[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.
Das Complot einen durchdringenden und unverzagten Geist;der zum Denken Freyheit, und zur Ausbildung der Gedanken Scharfsinnigkeit und Munterkeit fügete. Denselben unterrichtete sie, daß er das Recht der Menschen die Schriften andrer Men- schen zu beurtheilen, durch bündige Lehrsäze be- hauptete, und sie spizete ihm die Einfälle, daß er den Deutschen einen Geschmak an der Cri- tik beyzubringen, die kleinen Geister in allen Ar- ten von Schriften auf die Hechel sezete. Er stellte sich insgemeine an, als wann er der geheimeste Freund der Stümper wäre, er versah ihre Gedan- ken mit Wiz und ihre Sprache mit Ordnung, aber zu ihrer lebhaftesten Verspottung. Die dunkelsten unter denselben wußte er so hoch zu erheben, und die angesehnsten so tief zu erniedrigen, daß sie auf einen gleichhohen Grad der Vortrefflich- keit zu stehen kamen. Er geisselte die unbe- kanntesten, wenn es die berühmtesten empfin- den solten; Philippi mußte die Schultern dar- strecken, wenn Schottged gesündiget hatte. Die Göttin bedekete ihn mit ihrem Schilde, daß er mit offener Brust einhergieng, und ihm weder die Macht blöder Herren, noch die Scheinheilig- keit dummer Priester auf den Leib kommen konn- ten. Neben diesem kannte sie an dem andern Ende Deutschlands unter den freyen und eben darum natürlichen Einwohnern Helvetiens ein Paar Freunde, die ihr von Jugend auf aufge- wartet hatten; auch dieselben rüstete sie mit ih- ren Gaben aus, und bestellte sie zu ihrem Dien- ste. Sie befahl ihnen absonderlich, daß sie die deut-
Das Complot einen durchdringenden und unverzagten Geiſt;der zum Denken Freyheit, und zur Ausbildung der Gedanken Scharfſinnigkeit und Munterkeit fuͤgete. Denſelben unterrichtete ſie, daß er das Recht der Menſchen die Schriften andrer Men- ſchen zu beurtheilen, durch buͤndige Lehrſaͤze be- hauptete, und ſie ſpizete ihm die Einfaͤlle, daß er den Deutſchen einen Geſchmak an der Cri- tik beyzubringen, die kleinen Geiſter in allen Ar- ten von Schriften auf die Hechel ſezete. Er ſtellte ſich insgemeine an, als wann er der geheimeſte Freund der Stuͤmper waͤre, er verſah ihre Gedan- ken mit Wiz und ihre Sprache mit Ordnung, aber zu ihrer lebhafteſten Verſpottung. Die dunkelſten unter denſelben wußte er ſo hoch zu erheben, und die angeſehnſten ſo tief zu erniedrigen, daß ſie auf einen gleichhohen Grad der Vortrefflich- keit zu ſtehen kamen. Er geiſſelte die unbe- kannteſten, wenn es die beruͤhmteſten empfin- den ſolten; Philippi mußte die Schultern dar- ſtrecken, wenn Schottged geſuͤndiget hatte. Die Goͤttin bedekete ihn mit ihrem Schilde, daß er mit offener Bruſt einhergieng, und ihm weder die Macht bloͤder Herren, noch die Scheinheilig- keit dummer Prieſter auf den Leib kommen konn- ten. Neben dieſem kannte ſie an dem andern Ende Deutſchlands unter den freyen und eben darum natuͤrlichen Einwohnern Helvetiens ein Paar Freunde, die ihr von Jugend auf aufge- wartet hatten; auch dieſelben ruͤſtete ſie mit ih- ren Gaben aus, und beſtellte ſie zu ihrem Dien- ſte. Sie befahl ihnen abſonderlich, daß ſie die deut-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0166" n="164"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das Complot</hi></fw><lb/> einen durchdringenden und unverzagten Geiſt;<lb/> der zum Denken Freyheit, und zur Ausbildung<lb/> der Gedanken Scharfſinnigkeit und Munterkeit<lb/> fuͤgete. Denſelben unterrichtete ſie, daß er das<lb/> Recht der Menſchen die Schriften andrer Men-<lb/> ſchen zu beurtheilen, durch buͤndige Lehrſaͤze be-<lb/> hauptete, und ſie ſpizete ihm die Einfaͤlle, daß<lb/> er den Deutſchen einen Geſchmak an der Cri-<lb/> tik beyzubringen, die kleinen Geiſter in allen Ar-<lb/> ten von Schriften auf die Hechel ſezete. Er ſtellte<lb/> ſich insgemeine an, als wann er der geheimeſte<lb/> Freund der Stuͤmper waͤre, er verſah ihre Gedan-<lb/> ken mit Wiz und ihre Sprache mit Ordnung, aber<lb/> zu ihrer lebhafteſten Verſpottung. Die dunkelſten<lb/> unter denſelben wußte er ſo hoch zu erheben,<lb/> und die angeſehnſten ſo tief zu erniedrigen, daß<lb/> ſie auf einen gleichhohen Grad der Vortrefflich-<lb/> keit zu ſtehen kamen. Er geiſſelte die unbe-<lb/> kannteſten, wenn es die beruͤhmteſten empfin-<lb/> den ſolten; Philippi mußte die Schultern dar-<lb/> ſtrecken, wenn Schottged geſuͤndiget hatte. Die<lb/> Goͤttin bedekete ihn mit ihrem Schilde, daß er<lb/> mit offener Bruſt einhergieng, und ihm weder<lb/> die Macht bloͤder Herren, noch die Scheinheilig-<lb/> keit dummer Prieſter auf den Leib kommen konn-<lb/> ten. Neben dieſem kannte ſie an dem andern<lb/> Ende Deutſchlands unter den freyen und eben<lb/> darum natuͤrlichen Einwohnern Helvetiens ein<lb/> Paar Freunde, die ihr von Jugend auf aufge-<lb/> wartet hatten; auch dieſelben ruͤſtete ſie mit ih-<lb/> ren Gaben aus, und beſtellte ſie zu ihrem Dien-<lb/> ſte. Sie befahl ihnen abſonderlich, daß ſie die<lb/> <fw place="bottom" type="catch">deut-</fw><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [164/0166]
Das Complot
einen durchdringenden und unverzagten Geiſt;
der zum Denken Freyheit, und zur Ausbildung
der Gedanken Scharfſinnigkeit und Munterkeit
fuͤgete. Denſelben unterrichtete ſie, daß er das
Recht der Menſchen die Schriften andrer Men-
ſchen zu beurtheilen, durch buͤndige Lehrſaͤze be-
hauptete, und ſie ſpizete ihm die Einfaͤlle, daß
er den Deutſchen einen Geſchmak an der Cri-
tik beyzubringen, die kleinen Geiſter in allen Ar-
ten von Schriften auf die Hechel ſezete. Er ſtellte
ſich insgemeine an, als wann er der geheimeſte
Freund der Stuͤmper waͤre, er verſah ihre Gedan-
ken mit Wiz und ihre Sprache mit Ordnung, aber
zu ihrer lebhafteſten Verſpottung. Die dunkelſten
unter denſelben wußte er ſo hoch zu erheben,
und die angeſehnſten ſo tief zu erniedrigen, daß
ſie auf einen gleichhohen Grad der Vortrefflich-
keit zu ſtehen kamen. Er geiſſelte die unbe-
kannteſten, wenn es die beruͤhmteſten empfin-
den ſolten; Philippi mußte die Schultern dar-
ſtrecken, wenn Schottged geſuͤndiget hatte. Die
Goͤttin bedekete ihn mit ihrem Schilde, daß er
mit offener Bruſt einhergieng, und ihm weder
die Macht bloͤder Herren, noch die Scheinheilig-
keit dummer Prieſter auf den Leib kommen konn-
ten. Neben dieſem kannte ſie an dem andern
Ende Deutſchlands unter den freyen und eben
darum natuͤrlichen Einwohnern Helvetiens ein
Paar Freunde, die ihr von Jugend auf aufge-
wartet hatten; auch dieſelben ruͤſtete ſie mit ih-
ren Gaben aus, und beſtellte ſie zu ihrem Dien-
ſte. Sie befahl ihnen abſonderlich, daß ſie die
deut-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
| URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742 |
| URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/166 |
| Zitationshilfe: | [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/166>, abgerufen am 24.11.2024. |
