[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741.Hans Sachs Denn würd' ein solcher Vers die Anstalt hier begleiten,So könnte man Paris den Vorzug selbst abstreiten: Wiewohl auch dort wie hier die Dichtkunst hinten bleibt, Und das was Lülly sezt, allein ein Quinaut schreibt; Gleich als ob die Musik, die doch vom Himmel stammet, An allen Orten wär zum Aberwiz verdammet. Nun hatt' Hans Sachs dieß Haus der Ehre werth geschäzt, Daß er des Stelpos Thron hierinnen prächtig sezt. Denn es hatt' eine Hex ihm längst gewußt zu sagen, Daß ein Tyrann allhier - - - Das Volk mit Versen würd' als Scorpionen plagen; Daß er die deutsche Sprach' im Grund erschüttern würd, Gebohrn dem Wiz zu Troz, und der Vernunft zur Bürd. Nun hatte Fama schon, die nie mit Schweigen sündigt, Des Stelpos Krönungs-Tag der ganzen Stadt verkündigt: So daß ein grosses Volk vom Dreckwall, Mistberg (u), kam, Und auf dem Gänse-Marckt die besten Pläz' einnam. Es war der Weg belegt stat köstlicher Tapeten Mit Blättern, welche man gepflükt aus den Poeten, Die in dem finstern Thum (w) gleich als begraben sind, Und die man eh' als hie bey Apothekern findt. Fruchtbringend war der Staub, gekrönet alle Steine; Doch aller andern Werk' erstekten Stelpos seine: Be- der zuerst die Kühnheit gehabt hat, sich dem Lohenfteinischen Schwulst im offentlichen Druke zu widersezen, welches Lob ihm Herr Konig in seiner Untersuchung des Geschmakes mit- getheilet hat. (u) Dieß sind Nahmen einiger Gassen in Hamburg, die er hier angebracht, um durch ihre häßliche Benennung den Stelpo noch lächerlicher zu machen. Auf dem Gänse- markt steht das Opernhaus, daher er da die Krönung an- gesezt. (w) Jn der Doms- oder Thumskirche haben die Buch-
führer ihre Gewölber. Hans Sachs Denn wuͤrd’ ein ſolcher Vers die Anſtalt hier begleiten,So koͤnnte man Paris den Vorzug ſelbſt abſtreiten: Wiewohl auch dort wie hier die Dichtkunſt hinten bleibt, Und das was Luͤlly ſezt, allein ein Quinaut ſchreibt; Gleich als ob die Muſik, die doch vom Himmel ſtammet, An allen Orten waͤr zum Aberwiz verdammet. Nun hatt’ Hans Sachs dieß Haus der Ehre werth geſchaͤzt, Daß er des Stelpos Thron hierinnen praͤchtig ſezt. Denn es hatt’ eine Hex ihm laͤngſt gewußt zu ſagen, Daß ein Tyrann allhier ‒ ‒ ‒ Das Volk mit Verſen wuͤrd’ als Scorpionen plagen; Daß er die deutſche Sprach’ im Grund erſchuͤttern wuͤrd, Gebohrn dem Wiz zu Troz, und der Vernunft zur Buͤrd. Nun hatte Fama ſchon, die nie mit Schweigen ſuͤndigt, Des Stelpos Kroͤnungs-Tag der ganzen Stadt verkuͤndigt: So daß ein groſſes Volk vom Dreckwall, Miſtberg (u), kam, Und auf dem Gaͤnſe-Marckt die beſten Plaͤz’ einnam. Es war der Weg belegt ſtat koͤſtlicher Tapeten Mit Blaͤttern, welche man gepfluͤkt aus den Poeten, Die in dem finſtern Thum (w) gleich als begraben ſind, Und die man eh’ als hie bey Apothekern findt. Fruchtbringend war der Staub, gekroͤnet alle Steine; Doch aller andern Werk’ erſtekten Stelpos ſeine: Be- der zuerſt die Kuͤhnheit gehabt hat, ſich dem Lohenfteiniſchen Schwulſt im offentlichen Druke zu widerſezen, welches Lob ihm Herr Konig in ſeiner Unterſuchung des Geſchmakes mit- getheilet hat. (u) Dieß ſind Nahmen einiger Gaſſen in Hamburg, die er hier angebracht, um durch ihre haͤßliche Benennung den Stelpo noch laͤcherlicher zu machen. Auf dem Gaͤnſe- markt ſteht das Opernhaus, daher er da die Kroͤnung an- geſezt. (w) Jn der Doms- oder Thumskirche haben die Buch-
fuͤhrer ihre Gewoͤlber. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0142" n="126"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Hans Sachs</hi> </fw><lb/> <l>Denn wuͤrd’ ein ſolcher Vers die Anſtalt hier begleiten,</l><lb/> <l>So koͤnnte man Paris den Vorzug ſelbſt abſtreiten:</l><lb/> <l>Wiewohl auch dort wie hier die Dichtkunſt hinten bleibt,</l><lb/> <l>Und das was Luͤlly ſezt, allein ein Quinaut ſchreibt;</l><lb/> <l>Gleich als ob die Muſik, die doch vom Himmel ſtammet,</l><lb/> <l>An allen Orten waͤr zum Aberwiz verdammet.</l><lb/> <l>Nun hatt’ Hans Sachs dieß Haus der Ehre werth geſchaͤzt,</l><lb/> <l>Daß er des Stelpos Thron hierinnen praͤchtig ſezt.</l><lb/> <l>Denn es hatt’ eine Hex ihm laͤngſt gewußt zu ſagen,</l><lb/> <l>Daß ein Tyrann allhier ‒ ‒ ‒</l><lb/> <l>Das Volk mit Verſen wuͤrd’ als Scorpionen plagen;</l><lb/> <l>Daß er die deutſche Sprach’ im Grund erſchuͤttern wuͤrd,</l><lb/> <l>Gebohrn dem Wiz zu Troz, und der Vernunft zur Buͤrd.</l><lb/> <l>Nun hatte Fama ſchon, die nie mit Schweigen ſuͤndigt,</l><lb/> <l>Des Stelpos Kroͤnungs-Tag der ganzen Stadt verkuͤndigt:</l><lb/> <l>So daß ein groſſes Volk vom <hi rendition="#fr">Dreckwall, Miſtberg</hi> <note place="foot" n="(u)">Dieß ſind Nahmen einiger Gaſſen in Hamburg, die<lb/> er hier angebracht, um durch ihre haͤßliche Benennung den<lb/> Stelpo noch laͤcherlicher zu machen. Auf dem <hi rendition="#fr">Gaͤnſe-<lb/> markt</hi> ſteht das Opernhaus, daher er da die Kroͤnung an-<lb/> geſezt.</note>, kam,</l><lb/> <l>Und auf dem <hi rendition="#fr">Gaͤnſe-Marckt</hi> die beſten Plaͤz’ einnam.</l><lb/> <l>Es war der Weg belegt ſtat koͤſtlicher Tapeten</l><lb/> <l>Mit Blaͤttern, welche man gepfluͤkt aus den Poeten,</l><lb/> <l>Die in dem finſtern <hi rendition="#fr">Thum</hi> <note place="foot" n="(w)">Jn der Doms- oder Thumskirche haben die Buch-<lb/> fuͤhrer ihre Gewoͤlber.</note> gleich als begraben ſind,</l><lb/> <l>Und die man eh’ als hie bey Apothekern findt.</l><lb/> <l>Fruchtbringend war der Staub, gekroͤnet alle Steine;</l><lb/> <l>Doch aller andern Werk’ erſtekten Stelpos ſeine:</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Be-</fw><lb/> <l> <note xml:id="fn2" prev="#fn1" place="foot" n="(t)">der zuerſt die Kuͤhnheit gehabt hat, ſich dem Lohenfteiniſchen<lb/> Schwulſt im offentlichen Druke zu widerſezen, welches Lob<lb/> ihm Herr Konig in ſeiner Unterſuchung des Geſchmakes mit-<lb/> getheilet hat.</note> </l><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [126/0142]
Hans Sachs
Denn wuͤrd’ ein ſolcher Vers die Anſtalt hier begleiten,
So koͤnnte man Paris den Vorzug ſelbſt abſtreiten:
Wiewohl auch dort wie hier die Dichtkunſt hinten bleibt,
Und das was Luͤlly ſezt, allein ein Quinaut ſchreibt;
Gleich als ob die Muſik, die doch vom Himmel ſtammet,
An allen Orten waͤr zum Aberwiz verdammet.
Nun hatt’ Hans Sachs dieß Haus der Ehre werth geſchaͤzt,
Daß er des Stelpos Thron hierinnen praͤchtig ſezt.
Denn es hatt’ eine Hex ihm laͤngſt gewußt zu ſagen,
Daß ein Tyrann allhier ‒ ‒ ‒
Das Volk mit Verſen wuͤrd’ als Scorpionen plagen;
Daß er die deutſche Sprach’ im Grund erſchuͤttern wuͤrd,
Gebohrn dem Wiz zu Troz, und der Vernunft zur Buͤrd.
Nun hatte Fama ſchon, die nie mit Schweigen ſuͤndigt,
Des Stelpos Kroͤnungs-Tag der ganzen Stadt verkuͤndigt:
So daß ein groſſes Volk vom Dreckwall, Miſtberg (u), kam,
Und auf dem Gaͤnſe-Marckt die beſten Plaͤz’ einnam.
Es war der Weg belegt ſtat koͤſtlicher Tapeten
Mit Blaͤttern, welche man gepfluͤkt aus den Poeten,
Die in dem finſtern Thum (w) gleich als begraben ſind,
Und die man eh’ als hie bey Apothekern findt.
Fruchtbringend war der Staub, gekroͤnet alle Steine;
Doch aller andern Werk’ erſtekten Stelpos ſeine:
Be-
(t)
(u) Dieß ſind Nahmen einiger Gaſſen in Hamburg, die
er hier angebracht, um durch ihre haͤßliche Benennung den
Stelpo noch laͤcherlicher zu machen. Auf dem Gaͤnſe-
markt ſteht das Opernhaus, daher er da die Kroͤnung an-
geſezt.
(w) Jn der Doms- oder Thumskirche haben die Buch-
fuͤhrer ihre Gewoͤlber.
(t) der zuerſt die Kuͤhnheit gehabt hat, ſich dem Lohenfteiniſchen
Schwulſt im offentlichen Druke zu widerſezen, welches Lob
ihm Herr Konig in ſeiner Unterſuchung des Geſchmakes mit-
getheilet hat.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |