"gem die Sprach- und Rede-Kunst so artig mit "einander vermenget sind, und nicht undeutlich "zu verstehen gegeben wird, daß es eine lateini- "sche, eine griechische, und eine deutsche Beredt- "samkeit gebe, die wesentlich von einander un- "terschieden: Welches gewiß unsern Feinden "eben so wunderlich vorkommen würde, als wenn "man ihnen von einem lateinischen, griechischen, "und deutschen Ein mahl eins vorsagen wollte."
Wer hat nicht eben dergleichen Sätze in einer oder etlichen Vorreden, Anweisungen, und Lehr- schriften unserer hochgeschätztesten Jztlebenden ge- lesen? Etliche von denselben, denen ein wenig mehr Verstand übrig geblieben, als ihren Brü- dern in Midas, haben sich selber in der Person des Herren Philippi wohl erkannt, und darum nicht so hertzlich darüber gelachet, als sie sich ange- stellet. Man hat auch wahrgenommen, daß eine gewisse Art Scribenten insgemeine weniger Ge- schmack an den Schriften des Hrn. Liscows ge- funden hat, als Leute, die sich niemahls ins Schreiben gemenget haben. Es ist sonst nicht zu zweifeln, daß nicht die Gemüther der Deutschen überhaupt durch diese satyrischen Verfasser zu Cri- tiken sowohl gewöhnet und zubereitet worden, daß man deßwegen denen neuen Schriften, so gleich hernach zum Aufnehmen des Geschmackes in der Wohlredenheit und der Poesie an den Tag gege- ben worden, einen desto leichtern Eingang mit aller Wahrscheinlichkeit versprechen darf.
Es hatte geschienen, daß die Zürichischen Kunst- richter, wie Hr. Arnold schon 1732. in der Vorre-
de
[Crit. Samml. II. St.] M
der Critik bey den Deutſchen.
„gem die Sprach- und Rede-Kunſt ſo artig mit „einander vermenget ſind, und nicht undeutlich „zu verſtehen gegeben wird, daß es eine lateini- „ſche, eine griechiſche, und eine deutſche Beredt- „ſamkeit gebe, die weſentlich von einander un- „terſchieden: Welches gewiß unſern Feinden „eben ſo wunderlich vorkommen wuͤrde, als wenn „man ihnen von einem lateiniſchen, griechiſchen, „und deutſchen Ein mahl eins vorſagen wollte.„
Wer hat nicht eben dergleichen Saͤtze in einer oder etlichen Vorreden, Anweiſungen, und Lehr- ſchriften unſerer hochgeſchaͤtzteſten Jztlebenden ge- leſen? Etliche von denſelben, denen ein wenig mehr Verſtand uͤbrig geblieben, als ihren Bruͤ- dern in Midas, haben ſich ſelber in der Perſon des Herren Philippi wohl erkannt, und darum nicht ſo hertzlich daruͤber gelachet, als ſie ſich ange- ſtellet. Man hat auch wahrgenommen, daß eine gewiſſe Art Scribenten insgemeine weniger Ge- ſchmack an den Schriften des Hrn. Liſcows ge- funden hat, als Leute, die ſich niemahls ins Schreiben gemenget haben. Es iſt ſonſt nicht zu zweifeln, daß nicht die Gemuͤther der Deutſchen uͤberhaupt durch dieſe ſatyriſchen Verfaſſer zu Cri- tiken ſowohl gewoͤhnet und zubereitet worden, daß man deßwegen denen neuen Schriften, ſo gleich hernach zum Aufnehmen des Geſchmackes in der Wohlredenheit und der Poeſie an den Tag gege- ben worden, einen deſto leichtern Eingang mit aller Wahrſcheinlichkeit verſprechen darf.
Es hatte geſchienen, daß die Zuͤrichiſchen Kunſt- richter, wie Hr. Arnold ſchon 1732. in der Vorre-
de
[Crit. Sam̃l. II. St.] M
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der Critik bey den Deutſchen.
„gem die Sprach- und Rede-Kunſt ſo artig mit
„einander vermenget ſind, und nicht undeutlich
„zu verſtehen gegeben wird, daß es eine lateini-
„ſche, eine griechiſche, und eine deutſche Beredt-
„ſamkeit gebe, die weſentlich von einander un-
„terſchieden: Welches gewiß unſern Feinden
„eben ſo wunderlich vorkommen wuͤrde, als wenn
„man ihnen von einem lateiniſchen, griechiſchen,
„und deutſchen Ein mahl eins vorſagen wollte.„
Wer hat nicht eben dergleichen Saͤtze in einer
oder etlichen Vorreden, Anweiſungen, und Lehr-
ſchriften unſerer hochgeſchaͤtzteſten Jztlebenden ge-
leſen? Etliche von denſelben, denen ein wenig
mehr Verſtand uͤbrig geblieben, als ihren Bruͤ-
dern in Midas, haben ſich ſelber in der Perſon
des Herren Philippi wohl erkannt, und darum
nicht ſo hertzlich daruͤber gelachet, als ſie ſich ange-
ſtellet. Man hat auch wahrgenommen, daß eine
gewiſſe Art Scribenten insgemeine weniger Ge-
ſchmack an den Schriften des Hrn. Liſcows ge-
funden hat, als Leute, die ſich niemahls ins
Schreiben gemenget haben. Es iſt ſonſt nicht zu
zweifeln, daß nicht die Gemuͤther der Deutſchen
uͤberhaupt durch dieſe ſatyriſchen Verfaſſer zu Cri-
tiken ſowohl gewoͤhnet und zubereitet worden, daß
man deßwegen denen neuen Schriften, ſo gleich
hernach zum Aufnehmen des Geſchmackes in der
Wohlredenheit und der Poeſie an den Tag gege-
ben worden, einen deſto leichtern Eingang mit
aller Wahrſcheinlichkeit verſprechen darf.
Es hatte geſchienen, daß die Zuͤrichiſchen Kunſt-
richter, wie Hr. Arnold ſchon 1732. in der Vorre-
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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741, S. 177. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung02_1741/179>, abgerufen am 16.02.2025.
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