Character dieser drey Nymphen in einem so hellen Lichte vorgestellet, daß wir sie aus sei- nen lebhaften Pinselzügen genugsam kennen lernen. Er hat ferner den Gegensaz zwischen ihrem Gesange, und dem Jn- halt desselben, wie auch die Hülfe, so sie dem Operndich- ter leisten, so sinnreich angezeiget, daß uns der Stachel seiner Satyre nicht verborgen bleibet. Was dieses Gedicht schäzbar macht, sind nicht kleine Begegnisse, und Umstände, die es uns in das Gedächtniß brächte, es sind Ausdrücke, Vorstel- lungen und Gemählde, die wir vor sich selbst hochschäzen, ohne daß dergleichen Histörgen etwas dazu helffen. Wir halten noch heut zu Tage so viel von des Seneca Satyre auf den Kaiser Claudius, als man zu Rom zwey Jahre nach seinem Absterben davon gehalten hat. Hans Sachs Die Jole (n) folgt hernach, die Aug und Ohr erfreutDurch ihre ſanfte Stimm’ und holde Sittſamkeit; Die, weil ein Seufzer hier den andern lieblich jaget, Des Dichters Wahnwiz mehr als Hyllas Noth beklaget; Und der ſo ſehr nicht ſchmerzt der Dejaniren (o) Schluß, Als daß ſie, was du haſt geſchrieben, ſingen muß. Zulezt kommt Adelind (p), die mit den ſuͤßten Freuden, Hier ſtehl’ ich dir den Vers, erſezen kan das Leiden; Die ihre eigne Wort’ oft mit mehr Luſt anbringt, Und ſprechend mehr gefaͤllt, als wenn ſie deine ſingt; Die ohne Sorgen dich laͤßt deine Verſe zimmern, Und dich allein um das, was dich angeht, bekuͤmmern; Die (n) Jſt eine Rolle aus der Opera Hercules von einer Saͤngerinn, Nahmens Riſchmuͤllerin, gemacht, die in trau- rigen Stuͤcken nicht ihres gleichen hatte. (o) Die Jole ward von der Dejanira im Singſpiele zum Tode verdammt. (p) Adelinda iſt eine Rolle aus einem andern Singſpiele,
die von einer Nahmens Schoberin recitirt ward, die von einem ſehr luſtigen Humeur und ſchertzhaften Umgang war. Die unterſtrichene Worte ſind aus Poſtels Verſen ſelbſt ge- nommen. Jch will dieſe Entdeckungen nicht vor wichtiger ausgeben als ſie ſind, und darum bekennen, daß ſie der Schilderey des Satyrici eben kein viel groͤſſeres Licht mit- theilen. Er hat uns den Character dieſer drey Nymphen in einem ſo hellen Lichte vorgeſtellet, daß wir ſie aus ſei- nen lebhaften Pinſelzuͤgen genugſam kennen lernen. Er hat ferner den Gegenſaz zwiſchen ihrem Geſange, und dem Jn- halt deſſelben, wie auch die Huͤlfe, ſo ſie dem Operndich- ter leiſten, ſo ſinnreich angezeiget, daß uns der Stachel ſeiner Satyre nicht verborgen bleibet. Was dieſes Gedicht ſchaͤzbar macht, ſind nicht kleine Begegniſſe, und Umſtaͤnde, die es uns in das Gedaͤchtniß braͤchte, es ſind Ausdruͤcke, Vorſtel- lungen und Gemaͤhlde, die wir vor ſich ſelbſt hochſchaͤzen, ohne daß dergleichen Hiſtoͤrgen etwas dazu helffen. Wir halten noch heut zu Tage ſo viel von des Seneca Satyre auf den Kaiſer Claudius, als man zu Rom zwey Jahre nach ſeinem Abſterben davon gehalten hat. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0140" n="124"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Hans Sachs</hi> </fw><lb/> <l>Die Jole <note place="foot" n="(n)">Jſt eine Rolle aus der Opera Hercules von einer<lb/> Saͤngerinn, Nahmens Riſchmuͤllerin, gemacht, die in trau-<lb/> rigen Stuͤcken nicht ihres gleichen hatte.</note> folgt hernach, die Aug und Ohr erfreut</l><lb/> <l>Durch ihre ſanfte Stimm’ und holde Sittſamkeit;</l><lb/> <l>Die, weil ein Seufzer hier den andern lieblich jaget,</l><lb/> <l>Des Dichters Wahnwiz mehr als Hyllas Noth beklaget;</l><lb/> <l>Und der ſo ſehr nicht ſchmerzt der Dejaniren <note place="foot" n="(o)">Die Jole ward von der Dejanira im Singſpiele zum<lb/> Tode verdammt.</note> Schluß,</l><lb/> <l>Als daß ſie, was du haſt geſchrieben, ſingen muß.</l><lb/> <l>Zulezt kommt Adelind <note place="foot" n="(p)">Adelinda iſt eine Rolle aus einem andern Singſpiele,<lb/> die von einer Nahmens Schoberin recitirt ward, die von<lb/> einem ſehr luſtigen Humeur und ſchertzhaften Umgang war.<lb/> Die unterſtrichene Worte ſind aus Poſtels Verſen ſelbſt ge-<lb/> nommen. Jch will dieſe Entdeckungen nicht vor wichtiger<lb/> ausgeben als ſie ſind, und darum bekennen, daß ſie der<lb/> Schilderey des Satyrici eben kein viel groͤſſeres Licht mit-<lb/> theilen. Er hat uns den Character dieſer drey Nymphen<lb/> in einem ſo hellen Lichte vorgeſtellet, daß wir ſie aus ſei-<lb/> nen lebhaften Pinſelzuͤgen genugſam kennen lernen. Er hat<lb/> ferner den Gegenſaz zwiſchen ihrem Geſange, und dem Jn-<lb/> halt deſſelben, wie auch die Huͤlfe, ſo ſie dem Operndich-<lb/> ter leiſten, ſo ſinnreich angezeiget, daß uns der Stachel ſeiner<lb/> Satyre nicht verborgen bleibet. Was dieſes Gedicht ſchaͤzbar<lb/> macht, ſind nicht kleine Begegniſſe, und Umſtaͤnde, die es<lb/> uns in das Gedaͤchtniß braͤchte, es ſind Ausdruͤcke, Vorſtel-<lb/> lungen und Gemaͤhlde, die wir vor ſich ſelbſt hochſchaͤzen,<lb/> ohne daß dergleichen Hiſtoͤrgen etwas dazu helffen. Wir<lb/> halten noch heut zu Tage ſo viel von des Seneca Satyre<lb/> auf den Kaiſer Claudius, als man zu Rom zwey Jahre<lb/> nach ſeinem Abſterben davon gehalten hat.</note>, <hi rendition="#fr">die mit den ſuͤßten Freuden,</hi></l><lb/> <l>Hier ſtehl’ ich dir den Vers, <hi rendition="#fr">erſezen kan das Leiden;</hi></l><lb/> <l>Die ihre eigne Wort’ oft mit mehr Luſt anbringt,</l><lb/> <l>Und ſprechend mehr gefaͤllt, als wenn ſie deine ſingt;</l><lb/> <l>Die ohne Sorgen dich laͤßt deine Verſe zimmern,</l><lb/> <l>Und dich allein um das, was dich angeht, bekuͤmmern;</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [124/0140]
Hans Sachs
Die Jole (n) folgt hernach, die Aug und Ohr erfreut
Durch ihre ſanfte Stimm’ und holde Sittſamkeit;
Die, weil ein Seufzer hier den andern lieblich jaget,
Des Dichters Wahnwiz mehr als Hyllas Noth beklaget;
Und der ſo ſehr nicht ſchmerzt der Dejaniren (o) Schluß,
Als daß ſie, was du haſt geſchrieben, ſingen muß.
Zulezt kommt Adelind (p), die mit den ſuͤßten Freuden,
Hier ſtehl’ ich dir den Vers, erſezen kan das Leiden;
Die ihre eigne Wort’ oft mit mehr Luſt anbringt,
Und ſprechend mehr gefaͤllt, als wenn ſie deine ſingt;
Die ohne Sorgen dich laͤßt deine Verſe zimmern,
Und dich allein um das, was dich angeht, bekuͤmmern;
Die
(n) Jſt eine Rolle aus der Opera Hercules von einer
Saͤngerinn, Nahmens Riſchmuͤllerin, gemacht, die in trau-
rigen Stuͤcken nicht ihres gleichen hatte.
(o) Die Jole ward von der Dejanira im Singſpiele zum
Tode verdammt.
(p) Adelinda iſt eine Rolle aus einem andern Singſpiele,
die von einer Nahmens Schoberin recitirt ward, die von
einem ſehr luſtigen Humeur und ſchertzhaften Umgang war.
Die unterſtrichene Worte ſind aus Poſtels Verſen ſelbſt ge-
nommen. Jch will dieſe Entdeckungen nicht vor wichtiger
ausgeben als ſie ſind, und darum bekennen, daß ſie der
Schilderey des Satyrici eben kein viel groͤſſeres Licht mit-
theilen. Er hat uns den Character dieſer drey Nymphen
in einem ſo hellen Lichte vorgeſtellet, daß wir ſie aus ſei-
nen lebhaften Pinſelzuͤgen genugſam kennen lernen. Er hat
ferner den Gegenſaz zwiſchen ihrem Geſange, und dem Jn-
halt deſſelben, wie auch die Huͤlfe, ſo ſie dem Operndich-
ter leiſten, ſo ſinnreich angezeiget, daß uns der Stachel ſeiner
Satyre nicht verborgen bleibet. Was dieſes Gedicht ſchaͤzbar
macht, ſind nicht kleine Begegniſſe, und Umſtaͤnde, die es
uns in das Gedaͤchtniß braͤchte, es ſind Ausdruͤcke, Vorſtel-
lungen und Gemaͤhlde, die wir vor ſich ſelbſt hochſchaͤzen,
ohne daß dergleichen Hiſtoͤrgen etwas dazu helffen. Wir
halten noch heut zu Tage ſo viel von des Seneca Satyre
auf den Kaiſer Claudius, als man zu Rom zwey Jahre
nach ſeinem Abſterben davon gehalten hat.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |