[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 1. Zürich, 1741.Johann Miltons Engels, der gefallen war, und an einer Herr-lichkeit, die zuvor übermässig gewesen war, verkürtzet worden: Wie wenn die aufsteigende Sonne mit verminderten Strahlen durch die benebelte Horizontal-Luft hervorblickt, oder in einer düstern Verfinsterung hinter dem Mon- den hervor eine unglücksreiche Dämmerung auf den halben Theil der Welt fallen läßt, und die Monarchen in Sorgen setzet, daß Ver- änderungen erfolgen werden. Auf diese Wei- se war der Ertzengel zwar verfinstert, jedoch an Glantz vortrefflicher als die andern alle. Aber auf seinem Angesichte waren von dem Donner tiefe Narben eingegraben, und die Sorge saß auf seinen erblaßten Wangen; aber in seinen Augbraunen las man einen un- gezähmten Muth und einen gesezten Stoltz, der maß derselben sich verlohren habe? Dieser vortreffliche Rest von dem alten Glantze zeiget uns Satans Englische Natur in der Hölle selbst, welche er mit seinem Heere stets behalten, ein jeder hatte noch Glantz nach dem Grade, auf welchem er ihn in den seligen Refieren des Himmels besessen, jedoch alle mit einander mit einiger Verminderung. Miltons Hölle bekömmt durch diese natürliche Vorstellung eine Majestät, welche Dantes, Tasso und Ceva, mit ihren häßlichen und eckelhaften Vorstellungen Satans und seiner Engel übel verderbt haben. Wie wenn die aufsteigende Sonne etc.) Als Miltons
Gedicht zum ersten mahl sollte gedrückt werden, fehlte nicht viel, daß es von dem vorwitzigen Censor wäre unterdrückt worden. Derselbe vermeinte in diesem Gleichniß eine po- litische Ketzerey und einen Hochverrath zu finden. Johann Miltons Engels, der gefallen war, und an einer Herr-lichkeit, die zuvor uͤbermaͤſſig geweſen war, verkuͤrtzet worden: Wie wenn die aufſteigende Sonne mit verminderten Strahlen durch die benebelte Horizontal-Luft hervorblickt, oder in einer duͤſtern Verfinſterung hinter dem Mon- den hervor eine ungluͤcksreiche Daͤmmerung auf den halben Theil der Welt fallen laͤßt, und die Monarchen in Sorgen ſetzet, daß Ver- aͤnderungen erfolgen werden. Auf dieſe Wei- ſe war der Ertzengel zwar verfinſtert, jedoch an Glantz vortrefflicher als die andern alle. Aber auf ſeinem Angeſichte waren von dem Donner tiefe Narben eingegraben, und die Sorge ſaß auf ſeinen erblaßten Wangen; aber in ſeinen Augbraunen las man einen un- gezaͤhmten Muth und einen geſezten Stoltz, der maß derſelben ſich verlohren habe? Dieſer vortreffliche Reſt von dem alten Glantze zeiget uns Satans Engliſche Natur in der Hoͤlle ſelbſt, welche er mit ſeinem Heere ſtets behalten, ein jeder hatte noch Glantz nach dem Grade, auf welchem er ihn in den ſeligen Refieren des Himmels beſeſſen, jedoch alle mit einander mit einiger Verminderung. Miltons Hoͤlle bekoͤmmt durch dieſe natuͤrliche Vorſtellung eine Majeſtaͤt, welche Dantes, Taſſo und Ceva, mit ihren haͤßlichen und eckelhaften Vorſtellungen Satans und ſeiner Engel uͤbel verderbt haben. Wie wenn die aufſteigende Sonne ꝛc.) Als Miltons
Gedicht zum erſten mahl ſollte gedruͤckt werden, fehlte nicht viel, daß es von dem vorwitzigen Cenſor waͤre unterdruͤckt worden. Derſelbe vermeinte in dieſem Gleichniß eine po- litiſche Ketzerey und einen Hochverrath zu finden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0052" n="36"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Johann Miltons</hi></fw><lb/> Engels, der gefallen war, und an einer Herr-<lb/> lichkeit, die zuvor uͤbermaͤſſig geweſen war,<lb/> verkuͤrtzet worden: Wie wenn die aufſteigende<lb/> Sonne mit verminderten Strahlen durch die<lb/> benebelte Horizontal-Luft hervorblickt, oder<lb/> in einer duͤſtern Verfinſterung hinter dem Mon-<lb/> den hervor eine ungluͤcksreiche Daͤmmerung auf<lb/> den halben Theil der Welt fallen laͤßt, und<lb/> die Monarchen in Sorgen ſetzet, daß Ver-<lb/> aͤnderungen erfolgen werden. Auf dieſe Wei-<lb/> ſe war der Ertzengel zwar verfinſtert, jedoch<lb/> an Glantz vortrefflicher als die andern alle.<lb/> Aber auf ſeinem Angeſichte waren von dem<lb/> Donner tiefe Narben eingegraben, und die<lb/> Sorge ſaß auf ſeinen erblaßten Wangen;<lb/> aber in ſeinen Augbraunen las man einen un-<lb/> gezaͤhmten Muth und einen geſezten Stoltz,<lb/> <fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/><note xml:id="seg2pn_7_2" prev="#seg2pn_7_1" place="foot">maß derſelben ſich verlohren habe? Dieſer vortreffliche<lb/> Reſt von dem alten Glantze zeiget uns Satans Engliſche<lb/> Natur in der Hoͤlle ſelbſt, welche er mit ſeinem Heere ſtets<lb/> behalten, ein jeder hatte noch Glantz nach dem Grade,<lb/> auf welchem er ihn in den ſeligen Refieren des Himmels<lb/> beſeſſen, jedoch alle mit einander mit einiger Verminderung.<lb/> Miltons Hoͤlle bekoͤmmt durch dieſe natuͤrliche Vorſtellung<lb/> eine Majeſtaͤt, welche Dantes, Taſſo und Ceva, mit<lb/> ihren haͤßlichen und eckelhaften Vorſtellungen Satans und<lb/> ſeiner Engel uͤbel verderbt haben.</note><lb/><note place="foot">Wie wenn die aufſteigende Sonne ꝛc.) Als Miltons<lb/> Gedicht zum erſten mahl ſollte gedruͤckt werden, fehlte nicht<lb/> viel, daß es von dem vorwitzigen Cenſor waͤre unterdruͤckt<lb/> worden. Derſelbe vermeinte in dieſem Gleichniß eine po-<lb/> litiſche Ketzerey und einen Hochverrath zu finden.</note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [36/0052]
Johann Miltons
Engels, der gefallen war, und an einer Herr-
lichkeit, die zuvor uͤbermaͤſſig geweſen war,
verkuͤrtzet worden: Wie wenn die aufſteigende
Sonne mit verminderten Strahlen durch die
benebelte Horizontal-Luft hervorblickt, oder
in einer duͤſtern Verfinſterung hinter dem Mon-
den hervor eine ungluͤcksreiche Daͤmmerung auf
den halben Theil der Welt fallen laͤßt, und
die Monarchen in Sorgen ſetzet, daß Ver-
aͤnderungen erfolgen werden. Auf dieſe Wei-
ſe war der Ertzengel zwar verfinſtert, jedoch
an Glantz vortrefflicher als die andern alle.
Aber auf ſeinem Angeſichte waren von dem
Donner tiefe Narben eingegraben, und die
Sorge ſaß auf ſeinen erblaßten Wangen;
aber in ſeinen Augbraunen las man einen un-
gezaͤhmten Muth und einen geſezten Stoltz,
der
maß derſelben ſich verlohren habe? Dieſer vortreffliche
Reſt von dem alten Glantze zeiget uns Satans Engliſche
Natur in der Hoͤlle ſelbſt, welche er mit ſeinem Heere ſtets
behalten, ein jeder hatte noch Glantz nach dem Grade,
auf welchem er ihn in den ſeligen Refieren des Himmels
beſeſſen, jedoch alle mit einander mit einiger Verminderung.
Miltons Hoͤlle bekoͤmmt durch dieſe natuͤrliche Vorſtellung
eine Majeſtaͤt, welche Dantes, Taſſo und Ceva, mit
ihren haͤßlichen und eckelhaften Vorſtellungen Satans und
ſeiner Engel uͤbel verderbt haben.
Wie wenn die aufſteigende Sonne ꝛc.) Als Miltons
Gedicht zum erſten mahl ſollte gedruͤckt werden, fehlte nicht
viel, daß es von dem vorwitzigen Cenſor waͤre unterdruͤckt
worden. Derſelbe vermeinte in dieſem Gleichniß eine po-
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