Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741.

Bild:
<< vorherige Seite

Stücke der Schutzvorrede
Schriften aufzuweisen habe, das mit diesem
in einige Vergleichung komme. Fast aus
gleichmässigen Ueberlegungen konnte ich nicht
glauben, daß seine Freunde, diejenige nem-
lich, die seinen Ruhm vor allen Anfällen zu
bewahren sich von Hertzen angelegen seyn las-
sen, sich sollten vermessen haben, dieses nam-
hafte Stücke seiner critischen Einsicht ohne
sein Vorwissen zu unterschlagen; sie konnten
ja wohl gedencken, daß dieses ihr Beginnen
nicht verborgen bleiben könnte, und daß sie
sich dadurch nothwendig eines geheimen Ver-
ständnisses mit seinen geschwornen Feinden
verdächtig machen würden. Zuweilen woll-
te mir sehr glaublich scheinen, daß diese Ver-
stümmlung der Tr-ll-rischen Vorrede und
Beraubung eines ihrer ansehnlichsten Glie-
der für eine Würckung des boshaften Neids
seiner Feinde zu halten sey; alleine diese
Wahrscheinlichkeit verschwand so gleich, wenn
ich betrachtete, daß Hr. Tr-ll-r die Sorge
und Verpflegung seines Fabelwercks seinen
geheimsten Freunden anvertrauet, daß es
also seinen Feinden unmöglich gefallen wäre,
demselben beyzukommen, und ihren Muth-
willen daran zu verüden. Als ich diese Un-
schlüssigkeit meiner Gedancken einem meiner
vertrautesten Freunde eröffnete, wollte mich
derselbe überreden, diese Verstümmlung wä-
re die Folge einer mit guter Vorbetrachtung

nud

Stuͤcke der Schutzvorrede
Schriften aufzuweiſen habe, das mit dieſem
in einige Vergleichung komme. Faſt aus
gleichmaͤſſigen Ueberlegungen konnte ich nicht
glauben, daß ſeine Freunde, diejenige nem-
lich, die ſeinen Ruhm vor allen Anfaͤllen zu
bewahren ſich von Hertzen angelegen ſeyn laſ-
ſen, ſich ſollten vermeſſen haben, dieſes nam-
hafte Stuͤcke ſeiner critiſchen Einſicht ohne
ſein Vorwiſſen zu unterſchlagen; ſie konnten
ja wohl gedencken, daß dieſes ihr Beginnen
nicht verborgen bleiben koͤnnte, und daß ſie
ſich dadurch nothwendig eines geheimen Ver-
ſtaͤndniſſes mit ſeinen geſchwornen Feinden
verdaͤchtig machen wuͤrden. Zuweilen woll-
te mir ſehr glaublich ſcheinen, daß dieſe Ver-
ſtuͤmmlung der Tr-ll-riſchen Vorrede und
Beraubung eines ihrer anſehnlichſten Glie-
der fuͤr eine Wuͤrckung des boshaften Neids
ſeiner Feinde zu halten ſey; alleine dieſe
Wahrſcheinlichkeit verſchwand ſo gleich, wenn
ich betrachtete, daß Hr. Tr-ll-r die Sorge
und Verpflegung ſeines Fabelwercks ſeinen
geheimſten Freunden anvertrauet, daß es
alſo ſeinen Feinden unmoͤglich gefallen waͤre,
demſelben beyzukommen, und ihren Muth-
willen daran zu veruͤden. Als ich dieſe Un-
ſchluͤſſigkeit meiner Gedancken einem meiner
vertrauteſten Freunde eroͤffnete, wollte mich
derſelbe uͤberreden, dieſe Verſtuͤmmlung waͤ-
re die Folge einer mit guter Vorbetrachtung

nud
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0014" n="12"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Stu&#x0364;cke der Schutzvorrede</hi></fw><lb/>
Schriften aufzuwei&#x017F;en habe, das mit die&#x017F;em<lb/>
in einige Vergleichung komme. Fa&#x017F;t aus<lb/>
gleichma&#x0364;&#x017F;&#x017F;igen Ueberlegungen konnte ich nicht<lb/>
glauben, daß &#x017F;eine Freunde, diejenige nem-<lb/>
lich, die &#x017F;einen Ruhm vor allen Anfa&#x0364;llen zu<lb/>
bewahren &#x017F;ich von Hertzen angelegen &#x017F;eyn la&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, &#x017F;ich &#x017F;ollten verme&#x017F;&#x017F;en haben, die&#x017F;es nam-<lb/>
hafte Stu&#x0364;cke &#x017F;einer criti&#x017F;chen Ein&#x017F;icht ohne<lb/>
&#x017F;ein Vorwi&#x017F;&#x017F;en zu unter&#x017F;chlagen; &#x017F;ie konnten<lb/>
ja wohl gedencken, daß die&#x017F;es ihr Beginnen<lb/>
nicht verborgen bleiben ko&#x0364;nnte, und daß &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;ich dadurch nothwendig eines geheimen Ver-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndni&#x017F;&#x017F;es mit &#x017F;einen ge&#x017F;chwornen Feinden<lb/>
verda&#x0364;chtig machen wu&#x0364;rden. Zuweilen woll-<lb/>
te mir &#x017F;ehr glaublich &#x017F;cheinen, daß die&#x017F;e Ver-<lb/>
&#x017F;tu&#x0364;mmlung der Tr-ll-ri&#x017F;chen Vorrede und<lb/>
Beraubung eines ihrer an&#x017F;ehnlich&#x017F;ten Glie-<lb/>
der fu&#x0364;r eine Wu&#x0364;rckung des boshaften Neids<lb/>
&#x017F;einer Feinde zu halten &#x017F;ey; alleine die&#x017F;e<lb/>
Wahr&#x017F;cheinlichkeit ver&#x017F;chwand &#x017F;o gleich, wenn<lb/>
ich betrachtete, daß Hr. Tr-ll-r die Sorge<lb/>
und Verpflegung &#x017F;eines Fabelwercks &#x017F;einen<lb/>
geheim&#x017F;ten Freunden anvertrauet, daß es<lb/>
al&#x017F;o &#x017F;einen Feinden unmo&#x0364;glich gefallen wa&#x0364;re,<lb/>
dem&#x017F;elben beyzukommen, und ihren Muth-<lb/>
willen daran zu veru&#x0364;den. Als ich die&#x017F;e Un-<lb/>
&#x017F;chlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;igkeit meiner Gedancken einem meiner<lb/>
vertraute&#x017F;ten Freunde ero&#x0364;ffnete, wollte mich<lb/>
der&#x017F;elbe u&#x0364;berreden, die&#x017F;e Ver&#x017F;tu&#x0364;mmlung wa&#x0364;-<lb/>
re die Folge einer mit guter Vorbetrachtung<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nud</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[12/0014] Stuͤcke der Schutzvorrede Schriften aufzuweiſen habe, das mit dieſem in einige Vergleichung komme. Faſt aus gleichmaͤſſigen Ueberlegungen konnte ich nicht glauben, daß ſeine Freunde, diejenige nem- lich, die ſeinen Ruhm vor allen Anfaͤllen zu bewahren ſich von Hertzen angelegen ſeyn laſ- ſen, ſich ſollten vermeſſen haben, dieſes nam- hafte Stuͤcke ſeiner critiſchen Einſicht ohne ſein Vorwiſſen zu unterſchlagen; ſie konnten ja wohl gedencken, daß dieſes ihr Beginnen nicht verborgen bleiben koͤnnte, und daß ſie ſich dadurch nothwendig eines geheimen Ver- ſtaͤndniſſes mit ſeinen geſchwornen Feinden verdaͤchtig machen wuͤrden. Zuweilen woll- te mir ſehr glaublich ſcheinen, daß dieſe Ver- ſtuͤmmlung der Tr-ll-riſchen Vorrede und Beraubung eines ihrer anſehnlichſten Glie- der fuͤr eine Wuͤrckung des boshaften Neids ſeiner Feinde zu halten ſey; alleine dieſe Wahrſcheinlichkeit verſchwand ſo gleich, wenn ich betrachtete, daß Hr. Tr-ll-r die Sorge und Verpflegung ſeines Fabelwercks ſeinen geheimſten Freunden anvertrauet, daß es alſo ſeinen Feinden unmoͤglich gefallen waͤre, demſelben beyzukommen, und ihren Muth- willen daran zu veruͤden. Als ich dieſe Un- ſchluͤſſigkeit meiner Gedancken einem meiner vertrauteſten Freunde eroͤffnete, wollte mich derſelbe uͤberreden, dieſe Verſtuͤmmlung waͤ- re die Folge einer mit guter Vorbetrachtung nud

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/14
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741, S. 12. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/14>, abgerufen am 21.11.2024.