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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742.

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Mauvillons Brief
purschmässigen Worten nicht ärgern, die ich
mich genöthiget sehe, zu brauchen, wenn ich
des Poeten Meinung ausdrücken soll. Sie
müssen sich erinnern, daß ich aus dem Deutschen
übersetze, nun wissen sie wohl, daß in dieser
Sprache dergleichen Zeug nichts neues ist. Nach-
dem Günther zuerst auf eine ziemlich frostige
Weise auf das Glücke gestichelt, überläuft ihm
die Galle, und er bricht gantz entrüstet in diese
Worte aus: Tiens, sagt er zu ihm, voicy tes
plus beaux titres. Tu n'es qu'une girouette,
une femmellette aveugle, une voie de per-
dition, une garce a laquais, une sorciere, la
soeur de la folie, une hableuse, une trom-
peuse: & qui est ce qui me punira comme
Athee, par ce que je te blaspheme!
Jch
weiß wohl, daß der arme Günther keine Ursache
gehabt, mit dem Glücke wohlzufrieden zu seyn;
und daß er dem Colletet gleich war, von dem
man sagt, er sey von einer Küche in die andere
gegangen, einen Bissen Brod zu betteln; allein
ich kan ihm, die Wahrheit zu bekennen, seine
pöbelhaften Ausdrücke nicht verzeihen, und ich
mögte ihn wohl fragen, in welchem Lumpenhau-
se er diese Schreibart an sich genommen habe.
Was vor eine Ungleichheit zwischen Günthers
Versen, und denen, welche Roussau auf eben
dieses Glücke geschrieben hat!

"Der Pöbel
"betet in deinem schlechtesten Wercke das
"Wohlergehen an, er nennt dich Großmuth,
"Dapferkeit, Klugheit, Standhaftigkeit: Er
"beraubet die Tugend ihrer eigensten Titel, und
"leget

Mauvillons Brief
purſchmaͤſſigen Worten nicht aͤrgern, die ich
mich genoͤthiget ſehe, zu brauchen, wenn ich
des Poeten Meinung ausdruͤcken ſoll. Sie
muͤſſen ſich erinnern, daß ich aus dem Deutſchen
uͤberſetze, nun wiſſen ſie wohl, daß in dieſer
Sprache dergleichen Zeug nichts neues iſt. Nach-
dem Guͤnther zuerſt auf eine ziemlich froſtige
Weiſe auf das Gluͤcke geſtichelt, uͤberlaͤuft ihm
die Galle, und er bricht gantz entruͤſtet in dieſe
Worte aus: Tiens, ſagt er zu ihm, voicy tes
plus beaux titres. Tu n’es qu’une girouette,
une femmellette aveugle, une voie de per-
dition, une garce à laquais, une ſorcière, la
ſœur de la folie, une hableuſe, une trom-
peuſe: & qui eſt ce qui me punira comme
Athée, par ce que je te blasphême!
Jch
weiß wohl, daß der arme Guͤnther keine Urſache
gehabt, mit dem Gluͤcke wohlzufrieden zu ſeyn;
und daß er dem Colletet gleich war, von dem
man ſagt, er ſey von einer Kuͤche in die andere
gegangen, einen Biſſen Brod zu betteln; allein
ich kan ihm, die Wahrheit zu bekennen, ſeine
poͤbelhaften Ausdruͤcke nicht verzeihen, und ich
moͤgte ihn wohl fragen, in welchem Lumpenhau-
ſe er dieſe Schreibart an ſich genommen habe.
Was vor eine Ungleichheit zwiſchen Guͤnthers
Verſen, und denen, welche Rouſſau auf eben
dieſes Gluͤcke geſchrieben hat!

„Der Poͤbel
„betet in deinem ſchlechteſten Wercke das
„Wohlergehen an, er nennt dich Großmuth,
„Dapferkeit, Klugheit, Standhaftigkeit: Er
„beraubet die Tugend ihrer eigenſten Titel, und
„leget
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[48/0048] Mauvillons Brief purſchmaͤſſigen Worten nicht aͤrgern, die ich mich genoͤthiget ſehe, zu brauchen, wenn ich des Poeten Meinung ausdruͤcken ſoll. Sie muͤſſen ſich erinnern, daß ich aus dem Deutſchen uͤberſetze, nun wiſſen ſie wohl, daß in dieſer Sprache dergleichen Zeug nichts neues iſt. Nach- dem Guͤnther zuerſt auf eine ziemlich froſtige Weiſe auf das Gluͤcke geſtichelt, uͤberlaͤuft ihm die Galle, und er bricht gantz entruͤſtet in dieſe Worte aus: Tiens, ſagt er zu ihm, voicy tes plus beaux titres. Tu n’es qu’une girouette, une femmellette aveugle, une voie de per- dition, une garce à laquais, une ſorcière, la ſœur de la folie, une hableuſe, une trom- peuſe: & qui eſt ce qui me punira comme Athée, par ce que je te blasphême! Jch weiß wohl, daß der arme Guͤnther keine Urſache gehabt, mit dem Gluͤcke wohlzufrieden zu ſeyn; und daß er dem Colletet gleich war, von dem man ſagt, er ſey von einer Kuͤche in die andere gegangen, einen Biſſen Brod zu betteln; allein ich kan ihm, die Wahrheit zu bekennen, ſeine poͤbelhaften Ausdruͤcke nicht verzeihen, und ich moͤgte ihn wohl fragen, in welchem Lumpenhau- ſe er dieſe Schreibart an ſich genommen habe. Was vor eine Ungleichheit zwiſchen Guͤnthers Verſen, und denen, welche Rouſſau auf eben dieſes Gluͤcke geſchrieben hat! „Der Poͤbel „betet in deinem ſchlechteſten Wercke das „Wohlergehen an, er nennt dich Großmuth, „Dapferkeit, Klugheit, Standhaftigkeit: Er „beraubet die Tugend ihrer eigenſten Titel, und „leget

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung05_1742/48>, abgerufen am 21.11.2024.