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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741.

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Nachrichten von dem Ursprunge
erhoben und erst berühmt gemachet würden, als
wenn er seinen Ruhm der Erlegung grosser Hel-
den, die sich mit Schreiben schon einen Nahmen
gemachet hatten, wäre schuldig worden: Jndessen
sind in seinen Sievern, Backmeistern, Philippi,
Rodigasten, Manzeln, Hilligern, Fürsten von
Auslegern der Heiligen Schrift, Predigern,
Naturkündigern, Lehrern des natürlichen Rechten,
der Wohlredenheit und der Poesie, verstecket.
Die Streiche, die auf diese geführt scheinen, tref-
fen Männer, die bey dem Ansehen, das sie sich
durch andere Geschicklichkeiten, nicht des Verstan-
des und des Geistes, erworben, sich längst vor
dem Gespötte der Satyre frey und sicher geglaubt
hatten. Wenn zum Exempel in der Antwort auf
die Antrittsrede des Hrn. Prof. Philippi in der
Gesellschaft der kleinen Geister gesagt wird:

"Jch
"bin versichert, grosser Philippi, du wollest so
"viel sagen, daß unsre Feinde thörigt handeln,
"wenn sie, obgleich die deutsche Sprache ihre ei-
"genen Regeln hat, doch verlangen, man solle
"sich nach den Regeln der lateinischen und griechi-
"schen Redekunst eines Cicero und Demosthenes
"richten. Auf solche Art würde unser drittes Ge-
"setze, nach deinem Sinn, folgender Gestalt
"lauten müssen: Binde dich nicht an die Regeln
"der lateinischen und griechischen Redekunst eines
"Cicero und Demosthenes, denn die deutsche
"Sprache hat ihre eignen Regeln. Dieses wä-
"re ein Gesetze vor uns, und der Schluß, auf
"welchen sich dasselbe gründet, würde uns als
"kleinen Geistern wohl anstehen, weil in selbi-
"gem

Nachrichten von dem Urſprunge
erhoben und erſt beruͤhmt gemachet wuͤrden, als
wenn er ſeinen Ruhm der Erlegung groſſer Hel-
den, die ſich mit Schreiben ſchon einen Nahmen
gemachet hatten, waͤre ſchuldig worden: Jndeſſen
ſind in ſeinen Sievern, Backmeiſtern, Philippi,
Rodigaſten, Manzeln, Hilligern, Fuͤrſten von
Auslegern der Heiligen Schrift, Predigern,
Naturkuͤndigern, Lehrern des natuͤrlichen Rechten,
der Wohlredenheit und der Poeſie, verſtecket.
Die Streiche, die auf dieſe gefuͤhrt ſcheinen, tref-
fen Maͤnner, die bey dem Anſehen, das ſie ſich
durch andere Geſchicklichkeiten, nicht des Verſtan-
des und des Geiſtes, erworben, ſich laͤngſt vor
dem Geſpoͤtte der Satyre frey und ſicher geglaubt
hatten. Wenn zum Exempel in der Antwort auf
die Antrittsrede des Hrn. Prof. Philippi in der
Geſellſchaft der kleinen Geiſter geſagt wird:

„Jch
„bin verſichert, groſſer Philippi, du wolleſt ſo
„viel ſagen, daß unſre Feinde thoͤrigt handeln,
„wenn ſie, obgleich die deutſche Sprache ihre ei-
„genen Regeln hat, doch verlangen, man ſolle
„ſich nach den Regeln der lateiniſchen und griechi-
„ſchen Redekunſt eines Cicero und Demoſthenes
„richten. Auf ſolche Art wuͤrde unſer drittes Ge-
„ſetze, nach deinem Sinn, folgender Geſtalt
„lauten muͤſſen: Binde dich nicht an die Regeln
„der lateiniſchen und griechiſchen Redekunſt eines
„Cicero und Demoſthenes, denn die deutſche
„Sprache hat ihre eignen Regeln. Dieſes waͤ-
„re ein Geſetze vor uns, und der Schluß, auf
„welchen ſich daſſelbe gruͤndet, wuͤrde uns als
„kleinen Geiſtern wohl anſtehen, weil in ſelbi-
„gem
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[176/0178] Nachrichten von dem Urſprunge erhoben und erſt beruͤhmt gemachet wuͤrden, als wenn er ſeinen Ruhm der Erlegung groſſer Hel- den, die ſich mit Schreiben ſchon einen Nahmen gemachet hatten, waͤre ſchuldig worden: Jndeſſen ſind in ſeinen Sievern, Backmeiſtern, Philippi, Rodigaſten, Manzeln, Hilligern, Fuͤrſten von Auslegern der Heiligen Schrift, Predigern, Naturkuͤndigern, Lehrern des natuͤrlichen Rechten, der Wohlredenheit und der Poeſie, verſtecket. Die Streiche, die auf dieſe gefuͤhrt ſcheinen, tref- fen Maͤnner, die bey dem Anſehen, das ſie ſich durch andere Geſchicklichkeiten, nicht des Verſtan- des und des Geiſtes, erworben, ſich laͤngſt vor dem Geſpoͤtte der Satyre frey und ſicher geglaubt hatten. Wenn zum Exempel in der Antwort auf die Antrittsrede des Hrn. Prof. Philippi in der Geſellſchaft der kleinen Geiſter geſagt wird: „Jch „bin verſichert, groſſer Philippi, du wolleſt ſo „viel ſagen, daß unſre Feinde thoͤrigt handeln, „wenn ſie, obgleich die deutſche Sprache ihre ei- „genen Regeln hat, doch verlangen, man ſolle „ſich nach den Regeln der lateiniſchen und griechi- „ſchen Redekunſt eines Cicero und Demoſthenes „richten. Auf ſolche Art wuͤrde unſer drittes Ge- „ſetze, nach deinem Sinn, folgender Geſtalt „lauten muͤſſen: Binde dich nicht an die Regeln „der lateiniſchen und griechiſchen Redekunſt eines „Cicero und Demoſthenes, denn die deutſche „Sprache hat ihre eignen Regeln. Dieſes waͤ- „re ein Geſetze vor uns, und der Schluß, auf „welchen ſich daſſelbe gruͤndet, wuͤrde uns als „kleinen Geiſtern wohl anſtehen, weil in ſelbi- „gem

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/178>, abgerufen am 24.11.2024.