Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 4. Zürich, 1742.

Bild:
<< vorherige Seite

Echo
seyn und fragen solte, wie sie denn gemacht wer-
den? Denn dieses ist ein Geheimniß, das man
nicht leichterdings verrathen und unter die Leu-
te bringen muß. Man siehet also aus diesem
Beyspiele, wie sorgfältig man die Suizerismos
von den Germanismis zu unterscheiden hat, wenn
sie auf gantz ungleiche Gewohnheiten gebauet sind.
Jch muß auch hier beyläuftig erinnern, daß es
ein anatomisch-physiologischer Soloecismus ist,
wenn man sagt: Sein grosses und dabey sanft-
müthiges Hertz kan alle Unbillen verdauen:

Anstatt, daß man mit unserm hochdeutschen No-
tenmacher sagen sollte: Sein grosser und dabey
sanftmüthiger Magen
[versteht sich, der Ma-
gen der Seelen,] kan alle Unbillen verdauen.

Alpgebürge, Dieses heißt so viel als Alpen-
gebürge.] Es ist seltsam, daß die Leipziger, die
keine Alpen haben, die Alpeneinwohner erst noch
lehren müssen, wie sie ihre Gebürge auf gut Deutsch
nennen sollen. Bisdahin haben die Schweitzer
gesagt, die Alpe, in plurali, die Alpen. Hin-
gegen der Alp, oder das Alpmännchen; Und
in der Zusammensetzung Alpstein, Alphorn.
Aber ich werde auf den ersten Landsgemeinden zu
Zug, Uri, Schweitz, Unterwalden, Glarus und
Appenzell, mit allem Ernst vortragen lassen, daß
man auf und annehme, inskünftige nicht mehr Alp-
stein, Alphorn
etc., sondern nach der hochdeut-
schen, sächsischen Analogie Alpenstein, Alpen-
horn,
etc. zu sagen; aus dem wichtigen Grunde,
damit die Hochdeutschen nicht meinen möchten,
die schweitzerischen Alpgebürge seyn unsichere,

dürre

Echo
ſeyn und fragen ſolte, wie ſie denn gemacht wer-
den? Denn dieſes iſt ein Geheimniß, das man
nicht leichterdings verrathen und unter die Leu-
te bringen muß. Man ſiehet alſo aus dieſem
Beyſpiele, wie ſorgfaͤltig man die Suizeriſmos
von den Germaniſmis zu unterſcheiden hat, wenn
ſie auf gantz ungleiche Gewohnheiten gebauet ſind.
Jch muß auch hier beylaͤuftig erinnern, daß es
ein anatomiſch-phyſiologiſcher Soloeciſmus iſt,
wenn man ſagt: Sein groſſes und dabey ſanft-
muͤthiges Hertz kan alle Unbillen verdauen:

Anſtatt, daß man mit unſerm hochdeutſchen No-
tenmacher ſagen ſollte: Sein groſſer und dabey
ſanftmuͤthiger Magen
[verſteht ſich, der Ma-
gen der Seelen,] kan alle Unbillen verdauen.

Alpgebuͤrge, Dieſes heißt ſo viel als Alpen-
gebuͤrge.] Es iſt ſeltſam, daß die Leipziger, die
keine Alpen haben, die Alpeneinwohner erſt noch
lehren muͤſſen, wie ſie ihre Gebuͤrge auf gut Deutſch
nennen ſollen. Bisdahin haben die Schweitzer
geſagt, die Alpe, in plurali, die Alpen. Hin-
gegen der Alp, oder das Alpmaͤnnchen; Und
in der Zuſammenſetzung Alpſtein, Alphorn.
Aber ich werde auf den erſten Landsgemeinden zu
Zug, Uri, Schweitz, Unterwalden, Glarus und
Appenzell, mit allem Ernſt vortragen laſſen, daß
man auf und annehme, inskuͤnftige nicht mehr Alp-
ſtein, Alphorn
ꝛc., ſondern nach der hochdeut-
ſchen, ſaͤchſiſchen Analogie Alpenſtein, Alpen-
horn,
ꝛc. zu ſagen; aus dem wichtigen Grunde,
damit die Hochdeutſchen nicht meinen moͤchten,
die ſchweitzeriſchen Alpgebuͤrge ſeyn unſichere,

duͤrre
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0082" n="80"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Echo</hi></fw><lb/>
&#x017F;eyn und fragen &#x017F;olte, wie &#x017F;ie denn <hi rendition="#fr">gemacht</hi> wer-<lb/>
den? Denn die&#x017F;es i&#x017F;t ein Geheimniß, das man<lb/>
nicht leichterdings verrathen und unter die Leu-<lb/>
te bringen muß. Man &#x017F;iehet al&#x017F;o aus die&#x017F;em<lb/>
Bey&#x017F;piele, wie &#x017F;orgfa&#x0364;ltig man die <hi rendition="#aq">Suizeri&#x017F;mos</hi><lb/>
von den <hi rendition="#aq">Germani&#x017F;mis</hi> zu unter&#x017F;cheiden hat, wenn<lb/>
&#x017F;ie auf gantz ungleiche Gewohnheiten gebauet &#x017F;ind.<lb/>
Jch muß auch hier beyla&#x0364;uftig erinnern, daß es<lb/>
ein <hi rendition="#fr">anatomi&#x017F;ch-phy&#x017F;iologi&#x017F;cher</hi> Soloeci&#x017F;mus i&#x017F;t,<lb/>
wenn man &#x017F;agt: <hi rendition="#fr">Sein gro&#x017F;&#x017F;es und dabey &#x017F;anft-<lb/>
mu&#x0364;thiges Hertz kan alle Unbillen verdauen:</hi><lb/>
An&#x017F;tatt, daß man mit un&#x017F;erm hochdeut&#x017F;chen No-<lb/>
tenmacher &#x017F;agen &#x017F;ollte: <hi rendition="#fr">Sein gro&#x017F;&#x017F;er und dabey<lb/>
&#x017F;anftmu&#x0364;thiger Magen</hi> [ver&#x017F;teht &#x017F;ich, der Ma-<lb/>
gen der Seelen,] <hi rendition="#fr">kan alle Unbillen verdauen.</hi></p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Alpgebu&#x0364;rge, Die&#x017F;es heißt &#x017F;o viel als</hi> Alpen-<lb/>
gebu&#x0364;rge.] Es i&#x017F;t &#x017F;elt&#x017F;am, daß die Leipziger, die<lb/>
keine Alpen haben, die Alpeneinwohner er&#x017F;t noch<lb/>
lehren mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, wie &#x017F;ie ihre Gebu&#x0364;rge auf gut Deut&#x017F;ch<lb/>
nennen &#x017F;ollen. Bisdahin haben die Schweitzer<lb/>
ge&#x017F;agt, <hi rendition="#fr">die Alpe,</hi> <hi rendition="#aq">in plurali,</hi> <hi rendition="#fr">die Alpen.</hi> Hin-<lb/>
gegen <hi rendition="#fr">der Alp,</hi> oder <hi rendition="#fr">das Alpma&#x0364;nnchen;</hi> Und<lb/>
in der Zu&#x017F;ammen&#x017F;etzung <hi rendition="#fr">Alp&#x017F;tein, Alphorn.</hi><lb/>
Aber ich werde auf den er&#x017F;ten Landsgemeinden zu<lb/>
Zug, Uri, Schweitz, Unterwalden, Glarus und<lb/>
Appenzell, mit allem Ern&#x017F;t vortragen la&#x017F;&#x017F;en, daß<lb/>
man auf und annehme, insku&#x0364;nftige nicht mehr <hi rendition="#fr">Alp-<lb/>
&#x017F;tein, Alphorn</hi> &#xA75B;c., &#x017F;ondern nach der hochdeut-<lb/>
&#x017F;chen, &#x017F;a&#x0364;ch&#x017F;i&#x017F;chen Analogie <hi rendition="#fr">Alpen&#x017F;tein, Alpen-<lb/>
horn,</hi> &#xA75B;c. zu &#x017F;agen; aus dem wichtigen Grunde,<lb/>
damit die Hochdeut&#x017F;chen nicht meinen mo&#x0364;chten,<lb/>
die &#x017F;chweitzeri&#x017F;chen <hi rendition="#fr">Alpgebu&#x0364;rge</hi> &#x017F;eyn un&#x017F;ichere,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">du&#x0364;rre</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[80/0082] Echo ſeyn und fragen ſolte, wie ſie denn gemacht wer- den? Denn dieſes iſt ein Geheimniß, das man nicht leichterdings verrathen und unter die Leu- te bringen muß. Man ſiehet alſo aus dieſem Beyſpiele, wie ſorgfaͤltig man die Suizeriſmos von den Germaniſmis zu unterſcheiden hat, wenn ſie auf gantz ungleiche Gewohnheiten gebauet ſind. Jch muß auch hier beylaͤuftig erinnern, daß es ein anatomiſch-phyſiologiſcher Soloeciſmus iſt, wenn man ſagt: Sein groſſes und dabey ſanft- muͤthiges Hertz kan alle Unbillen verdauen: Anſtatt, daß man mit unſerm hochdeutſchen No- tenmacher ſagen ſollte: Sein groſſer und dabey ſanftmuͤthiger Magen [verſteht ſich, der Ma- gen der Seelen,] kan alle Unbillen verdauen. Alpgebuͤrge, Dieſes heißt ſo viel als Alpen- gebuͤrge.] Es iſt ſeltſam, daß die Leipziger, die keine Alpen haben, die Alpeneinwohner erſt noch lehren muͤſſen, wie ſie ihre Gebuͤrge auf gut Deutſch nennen ſollen. Bisdahin haben die Schweitzer geſagt, die Alpe, in plurali, die Alpen. Hin- gegen der Alp, oder das Alpmaͤnnchen; Und in der Zuſammenſetzung Alpſtein, Alphorn. Aber ich werde auf den erſten Landsgemeinden zu Zug, Uri, Schweitz, Unterwalden, Glarus und Appenzell, mit allem Ernſt vortragen laſſen, daß man auf und annehme, inskuͤnftige nicht mehr Alp- ſtein, Alphorn ꝛc., ſondern nach der hochdeut- ſchen, ſaͤchſiſchen Analogie Alpenſtein, Alpen- horn, ꝛc. zu ſagen; aus dem wichtigen Grunde, damit die Hochdeutſchen nicht meinen moͤchten, die ſchweitzeriſchen Alpgebuͤrge ſeyn unſichere, duͤrre

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung04_1742
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung04_1742/82
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 4. Zürich, 1742, S. 80. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung04_1742/82>, abgerufen am 04.12.2024.