Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite

Widerlegung der Relig. Essent.
nicht zur Religion gehöre. Er schließt ja gar
keine Beziehung ausser Gott in sich ein. Wie
folget es? Gott ist sich selbst genugsam: Hie-
mit hat er eine Welt erschaffen, Menschen dar-
auf sezen müssen etc. Sachen ohne welche die
Religion nicht besteht; die aber ja nicht aus
der Selbstgenugsamkeit Gottes herfliessen!
Vielmehr gründet sich keine einige Würkung
Gottes ausser ihm auf diesen Saz, (*) son-
dern es werden ganz andere Eigenschaften da-
zu erfodert, aus denen man selbige versteht.
Mithin ist aller Nuzen dieses Sazes, Gott ist
sich selbst genugsam,
bey der Untersuchung der
Religion dieser: Daß man als falsch verwerf-
fen müsse, was mit demselbigen streitet. Wie
z. E. ist, daß Gott durch seine Werke Vollkom-
menheit und Glük zuwachse, welches er zuvor
nicht gehabt etc. Hingegen läst sich nicht schlies-
sen, jeder Saz, den man nicht aus demselben
herleiten kan, ist falsch.

Viel-
(*) Weil nemlich der Saz wahr bleibt, wann ich
auch seze, Gott würke gar nicht ausser sich: Folglich dersel-
be auch nichts in sich schliesset, daraus zu verstehen wäre
warum Gott es thut. Eben wie er auf der andern Sei-
te auch fest bleibt, wann ich seze, Gott habe eine Welt etc.
erschaffen. Kan er aber (wie der Unbekannte zugibt,) bey
dieser Würkung Gottes, in so fern sie von seiner Güte
determiniert worden, bestehen, so ist kein Grund vorhan-
den warum er nicht auch bey denen Würkungen desselben
sollte bestehen können, welche von andern göttlichen Ei-
genschaften z. Ex. der Liebe zur Ordnung, und möglich-
sten Vollkommenheit in dem Ganzen, der Weißheit, (die
unter anderm insbesondere auch die Fähigkeit der Geschö-
pfe betrachtet,) Heiligkeit etc. bestimmet werden. Hat
Gott nichts für sich selbst davon, wenn er gütig ist, so
hat
K 5

Widerlegung der Relig. Eſſent.
nicht zur Religion gehoͤre. Er ſchließt ja gar
keine Beziehung auſſer Gott in ſich ein. Wie
folget es? Gott iſt ſich ſelbſt genugſam: Hie-
mit hat er eine Welt erſchaffen, Menſchen dar-
auf ſezen muͤſſen ꝛc. Sachen ohne welche die
Religion nicht beſteht; die aber ja nicht aus
der Selbſtgenugſamkeit Gottes herflieſſen!
Vielmehr gruͤndet ſich keine einige Wuͤrkung
Gottes auſſer ihm auf dieſen Saz, (*) ſon-
dern es werden ganz andere Eigenſchaften da-
zu erfodert, aus denen man ſelbige verſteht.
Mithin iſt aller Nuzen dieſes Sazes, Gott iſt
ſich ſelbſt genugſam,
bey der Unterſuchung der
Religion dieſer: Daß man als falſch verwerf-
fen muͤſſe, was mit demſelbigen ſtreitet. Wie
z. E. iſt, daß Gott durch ſeine Werke Vollkom-
menheit und Gluͤk zuwachſe, welches er zuvor
nicht gehabt ꝛc. Hingegen laͤſt ſich nicht ſchlieſ-
ſen, jeder Saz, den man nicht aus demſelben
herleiten kan, iſt falſch.

Viel-
(*) Weil nemlich der Saz wahr bleibt, wann ich
auch ſeze, Gott wuͤrke gar nicht auſſer ſich: Folglich derſel-
be auch nichts in ſich ſchlieſſet, daraus zu verſtehen waͤre
warum Gott es thut. Eben wie er auf der andern Sei-
te auch feſt bleibt, wann ich ſeze, Gott habe eine Welt ꝛc.
erſchaffen. Kan er aber (wie der Unbekannte zugibt,) bey
dieſer Wuͤrkung Gottes, in ſo fern ſie von ſeiner Guͤte
determiniert worden, beſtehen, ſo iſt kein Grund vorhan-
den warum er nicht auch bey denen Wuͤrkungen deſſelben
ſollte beſtehen koͤnnen, welche von andern goͤttlichen Ei-
genſchaften z. Ex. der Liebe zur Ordnung, und moͤglich-
ſten Vollkommenheit in dem Ganzen, der Weißheit, (die
unter anderm insbeſondere auch die Faͤhigkeit der Geſchoͤ-
pfe betrachtet,) Heiligkeit ꝛc. beſtimmet werden. Hat
Gott nichts fuͤr ſich ſelbſt davon, wenn er guͤtig iſt, ſo
hat
K 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0169" n="153"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Widerlegung der <hi rendition="#aq">Relig. E&#x017F;&#x017F;ent.</hi></hi></fw><lb/>
nicht zur Religion geho&#x0364;re. Er &#x017F;chließt ja gar<lb/>
keine Beziehung au&#x017F;&#x017F;er Gott in &#x017F;ich ein. Wie<lb/>
folget es? Gott i&#x017F;t &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t genug&#x017F;am: Hie-<lb/>
mit hat er eine Welt er&#x017F;chaffen, Men&#x017F;chen dar-<lb/>
auf &#x017F;ezen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#xA75B;c. Sachen ohne welche die<lb/>
Religion nicht be&#x017F;teht; die aber ja nicht aus<lb/>
der Selb&#x017F;tgenug&#x017F;amkeit Gottes herflie&#x017F;&#x017F;en!<lb/>
Vielmehr gru&#x0364;ndet &#x017F;ich keine einige Wu&#x0364;rkung<lb/>
Gottes au&#x017F;&#x017F;er ihm auf die&#x017F;en Saz, <note xml:id="seg2pn_18_1" next="#seg2pn_18_2" place="foot" n="(*)">Weil nemlich der Saz wahr bleibt, wann ich<lb/>
auch &#x017F;eze, Gott wu&#x0364;rke gar nicht au&#x017F;&#x017F;er &#x017F;ich: Folglich der&#x017F;el-<lb/>
be auch nichts in &#x017F;ich &#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;et, daraus zu ver&#x017F;tehen wa&#x0364;re<lb/>
warum Gott es thut. Eben wie er auf der andern Sei-<lb/>
te auch fe&#x017F;t bleibt, wann ich &#x017F;eze, Gott habe eine Welt &#xA75B;c.<lb/>
er&#x017F;chaffen. Kan er aber (wie der Unbekannte zugibt,) bey<lb/>
die&#x017F;er Wu&#x0364;rkung Gottes, in &#x017F;o fern &#x017F;ie von &#x017F;einer Gu&#x0364;te<lb/>
determiniert worden, be&#x017F;tehen, &#x017F;o i&#x017F;t kein Grund vorhan-<lb/>
den warum er nicht auch bey denen Wu&#x0364;rkungen de&#x017F;&#x017F;elben<lb/>
&#x017F;ollte be&#x017F;tehen ko&#x0364;nnen, welche von andern go&#x0364;ttlichen Ei-<lb/>
gen&#x017F;chaften z. Ex. der Liebe zur Ordnung, und mo&#x0364;glich-<lb/>
&#x017F;ten Vollkommenheit in dem Ganzen, der Weißheit, (die<lb/>
unter anderm insbe&#x017F;ondere auch die Fa&#x0364;higkeit der Ge&#x017F;cho&#x0364;-<lb/>
pfe betrachtet,) Heiligkeit &#xA75B;c. be&#x017F;timmet werden. Hat<lb/>
Gott nichts fu&#x0364;r &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t davon, wenn er gu&#x0364;tig i&#x017F;t, &#x017F;o<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">hat</fw></note> &#x017F;on-<lb/>
dern es werden ganz andere Eigen&#x017F;chaften da-<lb/>
zu erfodert, aus denen man &#x017F;elbige ver&#x017F;teht.<lb/>
Mithin i&#x017F;t aller Nuzen die&#x017F;es Sazes, <hi rendition="#fr">Gott i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t genug&#x017F;am,</hi> bey der Unter&#x017F;uchung der<lb/>
Religion die&#x017F;er: Daß man als fal&#x017F;ch verwerf-<lb/>
fen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, was mit dem&#x017F;elbigen &#x017F;treitet. Wie<lb/>
z. E. i&#x017F;t, daß Gott durch &#x017F;eine Werke Vollkom-<lb/>
menheit und Glu&#x0364;k zuwach&#x017F;e, welches er zuvor<lb/>
nicht gehabt &#xA75B;c. Hingegen la&#x0364;&#x017F;t &#x017F;ich nicht &#x017F;chlie&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, jeder Saz, den man nicht aus dem&#x017F;elben<lb/>
herleiten kan, i&#x017F;t fal&#x017F;ch.</p>
        </div><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">K 5</fw>
        <fw place="bottom" type="catch">Viel-</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[153/0169] Widerlegung der Relig. Eſſent. nicht zur Religion gehoͤre. Er ſchließt ja gar keine Beziehung auſſer Gott in ſich ein. Wie folget es? Gott iſt ſich ſelbſt genugſam: Hie- mit hat er eine Welt erſchaffen, Menſchen dar- auf ſezen muͤſſen ꝛc. Sachen ohne welche die Religion nicht beſteht; die aber ja nicht aus der Selbſtgenugſamkeit Gottes herflieſſen! Vielmehr gruͤndet ſich keine einige Wuͤrkung Gottes auſſer ihm auf dieſen Saz, (*) ſon- dern es werden ganz andere Eigenſchaften da- zu erfodert, aus denen man ſelbige verſteht. Mithin iſt aller Nuzen dieſes Sazes, Gott iſt ſich ſelbſt genugſam, bey der Unterſuchung der Religion dieſer: Daß man als falſch verwerf- fen muͤſſe, was mit demſelbigen ſtreitet. Wie z. E. iſt, daß Gott durch ſeine Werke Vollkom- menheit und Gluͤk zuwachſe, welches er zuvor nicht gehabt ꝛc. Hingegen laͤſt ſich nicht ſchlieſ- ſen, jeder Saz, den man nicht aus demſelben herleiten kan, iſt falſch. Viel- (*) Weil nemlich der Saz wahr bleibt, wann ich auch ſeze, Gott wuͤrke gar nicht auſſer ſich: Folglich derſel- be auch nichts in ſich ſchlieſſet, daraus zu verſtehen waͤre warum Gott es thut. Eben wie er auf der andern Sei- te auch feſt bleibt, wann ich ſeze, Gott habe eine Welt ꝛc. erſchaffen. Kan er aber (wie der Unbekannte zugibt,) bey dieſer Wuͤrkung Gottes, in ſo fern ſie von ſeiner Guͤte determiniert worden, beſtehen, ſo iſt kein Grund vorhan- den warum er nicht auch bey denen Wuͤrkungen deſſelben ſollte beſtehen koͤnnen, welche von andern goͤttlichen Ei- genſchaften z. Ex. der Liebe zur Ordnung, und moͤglich- ſten Vollkommenheit in dem Ganzen, der Weißheit, (die unter anderm insbeſondere auch die Faͤhigkeit der Geſchoͤ- pfe betrachtet,) Heiligkeit ꝛc. beſtimmet werden. Hat Gott nichts fuͤr ſich ſelbſt davon, wenn er guͤtig iſt, ſo hat K 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung01_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung01_1741/169
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung01_1741/169>, abgerufen am 24.11.2024.