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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.

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Das Complot
mit was vor Mitteln wir dem Feinde am meisten
Abbruch thun, wie wir ihn unterdrüken, und die
mit uns gebohrne Freyheit ungetadelt nach unsrem
Kopfe zu schreiben behaupten wollen.

Der Vortrag fand ohne Mühe bey ihnen Ge-
hör. Der Abgott des herrschenden Geschmakes,
der ungesehen bey ihnen gegenwärtig war, hatte
ihre Gemüther gelenket, daß sie ihm mit allgemei-
nem Beyfall beypflichteten. Sie schwuren mit
mächtigen Stimmen bey den unsterblichen Wer-
ken derer deutschen Dichter, vor denen sich die
Poeten Griechenlands und Roms verkriechen müs-
sen, bey den furchtbaren Nahmen Moraths, Stel-
pos, und Kirchneus, daß sie ihren Geschmack,
der allein unbetrüglich urtheilete, um keinen Er-
weis, um keine Vernunftsschlüsse, auch um kei-
ne Spötterey der satyrischen Critick ändern woll-
ten. Wer die Frechheit hätte, von ihren herge-
brachten Regeln abzuweichen, sie auf die Probe
zu sezen, oder einen Lehrsatz aus der neuen Dicht-
kunst anzunehmen, derselbe sollte als ein Abtrün-
niger von ihrer Gemeinschaft ausgeschlossen, sein
Nahme aus den Registern der deutschen Poeten
ausgelöschet, und wenn er in ihrem Gebiethe be-
treten würde, Kinzen, Nohren, und Mahanen
übergeben werden, daß sie ihn mit ihren poetischen
Schellen zu Tode klingelten.

Also verbanden sie sich, und zur Bezeugung
ihrer Vereinigung fielen sie einander gantz liebreich
um den Hals. Es war sehr erbaulich zu sehen,
wie Schottged Tirllern mit hertzlicher Zuneigung
auf die Stirne küßte, und dabey bezeugte, daß
er ihn künftig vor einen Hierarchen in dem Reiche

der

Das Complot
mit was vor Mitteln wir dem Feinde am meiſten
Abbruch thun, wie wir ihn unterdruͤken, und die
mit uns gebohrne Freyheit ungetadelt nach unſrem
Kopfe zu ſchreiben behaupten wollen.

Der Vortrag fand ohne Muͤhe bey ihnen Ge-
hoͤr. Der Abgott des herrſchenden Geſchmakes,
der ungeſehen bey ihnen gegenwaͤrtig war, hatte
ihre Gemuͤther gelenket, daß ſie ihm mit allgemei-
nem Beyfall beypflichteten. Sie ſchwuren mit
maͤchtigen Stimmen bey den unſterblichen Wer-
ken derer deutſchen Dichter, vor denen ſich die
Poeten Griechenlands und Roms verkriechen muͤſ-
ſen, bey den furchtbaren Nahmen Moraths, Stel-
pos, und Kirchneus, daß ſie ihren Geſchmack,
der allein unbetruͤglich urtheilete, um keinen Er-
weis, um keine Vernunftsſchluͤſſe, auch um kei-
ne Spoͤtterey der ſatyriſchen Critick aͤndern woll-
ten. Wer die Frechheit haͤtte, von ihren herge-
brachten Regeln abzuweichen, ſie auf die Probe
zu ſezen, oder einen Lehrſatz aus der neuen Dicht-
kunſt anzunehmen, derſelbe ſollte als ein Abtruͤn-
niger von ihrer Gemeinſchaft ausgeſchloſſen, ſein
Nahme aus den Regiſtern der deutſchen Poeten
ausgeloͤſchet, und wenn er in ihrem Gebiethe be-
treten wuͤrde, Kinzen, Nohren, und Mahanen
uͤbergeben werden, daß ſie ihn mit ihren poetiſchen
Schellen zu Tode klingelten.

Alſo verbanden ſie ſich, und zur Bezeugung
ihrer Vereinigung fielen ſie einander gantz liebreich
um den Hals. Es war ſehr erbaulich zu ſehen,
wie Schottged Tirllern mit hertzlicher Zuneigung
auf die Stirne kuͤßte, und dabey bezeugte, daß
er ihn kuͤnftig vor einen Hierarchen in dem Reiche

der
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[178/0180] Das Complot mit was vor Mitteln wir dem Feinde am meiſten Abbruch thun, wie wir ihn unterdruͤken, und die mit uns gebohrne Freyheit ungetadelt nach unſrem Kopfe zu ſchreiben behaupten wollen. Der Vortrag fand ohne Muͤhe bey ihnen Ge- hoͤr. Der Abgott des herrſchenden Geſchmakes, der ungeſehen bey ihnen gegenwaͤrtig war, hatte ihre Gemuͤther gelenket, daß ſie ihm mit allgemei- nem Beyfall beypflichteten. Sie ſchwuren mit maͤchtigen Stimmen bey den unſterblichen Wer- ken derer deutſchen Dichter, vor denen ſich die Poeten Griechenlands und Roms verkriechen muͤſ- ſen, bey den furchtbaren Nahmen Moraths, Stel- pos, und Kirchneus, daß ſie ihren Geſchmack, der allein unbetruͤglich urtheilete, um keinen Er- weis, um keine Vernunftsſchluͤſſe, auch um kei- ne Spoͤtterey der ſatyriſchen Critick aͤndern woll- ten. Wer die Frechheit haͤtte, von ihren herge- brachten Regeln abzuweichen, ſie auf die Probe zu ſezen, oder einen Lehrſatz aus der neuen Dicht- kunſt anzunehmen, derſelbe ſollte als ein Abtruͤn- niger von ihrer Gemeinſchaft ausgeſchloſſen, ſein Nahme aus den Regiſtern der deutſchen Poeten ausgeloͤſchet, und wenn er in ihrem Gebiethe be- treten wuͤrde, Kinzen, Nohren, und Mahanen uͤbergeben werden, daß ſie ihn mit ihren poetiſchen Schellen zu Tode klingelten. Alſo verbanden ſie ſich, und zur Bezeugung ihrer Vereinigung fielen ſie einander gantz liebreich um den Hals. Es war ſehr erbaulich zu ſehen, wie Schottged Tirllern mit hertzlicher Zuneigung auf die Stirne kuͤßte, und dabey bezeugte, daß er ihn kuͤnftig vor einen Hierarchen in dem Reiche der

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/180>, abgerufen am 24.11.2024.