[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.Von der Schreibart nommen werden. Es giebt in unsrer deutschenSprache noch eine Menge von dieser Art, und doch ist eine starke Anzahl dergleichen aus der Gewohn- heit gekommen, wiewohl sie wegen ihres Nach- drukes und ausgemessener Bedeutung vor andern werth sind, beybehalten zu werden. Man ver- stehet mich wohl, daß ich von solchen rede, wie folgende sind: Seine Kunst behälligen; Sich mit Reden verhauen; Einen spöttisch aufzie- hen; Ein Adler, der die Flügel leichtet; Einem einen Fehltritt aufheben; Einem Schre- ken einspinnen; Sich auf seine Macht trie- gen; Der Reichthum ist zerronnen; Jn einen Anschlag gehällen; Nach mißschlagender Ver- heissung; Schwartzbraune Haare, welche sich wohl werffen; Gewand, das mit seinen Schlingungen wohl geworffen ist; Das Aeh- renfeld spreußt sich. Einige von diesen Exem- peln mögen noch hier und dar im Gebrauche seyn, andere sind in dieser Bedeutung ins Vergessen ge- rathen. Und die deutsche Sprache hat in der That an dieser Art Wörter einen grossen Ver- lust erlitten, wie denjenigen nicht verborgen seyn kan, welche in den alten Schriften von Luthers bis zu Opizens Zeiten wohlbelesen sind. Wer über Luthers Zeiten hinaus in das Alter der Kai- ser aus dem Hause von Hohenstaufen zurückstei- get, wird eine noch grössere Empfindung von die- sem Verlust bekommen. Wir finden in der heu- tigen Holländischen Sprache noch eine ziemliche Anzahl derselben, die von den Seribenten dieser Nation aufbehalten und bis auf unsere Zeiten ge- bracht
Von der Schreibart nommen werden. Es giebt in unſrer deutſchenSprache noch eine Menge von dieſer Art, und doch iſt eine ſtarke Anzahl dergleichen aus der Gewohn- heit gekommen, wiewohl ſie wegen ihres Nach- drukes und ausgemeſſener Bedeutung vor andern werth ſind, beybehalten zu werden. Man ver- ſtehet mich wohl, daß ich von ſolchen rede, wie folgende ſind: Seine Kunſt behaͤlligen; Sich mit Reden verhauen; Einen ſpoͤttiſch aufzie- hen; Ein Adler, der die Fluͤgel leichtet; Einem einen Fehltritt aufheben; Einem Schre- ken einſpinnen; Sich auf ſeine Macht trie- gen; Der Reichthum iſt zerronnen; Jn einen Anſchlag gehaͤllen; Nach mißſchlagender Ver- heiſſung; Schwartzbraune Haare, welche ſich wohl werffen; Gewand, das mit ſeinen Schlingungen wohl geworffen iſt; Das Aeh- renfeld ſpreußt ſich. Einige von dieſen Exem- peln moͤgen noch hier und dar im Gebrauche ſeyn, andere ſind in dieſer Bedeutung ins Vergeſſen ge- rathen. Und die deutſche Sprache hat in der That an dieſer Art Woͤrter einen groſſen Ver- luſt erlitten, wie denjenigen nicht verborgen ſeyn kan, welche in den alten Schriften von Luthers bis zu Opizens Zeiten wohlbeleſen ſind. Wer uͤber Luthers Zeiten hinaus in das Alter der Kai- ſer aus dem Hauſe von Hohenſtaufen zuruͤckſtei- get, wird eine noch groͤſſere Empfindung von die- ſem Verluſt bekommen. Wir finden in der heu- tigen Hollaͤndiſchen Sprache noch eine ziemliche Anzahl derſelben, die von den Seribenten dieſer Nation aufbehalten und bis auf unſere Zeiten ge- bracht
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Von der Schreibart
nommen werden. Es giebt in unſrer deutſchen
Sprache noch eine Menge von dieſer Art, und doch
iſt eine ſtarke Anzahl dergleichen aus der Gewohn-
heit gekommen, wiewohl ſie wegen ihres Nach-
drukes und ausgemeſſener Bedeutung vor andern
werth ſind, beybehalten zu werden. Man ver-
ſtehet mich wohl, daß ich von ſolchen rede, wie
folgende ſind: Seine Kunſt behaͤlligen; Sich
mit Reden verhauen; Einen ſpoͤttiſch aufzie-
hen; Ein Adler, der die Fluͤgel leichtet;
Einem einen Fehltritt aufheben; Einem Schre-
ken einſpinnen; Sich auf ſeine Macht trie-
gen; Der Reichthum iſt zerronnen; Jn einen
Anſchlag gehaͤllen; Nach mißſchlagender Ver-
heiſſung; Schwartzbraune Haare, welche
ſich wohl werffen; Gewand, das mit ſeinen
Schlingungen wohl geworffen iſt; Das Aeh-
renfeld ſpreußt ſich. Einige von dieſen Exem-
peln moͤgen noch hier und dar im Gebrauche ſeyn,
andere ſind in dieſer Bedeutung ins Vergeſſen ge-
rathen. Und die deutſche Sprache hat in der
That an dieſer Art Woͤrter einen groſſen Ver-
luſt erlitten, wie denjenigen nicht verborgen ſeyn
kan, welche in den alten Schriften von Luthers
bis zu Opizens Zeiten wohlbeleſen ſind. Wer
uͤber Luthers Zeiten hinaus in das Alter der Kai-
ſer aus dem Hauſe von Hohenſtaufen zuruͤckſtei-
get, wird eine noch groͤſſere Empfindung von die-
ſem Verluſt bekommen. Wir finden in der heu-
tigen Hollaͤndiſchen Sprache noch eine ziemliche
Anzahl derſelben, die von den Seribenten dieſer
Nation aufbehalten und bis auf unſere Zeiten ge-
bracht
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