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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.

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Das Complot
Die Gedanken waren falsch, und der Ausdruk
platt. Niemand lief in Gefahr, der etwas drü-
ken ließ, denn man las ohne Geschmak, und
es war kein Richter in dem Lande, der die poe-
tischen Uebelthäter zur Straffe gezogen hätte.
Sie bildeten sich sehr viel darauf ein. Sie
waren überredet, daß ein jeder unter ihnen
der grösseste Dichter seiner Zeiten wäre; und
viele hatten sich durch ihre Schmeichler vor-
sagen lassen, daß sie noch etwas mehr als aus
allen griechischen und römischen Poeten zu-
sammengeschmolzene grosse Geister wären.
(A)
Sie vergötterten einander wechselsweise, und
diese heuchlerische Höflichkeit hatte sie sammt-
lich eingeschläfert. Alles was sie sangen,
mußte recht seyn, und die elendesten Knit-
telreime fanden ihre Liebhaber.
(B) Wenn
man ihnen glaubete, so konnten sie des Ge-
schmakes nicht verfehlen. Denn sie sagten, der
Geschmak wäre Verstand, der von dunkeln Sa-
chen ohne Erkenntniß nach der blossen Empfin-

dung
Frauen sich von alters her eine Ehre darinnen gesucht-
daß sie die Wahrheit, sie mögte angenehm oder ver-
haßt seyn, allen Absichten der Affecte und des Eigen-
nuzens vorgezogen; und ich will kein so ungerathenes
Kind seyn, daß ich unserm Geschlecht, zu dem ich mich hier
öffentlich bekenne, durch gedrükte Lügen vor der ehrlichen
Welt einen Schandfleken anhänge. Henrich Effinger.
(A) Zielt auf Hrn. Hofr. Weichmanns Lobgedichte
auf Hr. Brokes vor dem ersten Th. des irdischen Vergn.
und auf das Lob, so der Hr. von Böhlau dem Hrn. D. Tril-
ler in seinen Jugendfrüchten bl. 430. beygeleget hat.
(B) Seht das erste B. des Dichterkrieges im Heu-
mon. der Belustigungen des Verst. u. des Wizes bl. 51.

Das Complot
Die Gedanken waren falſch, und der Ausdruk
platt. Niemand lief in Gefahr, der etwas druͤ-
ken ließ, denn man las ohne Geſchmak, und
es war kein Richter in dem Lande, der die poe-
tiſchen Uebelthaͤter zur Straffe gezogen haͤtte.
Sie bildeten ſich ſehr viel darauf ein. Sie
waren uͤberredet, daß ein jeder unter ihnen
der groͤſſeſte Dichter ſeiner Zeiten waͤre; und
viele hatten ſich durch ihre Schmeichler vor-
ſagen laſſen, daß ſie noch etwas mehr als aus
allen griechiſchen und roͤmiſchen Poeten zu-
ſammengeſchmolzene groſſe Geiſter waͤren.
(A)
Sie vergoͤtterten einander wechſelsweiſe, und
dieſe heuchleriſche Hoͤflichkeit hatte ſie ſammt-
lich eingeſchlaͤfert. Alles was ſie ſangen,
mußte recht ſeyn, und die elendeſten Knit-
telreime fanden ihre Liebhaber.
(B) Wenn
man ihnen glaubete, ſo konnten ſie des Ge-
ſchmakes nicht verfehlen. Denn ſie ſagten, der
Geſchmak waͤre Verſtand, der von dunkeln Sa-
chen ohne Erkenntniß nach der bloſſen Empfin-

dung
Frauen ſich von alters her eine Ehre darinnen geſucht-
daß ſie die Wahrheit, ſie moͤgte angenehm oder ver-
haßt ſeyn, allen Abſichten der Affecte und des Eigen-
nuzens vorgezogen; und ich will kein ſo ungerathenes
Kind ſeyn, daß ich unſerm Geſchlecht, zu dem ich mich hier
oͤffentlich bekenne, durch gedruͤkte Luͤgen vor der ehrlichen
Welt einen Schandfleken anhaͤnge. Henrich Effinger.
(A) Zielt auf Hrn. Hofr. Weichmanns Lobgedichte
auf Hr. Brokes vor dem erſten Th. des irdiſchen Vergn.
und auf das Lob, ſo der Hr. von Boͤhlau dem Hrn. D. Tril-
ler in ſeinen Jugendfruͤchten bl. 430. beygeleget hat.
(B) Seht das erſte B. des Dichterkrieges im Heu-
mon. der Beluſtigungen des Verſt. u. des Wizes bl. 51.
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[162/0164] Das Complot Die Gedanken waren falſch, und der Ausdruk platt. Niemand lief in Gefahr, der etwas druͤ- ken ließ, denn man las ohne Geſchmak, und es war kein Richter in dem Lande, der die poe- tiſchen Uebelthaͤter zur Straffe gezogen haͤtte. Sie bildeten ſich ſehr viel darauf ein. Sie waren uͤberredet, daß ein jeder unter ihnen der groͤſſeſte Dichter ſeiner Zeiten waͤre; und viele hatten ſich durch ihre Schmeichler vor- ſagen laſſen, daß ſie noch etwas mehr als aus allen griechiſchen und roͤmiſchen Poeten zu- ſammengeſchmolzene groſſe Geiſter waͤren. (A) Sie vergoͤtterten einander wechſelsweiſe, und dieſe heuchleriſche Hoͤflichkeit hatte ſie ſammt- lich eingeſchlaͤfert. Alles was ſie ſangen, mußte recht ſeyn, und die elendeſten Knit- telreime fanden ihre Liebhaber. (B) Wenn man ihnen glaubete, ſo konnten ſie des Ge- ſchmakes nicht verfehlen. Denn ſie ſagten, der Geſchmak waͤre Verſtand, der von dunkeln Sa- chen ohne Erkenntniß nach der bloſſen Empfin- dung (*) (A) Zielt auf Hrn. Hofr. Weichmanns Lobgedichte auf Hr. Brokes vor dem erſten Th. des irdiſchen Vergn. und auf das Lob, ſo der Hr. von Boͤhlau dem Hrn. D. Tril- ler in ſeinen Jugendfruͤchten bl. 430. beygeleget hat. (B) Seht das erſte B. des Dichterkrieges im Heu- mon. der Beluſtigungen des Verſt. u. des Wizes bl. 51. (*) Frauen ſich von alters her eine Ehre darinnen geſucht- daß ſie die Wahrheit, ſie moͤgte angenehm oder ver- haßt ſeyn, allen Abſichten der Affecte und des Eigen- nuzens vorgezogen; und ich will kein ſo ungerathenes Kind ſeyn, daß ich unſerm Geſchlecht, zu dem ich mich hier oͤffentlich bekenne, durch gedruͤkte Luͤgen vor der ehrlichen Welt einen Schandfleken anhaͤnge. Henrich Effinger.

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/164>, abgerufen am 24.11.2024.