[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 5. Zürich, 1742.von den deutschen Poeten. chen Alter den Muth niemahls haben werden,einen gezückten Degen zu trotzen? Jch halte sie vor vernünftiger; denn sie wissen wohl, daß keine Nation den Griechen und den Römern an kriegerischem Muth und Kunst gleich gekommen, und daß dennoch keine Nation die Wissenschaf- ten mehr geliebet hat, als diese beyden. Was soll man indessen davon dencken, daß man hier so wenig Gelegenheit hat, sich in den Künsten vollkommen zu machen, und daß man so nachlässig ist die geschickten Köpfe zu einem edeln Eifer an- zureitzen? Und was soll ich von der Verach- tung sagen, welche gewisse vornehme Herren gegen die Gelehrten haben, von den verhaßten Nahmen, womit sie dieselben belegen, und dem Schimpfe, den sie ihnen damit erweisen, daß sie dieselben mit ihren Hofnarren in eine Linie setzen? Jn Franckreich pflegt man gewisse Preise auf- Zeiget mir in Deutschland eine einzige Stif- big-
von den deutſchen Poeten. chen Alter den Muth niemahls haben werden,einen gezuͤckten Degen zu trotzen? Jch halte ſie vor vernuͤnftiger; denn ſie wiſſen wohl, daß keine Nation den Griechen und den Roͤmern an kriegeriſchem Muth und Kunſt gleich gekommen, und daß dennoch keine Nation die Wiſſenſchaf- ten mehr geliebet hat, als dieſe beyden. Was ſoll man indeſſen davon dencken, daß man hier ſo wenig Gelegenheit hat, ſich in den Kuͤnſten vollkommen zu machen, und daß man ſo nachlaͤſſig iſt die geſchickten Koͤpfe zu einem edeln Eifer an- zureitzen? Und was ſoll ich von der Verach- tung ſagen, welche gewiſſe vornehme Herren gegen die Gelehrten haben, von den verhaßten Nahmen, womit ſie dieſelben belegen, und dem Schimpfe, den ſie ihnen damit erweiſen, daß ſie dieſelben mit ihren Hofnarren in eine Linie ſetzen? Jn Franckreich pflegt man gewiſſe Preiſe auf- Zeiget mir in Deutſchland eine einzige Stif- big-
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von den deutſchen Poeten.
chen Alter den Muth niemahls haben werden,
einen gezuͤckten Degen zu trotzen? Jch halte ſie
vor vernuͤnftiger; denn ſie wiſſen wohl, daß
keine Nation den Griechen und den Roͤmern an
kriegeriſchem Muth und Kunſt gleich gekommen,
und daß dennoch keine Nation die Wiſſenſchaf-
ten mehr geliebet hat, als dieſe beyden. Was
ſoll man indeſſen davon dencken, daß man hier
ſo wenig Gelegenheit hat, ſich in den Kuͤnſten
vollkommen zu machen, und daß man ſo nachlaͤſſig
iſt die geſchickten Koͤpfe zu einem edeln Eifer an-
zureitzen? Und was ſoll ich von der Verach-
tung ſagen, welche gewiſſe vornehme Herren
gegen die Gelehrten haben, von den verhaßten
Nahmen, womit ſie dieſelben belegen, und dem
Schimpfe, den ſie ihnen damit erweiſen, daß
ſie dieſelben mit ihren Hofnarren in eine Linie
ſetzen?
Jn Franckreich pflegt man gewiſſe Preiſe auf-
zuſetzen, die Gelehrten zu einem ruͤhmlichen Wett-
ſtreit aufzumuntern; und vielleicht muntert ſie
nichts ſo ſehr auf, als die Hochachtung, in der
ſie bey der gantzen Nation ſtehen, und die Ehr-
beweiſungen, ſo ſie von den Groſſen insbeſon-
dere empfangen.
Zeiget mir in Deutſchland eine einzige Stif-
tung, wie diejenigen ſind, die wir in Franck-
reich zum Aufnehmen der Wiſſenſchaften haben.
Zeiget mir in dieſer groſſen Anzahl von fuͤrſtli-
chen Landesherren im Roͤmiſch deutſchen Reiche
drey oder vier, welche die Wiſſenſchaften oͤffent-
lich in Schutz nehmen, und mit ihrer Freyge-
big-
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