Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.

Bild:
<< vorherige Seite

der herrschenden Poeten.
der deutschen Poesie, und vor seines gleichen er-
kennen wollte: Dahingegen Tirller sich eben so
gütig erklärete, daß er nicht ermangeln wollte,
Schottgeden in seinem nächstfolgenden Wercke vor
einen erbaulichen Schriftverfasser anzupreisen, wel-
cher das Glücke hätte,
so wie er, vielmehr
viele, als nur wenige, zu erbauen, obgleich
diese nur kluge gelehrte und erfahrne Kenner
sind; jene hingegen meist aus mittelmässigen
oder gemeinen Leuten bestehen.
(*)

Nach dieser feyerlichen Handlung rief Schott-
ged mit erhabener Stimme, wer einen guten
Rath zu geben wüßte, wie man den schweizeri-
schen Kunstrichtern am sichersten beykommen, und
den alten wahren deutschen Geschmack vor ihren
Anfällen in Ruh und Sicherheit sezen könnte; mög-
te das Wort nehmen, doch einer nach dem an-
dern, und die klügsten zuerst. Hekenei stuhnd
zuerst auf, der vor diesem den griechischen Longi-
nus gelehret, was er durch das Erhabene, wo-
von er ein Buch geschrieben hat, verstanden ha-
be; Schottged hatte ihn vormahls beschuldiget,
daß er ausser vielen Schmeicheleyen gegen ei-
nige noch lebende Dichter, und manchen ver-
gällten Censuren wider andere, denen seine
Schutzgötter nicht wohl gewollt, nicht viel
deutliches zuwegegebracht hätte
(L): Hinge-
gen hatte Hekenei Schottgeden vorgeworffen, daß
er in der Eintheilung der Schreibart ein Misch-

masch
(*) Hr. D. Triller zieht hieraus sein gröstes poetisches
Lob, in der Vorrede zum dritten Th. seiner poetischen
Betrachtung.
(L) Seht Hrn. Gottscheds Dichtk. für die Deutschen
im eilften Hauptstücke. §. 22.
M 2

der herrſchenden Poeten.
der deutſchen Poeſie, und vor ſeines gleichen er-
kennen wollte: Dahingegen Tirller ſich eben ſo
guͤtig erklaͤrete, daß er nicht ermangeln wollte,
Schottgeden in ſeinem naͤchſtfolgenden Wercke vor
einen erbaulichen Schriftverfaſſer anzupreiſen, wel-
cher das Gluͤcke haͤtte,
ſo wie er, vielmehr
viele, als nur wenige, zu erbauen, obgleich
dieſe nur kluge gelehrte und erfahrne Kenner
ſind; jene hingegen meiſt aus mittelmaͤſſigen
oder gemeinen Leuten beſtehen.
(*)

Nach dieſer feyerlichen Handlung rief Schott-
ged mit erhabener Stimme, wer einen guten
Rath zu geben wuͤßte, wie man den ſchweizeri-
ſchen Kunſtrichtern am ſicherſten beykommen, und
den alten wahren deutſchen Geſchmack vor ihren
Anfaͤllen in Ruh und Sicherheit ſezen koͤnnte; moͤg-
te das Wort nehmen, doch einer nach dem an-
dern, und die kluͤgſten zuerſt. Hekenei ſtuhnd
zuerſt auf, der vor dieſem den griechiſchen Longi-
nus gelehret, was er durch das Erhabene, wo-
von er ein Buch geſchrieben hat, verſtanden ha-
be; Schottged hatte ihn vormahls beſchuldiget,
daß er auſſer vielen Schmeicheleyen gegen ei-
nige noch lebende Dichter, und manchen ver-
gaͤllten Cenſuren wider andere, denen ſeine
Schutzgoͤtter nicht wohl gewollt, nicht viel
deutliches zuwegegebracht haͤtte
(L): Hinge-
gen hatte Hekenei Schottgeden vorgeworffen, daß
er in der Eintheilung der Schreibart ein Miſch-

maſch
(*) Hr. D. Triller zieht hieraus ſein groͤſtes poetiſches
Lob, in der Vorrede zum dritten Th. ſeiner poetiſchen
Betrachtung.
(L) Seht Hrn. Gottſcheds Dichtk. fuͤr die Deutſchen
im eilften Hauptſtuͤcke. §. 22.
M 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0181" n="179"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">der herr&#x017F;chenden Poeten.</hi></fw><lb/>
der deut&#x017F;chen Poe&#x017F;ie, und vor &#x017F;eines gleichen er-<lb/>
kennen wollte: Dahingegen Tirller &#x017F;ich eben &#x017F;o<lb/>
gu&#x0364;tig erkla&#x0364;rete, daß er nicht ermangeln wollte,<lb/>
Schottgeden in &#x017F;einem na&#x0364;ch&#x017F;tfolgenden Wercke vor<lb/>
einen erbaulichen Schriftverfa&#x017F;&#x017F;er anzuprei&#x017F;en, <hi rendition="#fr">wel-<lb/>
cher das Glu&#x0364;cke ha&#x0364;tte,</hi> &#x017F;o wie er, <hi rendition="#fr">vielmehr<lb/>
viele, als nur wenige, zu erbauen, obgleich<lb/>
die&#x017F;e nur kluge gelehrte und erfahrne Kenner<lb/>
&#x017F;ind; jene hingegen mei&#x017F;t aus mittelma&#x0364;&#x017F;&#x017F;igen<lb/>
oder gemeinen Leuten be&#x017F;tehen.</hi> <note place="foot" n="(*)">Hr. D. Triller zieht hieraus &#x017F;ein gro&#x0364;&#x017F;tes poeti&#x017F;ches<lb/>
Lob, in der Vorrede zum dritten Th. &#x017F;einer poeti&#x017F;chen<lb/>
Betrachtung.</note></p><lb/>
        <p>Nach die&#x017F;er feyerlichen Handlung rief Schott-<lb/>
ged mit erhabener Stimme, wer einen guten<lb/>
Rath zu geben wu&#x0364;ßte, wie man den &#x017F;chweizeri-<lb/>
&#x017F;chen Kun&#x017F;trichtern am &#x017F;icher&#x017F;ten beykommen, und<lb/>
den alten wahren deut&#x017F;chen Ge&#x017F;chmack vor ihren<lb/>
Anfa&#x0364;llen in Ruh und Sicherheit &#x017F;ezen ko&#x0364;nnte; mo&#x0364;g-<lb/>
te das Wort nehmen, doch einer nach dem an-<lb/>
dern, und die klu&#x0364;g&#x017F;ten zuer&#x017F;t. Hekenei &#x017F;tuhnd<lb/>
zuer&#x017F;t auf, <hi rendition="#fr">der</hi> vor die&#x017F;em den griechi&#x017F;chen Longi-<lb/>
nus gelehret, was er durch das Erhabene, wo-<lb/>
von er ein Buch ge&#x017F;chrieben hat, ver&#x017F;tanden ha-<lb/>
be; Schottged hatte ihn vormahls be&#x017F;chuldiget,<lb/>
daß er <hi rendition="#fr">au&#x017F;&#x017F;er vielen Schmeicheleyen gegen ei-<lb/>
nige noch lebende Dichter, und manchen ver-<lb/>
ga&#x0364;llten Cen&#x017F;uren wider andere, denen &#x017F;eine<lb/>
Schutzgo&#x0364;tter nicht wohl gewollt, nicht viel<lb/>
deutliches zuwegegebracht ha&#x0364;tte</hi> <note place="foot" n="(L)">Seht Hrn. Gott&#x017F;cheds Dichtk. fu&#x0364;r die Deut&#x017F;chen<lb/>
im eilften Haupt&#x017F;tu&#x0364;cke. §. 22.</note>: Hinge-<lb/>
gen hatte Hekenei Schottgeden vorgeworffen, <hi rendition="#fr">daß<lb/>
er in der Eintheilung der Schreibart ein Mi&#x017F;ch-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">M 2</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">ma&#x017F;ch</hi></fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[179/0181] der herrſchenden Poeten. der deutſchen Poeſie, und vor ſeines gleichen er- kennen wollte: Dahingegen Tirller ſich eben ſo guͤtig erklaͤrete, daß er nicht ermangeln wollte, Schottgeden in ſeinem naͤchſtfolgenden Wercke vor einen erbaulichen Schriftverfaſſer anzupreiſen, wel- cher das Gluͤcke haͤtte, ſo wie er, vielmehr viele, als nur wenige, zu erbauen, obgleich dieſe nur kluge gelehrte und erfahrne Kenner ſind; jene hingegen meiſt aus mittelmaͤſſigen oder gemeinen Leuten beſtehen. (*) Nach dieſer feyerlichen Handlung rief Schott- ged mit erhabener Stimme, wer einen guten Rath zu geben wuͤßte, wie man den ſchweizeri- ſchen Kunſtrichtern am ſicherſten beykommen, und den alten wahren deutſchen Geſchmack vor ihren Anfaͤllen in Ruh und Sicherheit ſezen koͤnnte; moͤg- te das Wort nehmen, doch einer nach dem an- dern, und die kluͤgſten zuerſt. Hekenei ſtuhnd zuerſt auf, der vor dieſem den griechiſchen Longi- nus gelehret, was er durch das Erhabene, wo- von er ein Buch geſchrieben hat, verſtanden ha- be; Schottged hatte ihn vormahls beſchuldiget, daß er auſſer vielen Schmeicheleyen gegen ei- nige noch lebende Dichter, und manchen ver- gaͤllten Cenſuren wider andere, denen ſeine Schutzgoͤtter nicht wohl gewollt, nicht viel deutliches zuwegegebracht haͤtte (L): Hinge- gen hatte Hekenei Schottgeden vorgeworffen, daß er in der Eintheilung der Schreibart ein Miſch- maſch (*) Hr. D. Triller zieht hieraus ſein groͤſtes poetiſches Lob, in der Vorrede zum dritten Th. ſeiner poetiſchen Betrachtung. (L) Seht Hrn. Gottſcheds Dichtk. fuͤr die Deutſchen im eilften Hauptſtuͤcke. §. 22. M 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/181
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742, S. 179. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/181>, abgerufen am 24.11.2024.