Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742.

Bild:
<< vorherige Seite

in den Lett. sur la Rel. Essent. &c.
ner Güte entgegen gesetzt, ein Begriff hebe den
andern auf, wenn Gott bey diesen einzelen Indi-
viduis
ein Uebel zuläßt, damit nicht ein noch grös-
seres entstehe, im Fall daß er es nicht zuliesse?
Wenn Eu. Hoche. einem trägen und unnützen Bett-
ler nicht einen Thaler schencken, sowohl in Be-
trachtung der Convenienz dieses ihres gegenwär-
tigen Betragens, als in Absicht auf die viele gu-
te Folgen, die dieser Abschlag, ich will setzen nur
für ein Jahr haben würde, (weil doch derselbe
mit allem Künftigen verknüpfet ist,) hebet dann ih-
re Weisheit, und Gerechtigkeit, die sie diesfalls
erzeigen, ihre Güte auf? Mich dünckt ein Weiser
werde sich nicht einmahl eine andere Güte wünschen.

Eu. Hochedlen gedencken vielleicht; es sey eine
unerwiesene Sache, daß das Bestmögliche
welches Gott bey seinen Geschöpfen erhalten
kan, wircklich mit dem Unglück einzeler Ar-
ten, oder
Individuorum begleitet sey.

Sie haben gantz recht: Allein es ist nur darum
zu thun, ob es möglich, nicht ob es wircklich sey;
ob man einen Widerspruch finde, wenn man es se-
zet: Und ob in diesem Falle dann die Eigenschaf-
ten Gottes einander aufheben. Von diesem letz-
tern habe ich Eu. Hoche. die Ehre gehabt meine
Meinung zu sagen: Werden sie mir aber nicht
auch die Möglichkeit des erstern gestehen, wenn
sie belieben sich des oben schon angedeuteten zu er-
innern? Eine jede Art der Geschöpfe und also
auch der Mensch hat seine besondere Einschrän-
kung, durch welche er eigentlich der wird, der er
ist. Diese machet ihn nun tüchtig, just in die,

und
A 4

in den Lett. ſur la Rel. Eſſent. &c.
ner Guͤte entgegen geſetzt, ein Begriff hebe den
andern auf, wenn Gott bey dieſen einzelen Indi-
viduis
ein Uebel zulaͤßt, damit nicht ein noch groͤſ-
ſeres entſtehe, im Fall daß er es nicht zulieſſe?
Wenn Eu. Hoche. einem traͤgen und unnuͤtzen Bett-
ler nicht einen Thaler ſchencken, ſowohl in Be-
trachtung der Convenienz dieſes ihres gegenwaͤr-
tigen Betragens, als in Abſicht auf die viele gu-
te Folgen, die dieſer Abſchlag, ich will ſetzen nur
fuͤr ein Jahr haben wuͤrde, (weil doch derſelbe
mit allem Kuͤnftigen verknuͤpfet iſt,) hebet dann ih-
re Weisheit, und Gerechtigkeit, die ſie diesfalls
erzeigen, ihre Guͤte auf? Mich duͤnckt ein Weiſer
werde ſich nicht einmahl eine andere Guͤte wuͤnſchen.

Eu. Hochedlen gedencken vielleicht; es ſey eine
unerwieſene Sache, daß das Beſtmoͤgliche
welches Gott bey ſeinen Geſchoͤpfen erhalten
kan, wircklich mit dem Ungluͤck einzeler Ar-
ten, oder
Individuorum begleitet ſey.

Sie haben gantz recht: Allein es iſt nur darum
zu thun, ob es moͤglich, nicht ob es wircklich ſey;
ob man einen Widerſpruch finde, wenn man es ſe-
zet: Und ob in dieſem Falle dann die Eigenſchaf-
ten Gottes einander aufheben. Von dieſem letz-
tern habe ich Eu. Hoche. die Ehre gehabt meine
Meinung zu ſagen: Werden ſie mir aber nicht
auch die Moͤglichkeit des erſtern geſtehen, wenn
ſie belieben ſich des oben ſchon angedeuteten zu er-
innern? Eine jede Art der Geſchoͤpfe und alſo
auch der Menſch hat ſeine beſondere Einſchraͤn-
kung, durch welche er eigentlich der wird, der er
iſt. Dieſe machet ihn nun tuͤchtig, juſt in die,

und
A 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0009" n="7"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">in den <hi rendition="#aq">Lett. &#x017F;ur la Rel. E&#x017F;&#x017F;ent. &amp;c.</hi></hi></fw><lb/>
ner Gu&#x0364;te entgegen ge&#x017F;etzt, ein Begriff hebe den<lb/>
andern auf, wenn Gott bey die&#x017F;en einzelen <hi rendition="#aq">Indi-<lb/>
viduis</hi> ein Uebel zula&#x0364;ßt, damit nicht ein noch gro&#x0364;&#x017F;-<lb/>
&#x017F;eres ent&#x017F;tehe, im Fall daß er es nicht zulie&#x017F;&#x017F;e?<lb/>
Wenn Eu. Hoche. einem tra&#x0364;gen und unnu&#x0364;tzen Bett-<lb/>
ler nicht einen Thaler &#x017F;chencken, &#x017F;owohl in Be-<lb/>
trachtung der <hi rendition="#aq">Convenienz</hi> die&#x017F;es ihres gegenwa&#x0364;r-<lb/>
tigen Betragens, als in Ab&#x017F;icht auf die viele gu-<lb/>
te Folgen, die die&#x017F;er Ab&#x017F;chlag, ich will &#x017F;etzen nur<lb/>
fu&#x0364;r ein Jahr haben wu&#x0364;rde, (weil doch der&#x017F;elbe<lb/>
mit allem Ku&#x0364;nftigen verknu&#x0364;pfet i&#x017F;t,) hebet dann ih-<lb/>
re Weisheit, und Gerechtigkeit, die &#x017F;ie diesfalls<lb/>
erzeigen, ihre Gu&#x0364;te auf? Mich du&#x0364;nckt ein Wei&#x017F;er<lb/>
werde &#x017F;ich nicht einmahl eine andere Gu&#x0364;te wu&#x0364;n&#x017F;chen.</p><lb/>
        <p>Eu. Hochedlen gedencken vielleicht; <hi rendition="#fr">es &#x017F;ey eine<lb/>
unerwie&#x017F;ene Sache, daß das Be&#x017F;tmo&#x0364;gliche<lb/>
welches Gott bey &#x017F;einen Ge&#x017F;cho&#x0364;pfen erhalten<lb/>
kan, wircklich mit dem Unglu&#x0364;ck einzeler Ar-<lb/>
ten, oder</hi> <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">Individuorum</hi></hi> <hi rendition="#fr">begleitet &#x017F;ey.</hi></p><lb/>
        <p>Sie haben gantz recht: Allein es i&#x017F;t nur darum<lb/>
zu thun, ob es mo&#x0364;glich, nicht ob es wircklich &#x017F;ey;<lb/>
ob man einen Wider&#x017F;pruch finde, wenn man es &#x017F;e-<lb/>
zet: Und ob in die&#x017F;em Falle dann die Eigen&#x017F;chaf-<lb/>
ten Gottes einander aufheben. Von die&#x017F;em letz-<lb/>
tern habe ich Eu. Hoche. die Ehre gehabt meine<lb/>
Meinung zu &#x017F;agen: Werden &#x017F;ie mir aber nicht<lb/>
auch die Mo&#x0364;glichkeit des er&#x017F;tern ge&#x017F;tehen, wenn<lb/>
&#x017F;ie belieben &#x017F;ich des oben &#x017F;chon angedeuteten zu er-<lb/>
innern? Eine jede Art der Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe und al&#x017F;o<lb/>
auch der Men&#x017F;ch hat &#x017F;eine be&#x017F;ondere Ein&#x017F;chra&#x0364;n-<lb/>
kung, durch welche er eigentlich der wird, der er<lb/>
i&#x017F;t. Die&#x017F;e machet ihn nun tu&#x0364;chtig, ju&#x017F;t in die,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A 4</fw><fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[7/0009] in den Lett. ſur la Rel. Eſſent. &c. ner Guͤte entgegen geſetzt, ein Begriff hebe den andern auf, wenn Gott bey dieſen einzelen Indi- viduis ein Uebel zulaͤßt, damit nicht ein noch groͤſ- ſeres entſtehe, im Fall daß er es nicht zulieſſe? Wenn Eu. Hoche. einem traͤgen und unnuͤtzen Bett- ler nicht einen Thaler ſchencken, ſowohl in Be- trachtung der Convenienz dieſes ihres gegenwaͤr- tigen Betragens, als in Abſicht auf die viele gu- te Folgen, die dieſer Abſchlag, ich will ſetzen nur fuͤr ein Jahr haben wuͤrde, (weil doch derſelbe mit allem Kuͤnftigen verknuͤpfet iſt,) hebet dann ih- re Weisheit, und Gerechtigkeit, die ſie diesfalls erzeigen, ihre Guͤte auf? Mich duͤnckt ein Weiſer werde ſich nicht einmahl eine andere Guͤte wuͤnſchen. Eu. Hochedlen gedencken vielleicht; es ſey eine unerwieſene Sache, daß das Beſtmoͤgliche welches Gott bey ſeinen Geſchoͤpfen erhalten kan, wircklich mit dem Ungluͤck einzeler Ar- ten, oder Individuorum begleitet ſey. Sie haben gantz recht: Allein es iſt nur darum zu thun, ob es moͤglich, nicht ob es wircklich ſey; ob man einen Widerſpruch finde, wenn man es ſe- zet: Und ob in dieſem Falle dann die Eigenſchaf- ten Gottes einander aufheben. Von dieſem letz- tern habe ich Eu. Hoche. die Ehre gehabt meine Meinung zu ſagen: Werden ſie mir aber nicht auch die Moͤglichkeit des erſtern geſtehen, wenn ſie belieben ſich des oben ſchon angedeuteten zu er- innern? Eine jede Art der Geſchoͤpfe und alſo auch der Menſch hat ſeine beſondere Einſchraͤn- kung, durch welche er eigentlich der wird, der er iſt. Dieſe machet ihn nun tuͤchtig, juſt in die, und A 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/9
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 3. Zürich, 1742, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung03_1742/9>, abgerufen am 03.12.2024.