[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741.ein Heldengedichte. Die oft so wenig ist, auf was sie singt, bedacht,Als du warst, wie du es hast zu Papier gebracht. Hier schwieg der alte Greiß, und weinte fast vor Freuden, Die er an seinem Sohn' erlebt, und fing mit beyden Den wolgerathnen Sohn, mit beyden Armen um, Bestetigend den Wunsch der Amme: Sey du dumm. Nah' einem schönen Fluß, der hundert Schwanen träget, Und erst nur um sein Schilf die schwache Wellen schläget; Hernach der Stadt zur Lust sich weit und breit ergießt, Der Stadt, die, wo sie's selbst erkennet, glücklich ist. An dem ein strenges Haus (q) die feste Mauren zeiget, Worinn der Boßheit wird der steiffe Halß gebeuget; Jn dem die Faulheit man zur frühen Arbeit zwingt, Und ungerathne Söhn' oft zur Erkänntniß bringt. (Frieden, Da steht, nicht weit von dem, doch wie vom Krieg der Und gleich wie Tag und Nacht durch diesen Fluß geschieden; Auf daß uns zeig' ein Blick, daß hier die Ordnung wohnt, Wo man die Laster straft, weil man die Tugend lohnt: Da steht nicht weit von dem ein starck und groß Gebäude (r), Der fremden Zeitvertreib, der Eingesessnen Freude; Das ein berühmter Mann (s) zu Nutz und Zier der Stadt, Der Kunst und Sinnligkeit zugleich gewiedmet hat. Jn dem die Götter selbst vom Himmel prächtig steigen, Und sich die Element' in schöner Ordnung zeigen; Wo Städte man einnimmt, und manches Reich zerstört, Verstorbne Fürsten zeigt, und junge Helden lehrt. Schad ists, daß diesen Plaz kein Hofmannswaldau stüzet, Noch Lohenstein und Gryph hier hinterm Vorhang sizet, Daß kein Antonius, und keine Catharin, Kein treuer Schäfer nicht betritt die Schöne Bühn (t); Denn (q) Zuchthaus an der einen Seite des Alsterflusses. (r) Das Opernhaus an der andern Seite der Alster. (s) Ein gewisser Rathsherr Schott, in dessen eine Toch- ter Postel verliebt und auf Werniken eifersüchtig war. (t) Jn diesen Zeilen erkennen wir den Kunstrichter nicht,
der ein Heldengedichte. Die oft ſo wenig iſt, auf was ſie ſingt, bedacht,Als du warſt, wie du es haſt zu Papier gebracht. Hier ſchwieg der alte Greiß, und weinte faſt vor Freuden, Die er an ſeinem Sohn’ erlebt, und fing mit beyden Den wolgerathnen Sohn, mit beyden Armen um, Beſtetigend den Wunſch der Amme: Sey du dumm. Nah’ einem ſchoͤnen Fluß, der hundert Schwanen traͤget, Und erſt nur um ſein Schilf die ſchwache Wellen ſchlaͤget; Hernach der Stadt zur Luſt ſich weit und breit ergießt, Der Stadt, die, wo ſie’s ſelbſt erkennet, gluͤcklich iſt. An dem ein ſtrenges Haus (q) die feſte Mauren zeiget, Worinn der Boßheit wird der ſteiffe Halß gebeuget; Jn dem die Faulheit man zur fruͤhen Arbeit zwingt, Und ungerathne Soͤhn’ oft zur Erkaͤnntniß bringt. (Frieden, Da ſteht, nicht weit von dem, doch wie vom Krieg der Und gleich wie Tag und Nacht durch dieſen Fluß geſchieden; Auf daß uns zeig’ ein Blick, daß hier die Ordnung wohnt, Wo man die Laſter ſtraft, weil man die Tugend lohnt: Da ſteht nicht weit von dem ein ſtarck und groß Gebaͤude (r), Der fremden Zeitvertreib, der Eingeſeſſnen Freude; Das ein beruͤhmter Mann (s) zu Nutz und Zier der Stadt, Der Kunſt und Sinnligkeit zugleich gewiedmet hat. Jn dem die Goͤtter ſelbſt vom Himmel praͤchtig ſteigen, Und ſich die Element’ in ſchoͤner Ordnung zeigen; Wo Staͤdte man einnimmt, und manches Reich zerſtoͤrt, Verſtorbne Fuͤrſten zeigt, und junge Helden lehrt. Schad iſts, daß dieſen Plaz kein Hofmannswaldau ſtuͤzet, Noch Lohenſtein und Gryph hier hinterm Vorhang ſizet, Daß kein Antonius, und keine Catharin, Kein treuer Schaͤfer nicht betritt die Schoͤne Buͤhn (t); Denn (q) Zuchthaus an der einen Seite des Alſterfluſſes. (r) Das Opernhaus an der andern Seite der Alſter. (s) Ein gewiſſer Rathsherr Schott, in deſſen eine Toch- ter Poſtel verliebt und auf Werniken eiferſuͤchtig war. (t) Jn dieſen Zeilen erkennen wir den Kunſtrichter nicht,
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ein Heldengedichte.
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Hier ſchwieg der alte Greiß, und weinte faſt vor Freuden,
Die er an ſeinem Sohn’ erlebt, und fing mit beyden
Den wolgerathnen Sohn, mit beyden Armen um,
Beſtetigend den Wunſch der Amme: Sey du dumm.
Nah’ einem ſchoͤnen Fluß, der hundert Schwanen traͤget,
Und erſt nur um ſein Schilf die ſchwache Wellen ſchlaͤget;
Hernach der Stadt zur Luſt ſich weit und breit ergießt,
Der Stadt, die, wo ſie’s ſelbſt erkennet, gluͤcklich iſt.
An dem ein ſtrenges Haus (q) die feſte Mauren zeiget,
Worinn der Boßheit wird der ſteiffe Halß gebeuget;
Jn dem die Faulheit man zur fruͤhen Arbeit zwingt,
Und ungerathne Soͤhn’ oft zur Erkaͤnntniß bringt.
(Frieden,
Da ſteht, nicht weit von dem, doch wie vom Krieg der
Und gleich wie Tag und Nacht durch dieſen Fluß geſchieden;
Auf daß uns zeig’ ein Blick, daß hier die Ordnung wohnt,
Wo man die Laſter ſtraft, weil man die Tugend lohnt:
Da ſteht nicht weit von dem ein ſtarck und groß Gebaͤude (r),
Der fremden Zeitvertreib, der Eingeſeſſnen Freude;
Das ein beruͤhmter Mann (s) zu Nutz und Zier der Stadt,
Der Kunſt und Sinnligkeit zugleich gewiedmet hat.
Jn dem die Goͤtter ſelbſt vom Himmel praͤchtig ſteigen,
Und ſich die Element’ in ſchoͤner Ordnung zeigen;
Wo Staͤdte man einnimmt, und manches Reich zerſtoͤrt,
Verſtorbne Fuͤrſten zeigt, und junge Helden lehrt.
Schad iſts, daß dieſen Plaz kein Hofmannswaldau ſtuͤzet,
Noch Lohenſtein und Gryph hier hinterm Vorhang ſizet,
Daß kein Antonius, und keine Catharin,
Kein treuer Schaͤfer nicht betritt die Schoͤne Buͤhn (t);
Denn
(q) Zuchthaus an der einen Seite des Alſterfluſſes.
(r) Das Opernhaus an der andern Seite der Alſter.
(s) Ein gewiſſer Rathsherr Schott, in deſſen eine Toch-
ter Poſtel verliebt und auf Werniken eiferſuͤchtig war.
(t) Jn dieſen Zeilen erkennen wir den Kunſtrichter nicht,
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