Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 6. Zürich, 1742.

Bild:
<< vorherige Seite

des deutschen Witzes.
auf eine geschickte Art ihrem Ernst gemäß vor-
gestellet werden könne? Wer kan den Deutschen
ohne Unbilligkeit zulegen, daß sie die Poesie an
ihr selbst vor etwas so lustiges halten, daß ernst-
hafte Sachen, wenn sie darinnen ihrer Würde
nach eingekleidet werden, mit einer lächerlichen
Lustigkeit angestecket werden? Daß sie glauben,
etwas göttliches, das mit dem Schmack der
Poesie angethan wird, werde dadurch zur Fa-
bel gemachet? Was izo die fürchterlichen We-
sen anlanget, die Milton zu den Gegenständen
seiner poetischen Handlungen gemachet hat, wa-
rum sollten die witzigen und vernunftreichen
Sachsen, oder andere Deutschen sie aus dem
Gedichte verbannen? Vielleicht wegen ihres er-
schrecklichen Aussehens, und ihrer teuflischen Un-
ternehmungen? Allein sie sind zu tapfer, als
daß ihnen vor einem Blicke des Teufels und sei-
ner Engel grauen sollte; sie dürffen diesen Fein-
den des menschlichen Geschlechts mit einer sol-
chen Mine unter Augen stehen, mit welcher sie
schon vor Alters die Gallier aus dem Felde ge-
jaget, wie Cäsar bezeuget, saepenumero Gallos
cum Germanis congressos ne vultum quidem eorum
atque aciem oculorum ferre potuisse.
Wem es
unter ihnen an Muth mangelt, und wen die
boshaften Unternehmungen Satans besorgt ma-
chen, der weis sich nach der Vorschrift der Re-
ligion im Glauben und Leben, mit Lehre und

Wan,
schel nur eine Stelle zeigen, wo Milton seine ernsthaftesten
Wesen nicht nach ihrem wahren Character hätte reden und
handeln lassen.

des deutſchen Witzes.
auf eine geſchickte Art ihrem Ernſt gemaͤß vor-
geſtellet werden koͤnne? Wer kan den Deutſchen
ohne Unbilligkeit zulegen, daß ſie die Poeſie an
ihr ſelbſt vor etwas ſo luſtiges halten, daß ernſt-
hafte Sachen, wenn ſie darinnen ihrer Wuͤrde
nach eingekleidet werden, mit einer laͤcherlichen
Luſtigkeit angeſtecket werden? Daß ſie glauben,
etwas goͤttliches, das mit dem Schmack der
Poeſie angethan wird, werde dadurch zur Fa-
bel gemachet? Was izo die fuͤrchterlichen We-
ſen anlanget, die Milton zu den Gegenſtaͤnden
ſeiner poetiſchen Handlungen gemachet hat, wa-
rum ſollten die witzigen und vernunftreichen
Sachſen, oder andere Deutſchen ſie aus dem
Gedichte verbannen? Vielleicht wegen ihres er-
ſchrecklichen Ausſehens, und ihrer teufliſchen Un-
ternehmungen? Allein ſie ſind zu tapfer, als
daß ihnen vor einem Blicke des Teufels und ſei-
ner Engel grauen ſollte; ſie duͤrffen dieſen Fein-
den des menſchlichen Geſchlechts mit einer ſol-
chen Mine unter Augen ſtehen, mit welcher ſie
ſchon vor Alters die Gallier aus dem Felde ge-
jaget, wie Caͤſar bezeuget, ſæpenumero Gallos
cum Germanis congreſſos ne vultum quidem eorum
atque aciem oculorum ferre potuiſſe.
Wem es
unter ihnen an Muth mangelt, und wen die
boshaften Unternehmungen Satans beſorgt ma-
chen, der weis ſich nach der Vorſchrift der Re-
ligion im Glauben und Leben, mit Lehre und

Wan,
ſchel nur eine Stelle zeigen, wo Milton ſeine ernſthafteſten
Weſen nicht nach ihrem wahren Character haͤtte reden und
handeln laſſen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0063" n="63"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">des deut&#x017F;chen Witzes.</hi></fw><lb/>
auf eine ge&#x017F;chickte Art ihrem Ern&#x017F;t gema&#x0364;ß vor-<lb/>
ge&#x017F;tellet werden ko&#x0364;nne? Wer kan den Deut&#x017F;chen<lb/>
ohne Unbilligkeit zulegen, daß &#x017F;ie die Poe&#x017F;ie an<lb/>
ihr &#x017F;elb&#x017F;t vor etwas &#x017F;o lu&#x017F;tiges halten, daß ern&#x017F;t-<lb/>
hafte Sachen, wenn &#x017F;ie darinnen ihrer Wu&#x0364;rde<lb/>
nach eingekleidet werden, mit einer la&#x0364;cherlichen<lb/>
Lu&#x017F;tigkeit ange&#x017F;tecket werden? Daß &#x017F;ie glauben,<lb/>
etwas go&#x0364;ttliches, das mit dem Schmack der<lb/>
Poe&#x017F;ie angethan wird, werde dadurch zur Fa-<lb/>
bel gemachet? Was izo die fu&#x0364;rchterlichen We-<lb/>
&#x017F;en anlanget, die Milton zu den Gegen&#x017F;ta&#x0364;nden<lb/>
&#x017F;einer poeti&#x017F;chen Handlungen gemachet hat, wa-<lb/>
rum &#x017F;ollten die witzigen und vernunftreichen<lb/>
Sach&#x017F;en, oder andere Deut&#x017F;chen &#x017F;ie aus dem<lb/>
Gedichte verbannen? Vielleicht wegen ihres er-<lb/>
&#x017F;chrecklichen Aus&#x017F;ehens, und ihrer teufli&#x017F;chen Un-<lb/>
ternehmungen? Allein &#x017F;ie &#x017F;ind zu tapfer, als<lb/>
daß ihnen vor einem Blicke des Teufels und &#x017F;ei-<lb/>
ner Engel grauen &#x017F;ollte; &#x017F;ie du&#x0364;rffen die&#x017F;en Fein-<lb/>
den des men&#x017F;chlichen Ge&#x017F;chlechts mit einer &#x017F;ol-<lb/>
chen Mine unter Augen &#x017F;tehen, mit welcher &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;chon vor Alters die Gallier aus dem Felde ge-<lb/>
jaget, wie Ca&#x0364;&#x017F;ar bezeuget, <hi rendition="#aq">&#x017F;æpenumero Gallos<lb/>
cum Germanis congre&#x017F;&#x017F;os ne vultum quidem eorum<lb/>
atque aciem oculorum ferre potui&#x017F;&#x017F;e.</hi> Wem es<lb/>
unter ihnen an Muth mangelt, und wen die<lb/>
boshaften Unternehmungen Satans be&#x017F;orgt ma-<lb/>
chen, der weis &#x017F;ich nach der Vor&#x017F;chrift der Re-<lb/>
ligion im Glauben und Leben, mit Lehre und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Wan,</fw><lb/><note xml:id="f18" prev="#f17" place="foot" n="(*)">&#x017F;chel nur eine Stelle zeigen, wo Milton &#x017F;eine ern&#x017F;thafte&#x017F;ten<lb/>
We&#x017F;en nicht nach ihrem wahren Character ha&#x0364;tte reden und<lb/>
handeln la&#x017F;&#x017F;en.</note><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0063] des deutſchen Witzes. auf eine geſchickte Art ihrem Ernſt gemaͤß vor- geſtellet werden koͤnne? Wer kan den Deutſchen ohne Unbilligkeit zulegen, daß ſie die Poeſie an ihr ſelbſt vor etwas ſo luſtiges halten, daß ernſt- hafte Sachen, wenn ſie darinnen ihrer Wuͤrde nach eingekleidet werden, mit einer laͤcherlichen Luſtigkeit angeſtecket werden? Daß ſie glauben, etwas goͤttliches, das mit dem Schmack der Poeſie angethan wird, werde dadurch zur Fa- bel gemachet? Was izo die fuͤrchterlichen We- ſen anlanget, die Milton zu den Gegenſtaͤnden ſeiner poetiſchen Handlungen gemachet hat, wa- rum ſollten die witzigen und vernunftreichen Sachſen, oder andere Deutſchen ſie aus dem Gedichte verbannen? Vielleicht wegen ihres er- ſchrecklichen Ausſehens, und ihrer teufliſchen Un- ternehmungen? Allein ſie ſind zu tapfer, als daß ihnen vor einem Blicke des Teufels und ſei- ner Engel grauen ſollte; ſie duͤrffen dieſen Fein- den des menſchlichen Geſchlechts mit einer ſol- chen Mine unter Augen ſtehen, mit welcher ſie ſchon vor Alters die Gallier aus dem Felde ge- jaget, wie Caͤſar bezeuget, ſæpenumero Gallos cum Germanis congreſſos ne vultum quidem eorum atque aciem oculorum ferre potuiſſe. Wem es unter ihnen an Muth mangelt, und wen die boshaften Unternehmungen Satans beſorgt ma- chen, der weis ſich nach der Vorſchrift der Re- ligion im Glauben und Leben, mit Lehre und Wan, (*) (*) ſchel nur eine Stelle zeigen, wo Milton ſeine ernſthafteſten Weſen nicht nach ihrem wahren Character haͤtte reden und handeln laſſen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung06_1742
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung06_1742/63
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 6. Zürich, 1742, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung06_1742/63>, abgerufen am 23.11.2024.