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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 6. Zürich, 1742.

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Neue Vorrede
der Eifer wider ein besorgliches Uebel, welches

den
1730.)
wenn

der Gewogenheit des Hrn. Profess. G. unwürdig zu ma-
chen. Denn zuvor bis gegen das Jahr 1737. hat eben
der Gottschedische Geschmack, der sich keineswegs unter
das Joch der Critick biegen läßt, sondern die Sachen
allemahl finden kann, wie es ihn gelüstet, Miltons Ge-
dichte, und dessen Uebersetzung mit vollem Munde gelobet.
Nachdem aber der Schweitzerische Vertheidiger Miltons
diese Gewogenheit des Vormunds der deutschen Nation
verwürcket hat; und also der Grund des vorigen für ihn
so vortheilhaften Urtheils hingefallen ist, so war Hr. Gott-
sched nach der willkührlichen Freyheit seines Geschmacks
wiederum berechtiget, sein ersteres Urtheil zu wiederruffen,
und eine gleiche Sache gantz anders zu finden, als
vorhin: Denn solche Herren sind keine Sclaven ihrer Wor-
te, und wenn diese gleich hundertmahl offentlich gedruckt
wären. Jch will zum Beweißthum dessen ein paar neue
Proben anführen. Die gröste und wichtigste Veränderung,
die in dieser neuen Auflage des Gottschedischen Versuches
gemachet worden, findet sich in dem I. Cap. 25. §. nach
der alten Ausgabe auf der 85sten nach der neuern aber auf
der 86sten Seite: Jch will beyde neben einander vor Au-
gen legen, damit man sehe, wie wenig es ihm zu schaf-
fen gebe, dasjenige was er einmahl ohne Grund gelobet
hat, so bald es ihm gefällt, zu wiederruffen, und mit
eben demselben Rechte zu schelten.

[Beginn Spaltensatz]
Ausgabe von A. 1737.
Bl. 85.

Hingegen was die gros-
sen Gedichte der Alten, nem-
lich Heldengedichte, Tragö-
dien und Comödien anlangt,
so haben wir noch nicht viel
(nichts rechtes: Ausg. von

[Spaltenumbruch]
Ausgabe von A. 1742.
Bl. 86.

Was die grossen Gedichte
der Alten betrifft, so haben
wir gewiß in allen Arten et-
was
aufzuweisen, das, wo
nicht gantz vollkommen, doch
nicht so gar zu verwerffen ist,

[Ende Spaltensatz]

Neue Vorrede
der Eifer wider ein beſorgliches Uebel, welches

den
1730.)
wenn

der Gewogenheit des Hrn. Profeſſ. G. unwuͤrdig zu ma-
chen. Denn zuvor bis gegen das Jahr 1737. hat eben
der Gottſchediſche Geſchmack, der ſich keineswegs unter
das Joch der Critick biegen laͤßt, ſondern die Sachen
allemahl finden kann, wie es ihn geluͤſtet, Miltons Ge-
dichte, und deſſen Ueberſetzung mit vollem Munde gelobet.
Nachdem aber der Schweitzeriſche Vertheidiger Miltons
dieſe Gewogenheit des Vormunds der deutſchen Nation
verwuͤrcket hat; und alſo der Grund des vorigen fuͤr ihn
ſo vortheilhaften Urtheils hingefallen iſt, ſo war Hr. Gott-
ſched nach der willkuͤhrlichen Freyheit ſeines Geſchmacks
wiederum berechtiget, ſein erſteres Urtheil zu wiederruffen,
und eine gleiche Sache gantz anders zu finden, als
vorhin: Denn ſolche Herren ſind keine Sclaven ihrer Wor-
te, und wenn dieſe gleich hundertmahl offentlich gedruckt
waͤren. Jch will zum Beweißthum deſſen ein paar neue
Proben anfuͤhren. Die groͤſte und wichtigſte Veraͤnderung,
die in dieſer neuen Auflage des Gottſchediſchen Verſuches
gemachet worden, findet ſich in dem I. Cap. 25. §. nach
der alten Ausgabe auf der 85ſten nach der neuern aber auf
der 86ſten Seite: Jch will beyde neben einander vor Au-
gen legen, damit man ſehe, wie wenig es ihm zu ſchaf-
fen gebe, dasjenige was er einmahl ohne Grund gelobet
hat, ſo bald es ihm gefaͤllt, zu wiederruffen, und mit
eben demſelben Rechte zu ſchelten.

[Beginn Spaltensatz]
Ausgabe von A. 1737.
Bl. 85.

Hingegen was die groſ-
ſen Gedichte der Alten, nem-
lich Heldengedichte, Tragoͤ-
dien und Comoͤdien anlangt,
ſo haben wir noch nicht viel
(nichts rechtes: Ausg. von

[Spaltenumbruch]
Ausgabe von A. 1742.
Bl. 86.

Was die groſſen Gedichte
der Alten betrifft, ſo haben
wir gewiß in allen Arten et-
was
aufzuweiſen, das, wo
nicht gantz vollkommen, doch
nicht ſo gar zu verwerffen iſt,

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[130/0130] Neue Vorrede der Eifer wider ein beſorgliches Uebel, welches den y y der Gewogenheit des Hrn. Profeſſ. G. unwuͤrdig zu ma- chen. Denn zuvor bis gegen das Jahr 1737. hat eben der Gottſchediſche Geſchmack, der ſich keineswegs unter das Joch der Critick biegen laͤßt, ſondern die Sachen allemahl finden kann, wie es ihn geluͤſtet, Miltons Ge- dichte, und deſſen Ueberſetzung mit vollem Munde gelobet. Nachdem aber der Schweitzeriſche Vertheidiger Miltons dieſe Gewogenheit des Vormunds der deutſchen Nation verwuͤrcket hat; und alſo der Grund des vorigen fuͤr ihn ſo vortheilhaften Urtheils hingefallen iſt, ſo war Hr. Gott- ſched nach der willkuͤhrlichen Freyheit ſeines Geſchmacks wiederum berechtiget, ſein erſteres Urtheil zu wiederruffen, und eine gleiche Sache gantz anders zu finden, als vorhin: Denn ſolche Herren ſind keine Sclaven ihrer Wor- te, und wenn dieſe gleich hundertmahl offentlich gedruckt waͤren. Jch will zum Beweißthum deſſen ein paar neue Proben anfuͤhren. Die groͤſte und wichtigſte Veraͤnderung, die in dieſer neuen Auflage des Gottſchediſchen Verſuches gemachet worden, findet ſich in dem I. Cap. 25. §. nach der alten Ausgabe auf der 85ſten nach der neuern aber auf der 86ſten Seite: Jch will beyde neben einander vor Au- gen legen, damit man ſehe, wie wenig es ihm zu ſchaf- fen gebe, dasjenige was er einmahl ohne Grund gelobet hat, ſo bald es ihm gefaͤllt, zu wiederruffen, und mit eben demſelben Rechte zu ſchelten. Ausgabe von A. 1737. Bl. 85. Hingegen was die groſ- ſen Gedichte der Alten, nem- lich Heldengedichte, Tragoͤ- dien und Comoͤdien anlangt, ſo haben wir noch nicht viel (nichts rechtes: Ausg. von 1730.) Ausgabe von A. 1742. Bl. 86. Was die groſſen Gedichte der Alten betrifft, ſo haben wir gewiß in allen Arten et- was aufzuweiſen, das, wo nicht gantz vollkommen, doch nicht ſo gar zu verwerffen iſt, wenn

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 6. Zürich, 1742, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung06_1742/130>, abgerufen am 23.11.2024.