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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 6. Zürich, 1742.

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Neue Vorrede
steller P zuerst gebrochen, auch zu betreten, und
ein doppelt stärckeres und folglich theureres
Buch *, als dieses meinige ist, von der Dicht-
kunst ans Licht zu stellen. Und was das ange-
nehmste bey der gantzen Sache ist, so hat dieser
tiefsinnige Mann, seiner gelehrten Waare kei-
nen bessern und reitzernden Titel geben zu kön-
nen geglaubet, als wenn er ihn meinem Buche
abborgete , und das seinige gleichfalls eine
Critische Dichtkunst betitelte.

Jch
Als wenn er ihn meinem Buche abborgete) Der-
jenige hat, meines Erachtens, das beste Recht zu dem
Titel eines Buches, der das am gründlichsten ausgefüh-
ret hat, was der Titel eines solchen verspricht, nach dem
bekannten Axioma: Cui competit definitio, illi quoque
competit definitum.
Hr. Gottscheds Titel verspricht ei-
nen Versuch einer critischen Dichtkunst für die Deutschen.
Auf den Titel Dichtkunst hat weder Gottsched, noch je-
mand anders ein Eigenthums-Recht. Aristoteles hat
schon eine Dichtkunst verfertiget. Da nun aber die Gott-
schedische Dichtkunst nichts weniger als Critisch ist, so ver-
diente sie auch diesen Titel nicht. Hr. Gottsched bezeuget
selbst in der Vorrede: "Jch hatte mir die Regel gemacht,
"gar keinen lebenden Dichter zu tadeln oder zu critisieren:
"Daraus
P Als ein junger Schrifftsteller) Denn itzo ist er un-
gefehr dreyzehn Jahre älter, und um soviel ansehnlicher.
* Ein doppelt stärckeres und folglich theureres Buch)
Hr. Prof. Gottsched mißt die Nutzbarkeit der Bücher nach
ihrer Grösse und ihrem äusserlichen Preise, wie die Buch-
händler: Denn da sein Buch um die Helfte kleiner, und
um etwas wohlfeiler ist, so ist es auch für die deutschen
Schulen brauchbarer. Dieser locus commendationis ist
ab opposito.

Neue Vorrede
ſteller P zuerſt gebrochen, auch zu betreten, und
ein doppelt ſtaͤrckeres und folglich theureres
Buch *, als dieſes meinige iſt, von der Dicht-
kunſt ans Licht zu ſtellen. Und was das ange-
nehmſte bey der gantzen Sache iſt, ſo hat dieſer
tiefſinnige Mann, ſeiner gelehrten Waare kei-
nen beſſern und reitzernden Titel geben zu koͤn-
nen geglaubet, als wenn er ihn meinem Buche
abborgete , und das ſeinige gleichfalls eine
Critiſche Dichtkunſt betitelte.

Jch
Als wenn er ihn meinem Buche abborgete) Der-
jenige hat, meines Erachtens, das beſte Recht zu dem
Titel eines Buches, der das am gruͤndlichſten ausgefuͤh-
ret hat, was der Titel eines ſolchen verſpricht, nach dem
bekannten Axioma: Cui competit definitio, illi quoque
competit definitum.
Hr. Gottſcheds Titel verſpricht ei-
nen Verſuch einer critiſchen Dichtkunſt fuͤr die Deutſchen.
Auf den Titel Dichtkunſt hat weder Gottſched, noch je-
mand anders ein Eigenthums-Recht. Ariſtoteles hat
ſchon eine Dichtkunſt verfertiget. Da nun aber die Gott-
ſchediſche Dichtkunſt nichts weniger als Critiſch iſt, ſo ver-
diente ſie auch dieſen Titel nicht. Hr. Gottſched bezeuget
ſelbſt in der Vorrede: „Jch hatte mir die Regel gemacht,
„gar keinen lebenden Dichter zu tadeln oder zu critiſieren:
„Daraus
P Als ein junger Schrifftſteller) Denn itzo iſt er un-
gefehr dreyzehn Jahre aͤlter, und um ſoviel anſehnlicher.
* Ein doppelt ſtaͤrckeres und folglich theureres Buch)
Hr. Prof. Gottſched mißt die Nutzbarkeit der Buͤcher nach
ihrer Groͤſſe und ihrem aͤuſſerlichen Preiſe, wie die Buch-
haͤndler: Denn da ſein Buch um die Helfte kleiner, und
um etwas wohlfeiler iſt, ſo iſt es auch fuͤr die deutſchen
Schulen brauchbarer. Dieſer locus commendationis iſt
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[102/0102] Neue Vorrede ſteller P zuerſt gebrochen, auch zu betreten, und ein doppelt ſtaͤrckeres und folglich theureres Buch *, als dieſes meinige iſt, von der Dicht- kunſt ans Licht zu ſtellen. Und was das ange- nehmſte bey der gantzen Sache iſt, ſo hat dieſer tiefſinnige Mann, ſeiner gelehrten Waare kei- nen beſſern und reitzernden Titel geben zu koͤn- nen geglaubet, als wenn er ihn meinem Buche abborgete Q, und das ſeinige gleichfalls eine Critiſche Dichtkunſt betitelte. Jch P Als ein junger Schrifftſteller) Denn itzo iſt er un- gefehr dreyzehn Jahre aͤlter, und um ſoviel anſehnlicher. * Ein doppelt ſtaͤrckeres und folglich theureres Buch) Hr. Prof. Gottſched mißt die Nutzbarkeit der Buͤcher nach ihrer Groͤſſe und ihrem aͤuſſerlichen Preiſe, wie die Buch- haͤndler: Denn da ſein Buch um die Helfte kleiner, und um etwas wohlfeiler iſt, ſo iſt es auch fuͤr die deutſchen Schulen brauchbarer. Dieſer locus commendationis iſt ab oppoſito. Q Als wenn er ihn meinem Buche abborgete) Der- jenige hat, meines Erachtens, das beſte Recht zu dem Titel eines Buches, der das am gruͤndlichſten ausgefuͤh- ret hat, was der Titel eines ſolchen verſpricht, nach dem bekannten Axioma: Cui competit definitio, illi quoque competit definitum. Hr. Gottſcheds Titel verſpricht ei- nen Verſuch einer critiſchen Dichtkunſt fuͤr die Deutſchen. Auf den Titel Dichtkunſt hat weder Gottſched, noch je- mand anders ein Eigenthums-Recht. Ariſtoteles hat ſchon eine Dichtkunſt verfertiget. Da nun aber die Gott- ſchediſche Dichtkunſt nichts weniger als Critiſch iſt, ſo ver- diente ſie auch dieſen Titel nicht. Hr. Gottſched bezeuget ſelbſt in der Vorrede: „Jch hatte mir die Regel gemacht, „gar keinen lebenden Dichter zu tadeln oder zu critiſieren: „Daraus

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 6. Zürich, 1742, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung06_1742/102>, abgerufen am 27.11.2024.