[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 4. Zürich, 1742.des deutschen Witzes. es die bestellte Büchercensoren für einen Schimpfzu rechnen hätten, wenn man ihr Amt mit die- ser ihrem vergleicht. Wenigstens bey uns in der Schweitz stehen die Aerzte in einem bessern Ansehen, und jedermann achtet es sich für eine besondere Ehre mit denselben verglichen zu werden. Aber viel- leicht ist es in Deutschland Sünde von Män- nern, die in einem offentlichen Amte stehen, in der Metapher zu reden. Jm übrigen ist mein Tadler entweder zu dumm oder zu boshaft gewe- seu, als daß er hätte merken wollen, daß ich von der Gelindigkeit und Gefälligkeit der Bü- chercensoren nur gantz historisch geredet, ohne darüber zu urtheilen, ob ich dieses Verfahren für lob- oder tadelwürdig achte; weil ich durch mein Urtheil das Geschehene nicht ändern konnte: Mein Tadler ist deswegen recht unverschämt und bos- haft, daß er mir Schuld giebt, ich wolle den L*** Censoren Gesetze geben, und anordnen, was sie stehen lassen oder ausstreichen sollen. Oder mit was vor Fuge hätte ich es tadeln kön- nen, daß sie haben stehen lassen, was ich selbst, nachdem es durch einen Zufall verlohren gegan- gen, aus dem Staube hervorgezogen, und des Tageslichtes würdig geachtet habe? Allein für dergleichen Tröpfe kan ich wohl beten, aber sie überzeugen so wenig, als einen Mohren weiß waschen. Abson- F 2
des deutſchen Witzes. es die beſtellte Buͤchercenſoren fuͤr einen Schimpfzu rechnen haͤtten, wenn man ihr Amt mit die- ſer ihrem vergleicht. Wenigſtens bey uns in der Schweitz ſtehen die Aerzte in einem beſſern Anſehen, und jedermann achtet es ſich fuͤr eine beſondere Ehre mit denſelben verglichen zu werden. Aber viel- leicht iſt es in Deutſchland Suͤnde von Maͤn- nern, die in einem offentlichen Amte ſtehen, in der Metapher zu reden. Jm uͤbrigen iſt mein Tadler entweder zu dumm oder zu boshaft gewe- ſeu, als daß er haͤtte merken wollen, daß ich von der Gelindigkeit und Gefaͤlligkeit der Buͤ- chercenſoren nur gantz hiſtoriſch geredet, ohne daruͤber zu urtheilen, ob ich dieſes Verfahren fuͤr lob- oder tadelwuͤrdig achte; weil ich durch mein Urtheil das Geſchehene nicht aͤndern konnte: Mein Tadler iſt deswegen recht unverſchaͤmt und bos- haft, daß er mir Schuld giebt, ich wolle den L*** Cenſoren Geſetze geben, und anordnen, was ſie ſtehen laſſen oder ausſtreichen ſollen. Oder mit was vor Fuge haͤtte ich es tadeln koͤn- nen, daß ſie haben ſtehen laſſen, was ich ſelbſt, nachdem es durch einen Zufall verlohren gegan- gen, aus dem Staube hervorgezogen, und des Tageslichtes wuͤrdig geachtet habe? Allein fuͤr dergleichen Troͤpfe kan ich wohl beten, aber ſie uͤberzeugen ſo wenig, als einen Mohren weiß waſchen. Abſon- F 2
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es die beſtellte Buͤchercenſoren fuͤr einen Schimpf
zu rechnen haͤtten, wenn man ihr Amt mit die-
ſer ihrem vergleicht. Wenigſtens bey uns in der
Schweitz ſtehen die Aerzte in einem beſſern Anſehen,
und jedermann achtet es ſich fuͤr eine beſondere
Ehre mit denſelben verglichen zu werden. Aber viel-
leicht iſt es in Deutſchland Suͤnde von Maͤn-
nern, die in einem offentlichen Amte ſtehen, in
der Metapher zu reden. Jm uͤbrigen iſt mein
Tadler entweder zu dumm oder zu boshaft gewe-
ſeu, als daß er haͤtte merken wollen, daß ich
von der Gelindigkeit und Gefaͤlligkeit der Buͤ-
chercenſoren nur gantz hiſtoriſch geredet, ohne
daruͤber zu urtheilen, ob ich dieſes Verfahren fuͤr
lob- oder tadelwuͤrdig achte; weil ich durch mein
Urtheil das Geſchehene nicht aͤndern konnte: Mein
Tadler iſt deswegen recht unverſchaͤmt und bos-
haft, daß er mir Schuld giebt, ich wolle den
L*** Cenſoren Geſetze geben, und anordnen,
was ſie ſtehen laſſen oder ausſtreichen ſollen.
Oder mit was vor Fuge haͤtte ich es tadeln koͤn-
nen, daß ſie haben ſtehen laſſen, was ich ſelbſt,
nachdem es durch einen Zufall verlohren gegan-
gen, aus dem Staube hervorgezogen, und des
Tageslichtes wuͤrdig geachtet habe? Allein fuͤr
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