[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und andrer geistvollen Schriften. Bd. 2. Zürich, 1741.für die Tr-ll-rischen Fabeln. nen erzehle, wie mir dieses Fragmentum indie Hände gefallen sey. Die Freude theilet sich gerne mit, und sie düncket sich nicht groß genug, wenn sie keine Zeugen hat. Jch er- hielt ungefehr vor einem Monath ein Päck- gen von Canaster und andren kleinen Wah- ren, die ich durch einen Kaufmann von der Leipziger Michelismesse hatte bestellen lassen. Dieselben waren mit allerley gedrückten Bo- gen umwunden, und darunter war ein ein- ziger halb überschriebener, welcher diesen un- erkannten Schatz in sich enthielt. Die fran- zösischen und deutschen Verse, die mir gleich beym ersten Anblick in die Augen fielen, rei- zeten mich, daß ich den Anfang dieser Schrift mit einem flüchtigen Auge durchlief. Die er- bärmliche Klagen und hertzbrechende Seuf- zer brachten mich auf die Vermuthung, der Verfasser derselbigen werde gewiß die Eyer verschüttet haben, und die Schuld auf den harten gepflasterten Boden legen wollen. Als ich aber aus dem Verfolge deutlich er- kannte, daß es eine Schutzschrift für den Hrn. D. Tr-ll-r und seine Fabeln wäre, stuhnd ich gantz betreten, ob ich die Ver- messenheit desjenigen, der diese Schutzschrift veranlasset hat, mehr verabscheuen, oder den überzeugenden Nachdruck dieser critischen Rechtfertigung mehr bewundern sollte; doch nach einer kleinen Ueberlegung wollte mich be- dun- A 2
fuͤr die Tr-ll-riſchen Fabeln. nen erzehle, wie mir dieſes Fragmentum indie Haͤnde gefallen ſey. Die Freude theilet ſich gerne mit, und ſie duͤncket ſich nicht groß genug, wenn ſie keine Zeugen hat. Jch er- hielt ungefehr vor einem Monath ein Paͤck- gen von Canaſter und andren kleinen Wah- ren, die ich durch einen Kaufmann von der Leipziger Michelismeſſe hatte beſtellen laſſen. Dieſelben waren mit allerley gedruͤckten Bo- gen umwunden, und darunter war ein ein- ziger halb uͤberſchriebener, welcher dieſen un- erkannten Schatz in ſich enthielt. Die fran- zoͤſiſchen und deutſchen Verſe, die mir gleich beym erſten Anblick in die Augen fielen, rei- zeten mich, daß ich den Anfang dieſer Schrift mit einem fluͤchtigen Auge durchlief. Die er- baͤrmliche Klagen und hertzbrechende Seuf- zer brachten mich auf die Vermuthung, der Verfaſſer derſelbigen werde gewiß die Eyer verſchuͤttet haben, und die Schuld auf den harten gepflaſterten Boden legen wollen. Als ich aber aus dem Verfolge deutlich er- kannte, daß es eine Schutzſchrift fuͤr den Hrn. D. Tr-ll-r und ſeine Fabeln waͤre, ſtuhnd ich gantz betreten, ob ich die Ver- meſſenheit desjenigen, der dieſe Schutzſchrift veranlaſſet hat, mehr verabſcheuen, oder den uͤberzeugenden Nachdruck dieſer critiſchen Rechtfertigung mehr bewundern ſollte; doch nach einer kleinen Ueberlegung wollte mich be- dun- A 2
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die Haͤnde gefallen ſey. Die Freude theilet
ſich gerne mit, und ſie duͤncket ſich nicht groß
genug, wenn ſie keine Zeugen hat. Jch er-
hielt ungefehr vor einem Monath ein Paͤck-
gen von Canaſter und andren kleinen Wah-
ren, die ich durch einen Kaufmann von der
Leipziger Michelismeſſe hatte beſtellen laſſen.
Dieſelben waren mit allerley gedruͤckten Bo-
gen umwunden, und darunter war ein ein-
ziger halb uͤberſchriebener, welcher dieſen un-
erkannten Schatz in ſich enthielt. Die fran-
zoͤſiſchen und deutſchen Verſe, die mir gleich
beym erſten Anblick in die Augen fielen, rei-
zeten mich, daß ich den Anfang dieſer Schrift
mit einem fluͤchtigen Auge durchlief. Die er-
baͤrmliche Klagen und hertzbrechende Seuf-
zer brachten mich auf die Vermuthung, der
Verfaſſer derſelbigen werde gewiß die Eyer
verſchuͤttet haben, und die Schuld auf den
harten gepflaſterten Boden legen wollen.
Als ich aber aus dem Verfolge deutlich er-
kannte, daß es eine Schutzſchrift fuͤr den
Hrn. D. Tr-ll-r und ſeine Fabeln waͤre,
ſtuhnd ich gantz betreten, ob ich die Ver-
meſſenheit desjenigen, der dieſe Schutzſchrift
veranlaſſet hat, mehr verabſcheuen, oder
den uͤberzeugenden Nachdruck dieſer critiſchen
Rechtfertigung mehr bewundern ſollte; doch
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