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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 6. Zürich, 1742.

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Ecloga.
Horcht, horcht, was vor Musick erfüllet das Revier,
Die Bache lispelt sanft, die Lerche füllet hier
Die Gegend mit Gesang, die holden Nachtigallen
Ermüden Wald und Feld mit steigen und mit fallen;
Wozu zulezte noch der Schafe Blöcken kömmt,
Und mehrt die frohe Lust, die Hertz und Sinnen nimmt.
Wie fremde deucht mich iezt, daß über meinem Lieben
Für so viel Melodie die Ohren taub geblieben;
Daß solche Melodie ein blosser Thon verdrang,
Wann Emma redete, wann Emma Lieder sang.
Erfülle mich, o West, mit lebendem Geruche,
Durchstreiche Berg und Thal, erforsche und besuche
Ein jedes Kraut und Blatt, wo der Wachholder riecht,
Cypreß und Quendel grünt, und wo die Erdbeer kriecht.
Der Emma Athem hat mir euch zulang' entzogen,
(Und war doch nicht so süß,) zulange mich betrogen.
Wie weich ist, wie so sanft das wolligte Gewand,
Das meine Lämmer deckt! Wie glatt das Feder-Band
An einem Dauben-Hals! Wie kühle sind im Schatten
Die Weste, welche sich mit Sonnenstrahlen gatten!
Der Schafe Woll' ist weich, der Dauben Hals ist zart,
Des Westes Schatten kühl, anbey vor Gift bewahrt:
Wie kam es, daß ich sie so lange nicht gefühlet,
Als Emmens weiche Hand mit meiner Hand gespielet;
Und
Ecloga.
Horcht, horcht, was vor Muſick erfuͤllet das Revier,
Die Bache liſpelt ſanft, die Lerche fuͤllet hier
Die Gegend mit Geſang, die holden Nachtigallen
Ermuͤden Wald und Feld mit ſteigen und mit fallen;
Wozu zulezte noch der Schafe Bloͤcken koͤmmt,
Und mehrt die frohe Luſt, die Hertz und Sinnen nimmt.
Wie fremde deucht mich iezt, daß uͤber meinem Lieben
Fuͤr ſo viel Melodie die Ohren taub geblieben;
Daß ſolche Melodie ein bloſſer Thon verdrang,
Wann Emma redete, wann Emma Lieder ſang.
Erfuͤlle mich, o Weſt, mit lebendem Geruche,
Durchſtreiche Berg und Thal, erforſche und beſuche
Ein jedes Kraut und Blatt, wo der Wachholder riecht,
Cypreß und Quendel gruͤnt, und wo die Erdbeer kriecht.
Der Emma Athem hat mir euch zulang’ entzogen,
(Und war doch nicht ſo ſuͤß,) zulange mich betrogen.
Wie weich iſt, wie ſo ſanft das wolligte Gewand,
Das meine Laͤmmer deckt! Wie glatt das Feder-Band
An einem Dauben-Hals! Wie kuͤhle ſind im Schatten
Die Weſte, welche ſich mit Sonnenſtrahlen gatten!
Der Schafe Woll’ iſt weich, der Dauben Hals iſt zart,
Des Weſtes Schatten kuͤhl, anbey vor Gift bewahrt:
Wie kam es, daß ich ſie ſo lange nicht gefuͤhlet,
Als Emmens weiche Hand mit meiner Hand geſpielet;
Und
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[141/0141] Ecloga. Horcht, horcht, was vor Muſick erfuͤllet das Revier, Die Bache liſpelt ſanft, die Lerche fuͤllet hier Die Gegend mit Geſang, die holden Nachtigallen Ermuͤden Wald und Feld mit ſteigen und mit fallen; Wozu zulezte noch der Schafe Bloͤcken koͤmmt, Und mehrt die frohe Luſt, die Hertz und Sinnen nimmt. Wie fremde deucht mich iezt, daß uͤber meinem Lieben Fuͤr ſo viel Melodie die Ohren taub geblieben; Daß ſolche Melodie ein bloſſer Thon verdrang, Wann Emma redete, wann Emma Lieder ſang. Erfuͤlle mich, o Weſt, mit lebendem Geruche, Durchſtreiche Berg und Thal, erforſche und beſuche Ein jedes Kraut und Blatt, wo der Wachholder riecht, Cypreß und Quendel gruͤnt, und wo die Erdbeer kriecht. Der Emma Athem hat mir euch zulang’ entzogen, (Und war doch nicht ſo ſuͤß,) zulange mich betrogen. Wie weich iſt, wie ſo ſanft das wolligte Gewand, Das meine Laͤmmer deckt! Wie glatt das Feder-Band An einem Dauben-Hals! Wie kuͤhle ſind im Schatten Die Weſte, welche ſich mit Sonnenſtrahlen gatten! Der Schafe Woll’ iſt weich, der Dauben Hals iſt zart, Des Weſtes Schatten kuͤhl, anbey vor Gift bewahrt: Wie kam es, daß ich ſie ſo lange nicht gefuͤhlet, Als Emmens weiche Hand mit meiner Hand geſpielet; Und

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 6. Zürich, 1742, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung06_1742/141>, abgerufen am 14.05.2024.