[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742.Mauvillons Brief war weit nicht der Meinung derjenigen Gelehr-ten, welche sich bemüheten, eine Sprache zu er- finden, die aus sehr wenig leichten Wörtern be- stühnde, damit alle Nationen ohne Dollmetschen mit einander handeln könnten. Zu dem Ende hätte man gegen alle vier Winde Leute ausschi- ken müssen, welche diese Sprache vollkomment- lich besessen, damit sie in selbiger die Leute unter- richteten, die zur Kaufmannschaft gewidmet wa- ren, oder auf Gesandtschaften sollten gebraucht werden. Wäre dieses Vorhaben ausgeführt wor- den, so dürfte der Wienerische Hof nicht junge Leute nach Constantinopel schicken, die türckische Sprache zu lernen. Der grosse Herr, von dem ich geredet habe, hätte vermuthlich dieses Vor- nehmen und diese Sprache mit noch grösserer Hitze verworffen, weil sie zweifelsfrey noch weit gemeiner worden wäre, als die französische Sprache. Man kan nicht leugnen, daß die ernsthaften andere (q) Der oben angezogene Verfechter des Plattdeut-
schen Fr. A. Aepin hat darüber eine Antung gemachet: "Die Meißner sind von der wahren Aussprache so sehr abgewichen, daß man glauben sollte, es wären nicht Nachkommen der tapfern Deutschen; sondern vielmehr schwache Weibsbilder. - - - Will man nach dem Be- weise Mauvillons Brief war weit nicht der Meinung derjenigen Gelehr-ten, welche ſich bemuͤheten, eine Sprache zu er- finden, die aus ſehr wenig leichten Woͤrtern be- ſtuͤhnde, damit alle Nationen ohne Dollmetſchen mit einander handeln koͤnnten. Zu dem Ende haͤtte man gegen alle vier Winde Leute ausſchi- ken muͤſſen, welche dieſe Sprache vollkomment- lich beſeſſen, damit ſie in ſelbiger die Leute unter- richteten, die zur Kaufmannſchaft gewidmet wa- ren, oder auf Geſandtſchaften ſollten gebraucht werden. Waͤre dieſes Vorhaben ausgefuͤhrt wor- den, ſo duͤrfte der Wieneriſche Hof nicht junge Leute nach Conſtantinopel ſchicken, die tuͤrckiſche Sprache zu lernen. Der groſſe Herr, von dem ich geredet habe, haͤtte vermuthlich dieſes Vor- nehmen und dieſe Sprache mit noch groͤſſerer Hitze verworffen, weil ſie zweifelsfrey noch weit gemeiner worden waͤre, als die franzoͤſiſche Sprache. Man kan nicht leugnen, daß die ernſthaften andere (q) Der oben angezogene Verfechter des Plattdeut-
ſchen Fr. A. Aepin hat daruͤber eine Antung gemachet: „Die Meißner ſind von der wahren Ausſprache ſo ſehr abgewichen, daß man glauben ſollte, es waͤren nicht Nachkommen der tapfern Deutſchen; ſondern vielmehr ſchwache Weibsbilder. ‒ ‒ ‒ Will man nach dem Be- weiſe <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0028" n="28"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Mauvillons Brief</hi></fw><lb/> war weit nicht der Meinung derjenigen Gelehr-<lb/> ten, welche ſich bemuͤheten, eine Sprache zu er-<lb/> finden, die aus ſehr wenig leichten Woͤrtern be-<lb/> ſtuͤhnde, damit alle Nationen ohne Dollmetſchen<lb/> mit einander handeln koͤnnten. Zu dem Ende<lb/> haͤtte man gegen alle vier Winde Leute ausſchi-<lb/> ken muͤſſen, welche dieſe Sprache vollkomment-<lb/> lich beſeſſen, damit ſie in ſelbiger die Leute unter-<lb/> richteten, die zur Kaufmannſchaft gewidmet wa-<lb/> ren, oder auf Geſandtſchaften ſollten gebraucht<lb/> werden. Waͤre dieſes Vorhaben ausgefuͤhrt wor-<lb/> den, ſo duͤrfte der Wieneriſche Hof nicht junge<lb/> Leute nach Conſtantinopel ſchicken, die tuͤrckiſche<lb/> Sprache zu lernen. Der groſſe Herr, von dem<lb/> ich geredet habe, haͤtte vermuthlich dieſes Vor-<lb/> nehmen und dieſe Sprache mit noch groͤſſerer<lb/> Hitze verworffen, weil ſie zweifelsfrey noch weit<lb/> gemeiner worden waͤre, als die franzoͤſiſche<lb/> Sprache.</p><lb/> <p>Man kan nicht leugnen, daß die ernſthaften<lb/> Sprachen, wie die deutſche von dieſer Art iſt,<lb/> nicht ſollten langſam und deutlich geredet wer-<lb/> den. Jndeſſen reden die Sachſen mit einer ge-<lb/> ſchwinden Ueberweltzung <note xml:id="a013" next="#a013b" place="foot" n="(q)">Der oben angezogene Verfechter des Plattdeut-<lb/> ſchen <hi rendition="#fr">Fr. A. Aepin</hi> hat daruͤber eine Antung gemachet:<lb/> „Die Meißner ſind von der wahren Ausſprache ſo ſehr<lb/> abgewichen, daß man glauben ſollte, es waͤren nicht<lb/> Nachkommen der tapfern Deutſchen; ſondern vielmehr<lb/> ſchwache Weibsbilder. ‒ ‒ ‒ Will man nach dem Be-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">weiſe</fw></note> der Woͤrter, wel-<lb/> che etwas ſtammelndes mit ſich fuͤhrt; und alle<lb/> <fw place="bottom" type="catch">andere</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [28/0028]
Mauvillons Brief
war weit nicht der Meinung derjenigen Gelehr-
ten, welche ſich bemuͤheten, eine Sprache zu er-
finden, die aus ſehr wenig leichten Woͤrtern be-
ſtuͤhnde, damit alle Nationen ohne Dollmetſchen
mit einander handeln koͤnnten. Zu dem Ende
haͤtte man gegen alle vier Winde Leute ausſchi-
ken muͤſſen, welche dieſe Sprache vollkomment-
lich beſeſſen, damit ſie in ſelbiger die Leute unter-
richteten, die zur Kaufmannſchaft gewidmet wa-
ren, oder auf Geſandtſchaften ſollten gebraucht
werden. Waͤre dieſes Vorhaben ausgefuͤhrt wor-
den, ſo duͤrfte der Wieneriſche Hof nicht junge
Leute nach Conſtantinopel ſchicken, die tuͤrckiſche
Sprache zu lernen. Der groſſe Herr, von dem
ich geredet habe, haͤtte vermuthlich dieſes Vor-
nehmen und dieſe Sprache mit noch groͤſſerer
Hitze verworffen, weil ſie zweifelsfrey noch weit
gemeiner worden waͤre, als die franzoͤſiſche
Sprache.
Man kan nicht leugnen, daß die ernſthaften
Sprachen, wie die deutſche von dieſer Art iſt,
nicht ſollten langſam und deutlich geredet wer-
den. Jndeſſen reden die Sachſen mit einer ge-
ſchwinden Ueberweltzung (q) der Woͤrter, wel-
che etwas ſtammelndes mit ſich fuͤhrt; und alle
andere
(q) Der oben angezogene Verfechter des Plattdeut-
ſchen Fr. A. Aepin hat daruͤber eine Antung gemachet:
„Die Meißner ſind von der wahren Ausſprache ſo ſehr
abgewichen, daß man glauben ſollte, es waͤren nicht
Nachkommen der tapfern Deutſchen; ſondern vielmehr
ſchwache Weibsbilder. ‒ ‒ ‒ Will man nach dem Be-
weiſe
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