[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 6. Zürich, 1742.Echo den Mährgen einen gewissen Grund des Wahr-scheinlichen haben wollen, der sich auf einen all- gemeinen Wahn, einen Glauben oder Aberglau- ben, einen Betrug der Sinnen, oder der Ein- bildung, oder etwas dergleichen beziehen muß; worauf der Dichter seine Fabel aufführen, und in dem Zusammenhange nichts muß einfliessen lassen, welches wider sich selbst anstosse. Diese würden ihm rathen, mit seinem eckeln Geschma- ke und unwahrscheinlichen Siebensachen nach An- ticyra zu reisen, eh er Mährgen schriebe. Der Hr. Mag. weiß im Verfolge so geschickt hypothe-
Echo den Maͤhrgen einen gewiſſen Grund des Wahr-ſcheinlichen haben wollen, der ſich auf einen all- gemeinen Wahn, einen Glauben oder Aberglau- ben, einen Betrug der Sinnen, oder der Ein- bildung, oder etwas dergleichen beziehen muß; worauf der Dichter ſeine Fabel auffuͤhren, und in dem Zuſammenhange nichts muß einflieſſen laſſen, welches wider ſich ſelbſt anſtoſſe. Dieſe wuͤrden ihm rathen, mit ſeinem eckeln Geſchma- ke und unwahrſcheinlichen Siebenſachen nach An- ticyra zu reiſen, eh er Maͤhrgen ſchriebe. Der Hr. Mag. weiß im Verfolge ſo geſchickt hypothe-
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Echo
den Maͤhrgen einen gewiſſen Grund des Wahr-
ſcheinlichen haben wollen, der ſich auf einen all-
gemeinen Wahn, einen Glauben oder Aberglau-
ben, einen Betrug der Sinnen, oder der Ein-
bildung, oder etwas dergleichen beziehen muß;
worauf der Dichter ſeine Fabel auffuͤhren, und
in dem Zuſammenhange nichts muß einflieſſen
laſſen, welches wider ſich ſelbſt anſtoſſe. Dieſe
wuͤrden ihm rathen, mit ſeinem eckeln Geſchma-
ke und unwahrſcheinlichen Siebenſachen nach An-
ticyra zu reiſen, eh er Maͤhrgen ſchriebe.
Der Hr. Mag. weiß im Verfolge ſo geſchickt
zu unterſcheiden, daß er zwiſchen Erzehlungen
von Feyen, und epiſchen Gedichten einen Un-
terſchied feſtſetzet. Er iſt gegen dieſe leztern eben
ſo hart und ſteif, als er gegen die erſtern weich-
muͤthig geweſen. Am verlohrnen Paradieſe,
in einem dafuͤr ausgegebenen vollſtaͤndigen Hel-
dengedichte kan er ſolche Siebenſachen nicht
vertragen. Und er findet noͤthig, uns den Grund
ſeiner Meinung zu ſagen, damit man ſehe, daß
er nicht aus Dummheit/ ſondern aus Ueberle-
gung handle, denn es ahnet ihm, daß jemand
das erſtere von ihm glauben moͤgte; mith in muß
er uns ſelbſt bekennen, er wiſſe nicht, ob die
menſchliche oder deutſche Natur ihn ſeinen Satz
gelehrt habe. Dieſer wird von ihm alſo gegeben:
Alles ſey nicht unter allen Umſtaͤnden gleich
wahrſcheinlich. Ein geiſtiger Athos wuͤrde in
den Hexenmaͤhrchen geduldet werden koͤnnen/
weil man gar keine wuͤrckliche und abſolute
Wahrſcheinlichkeit darinnen ſuche/ aber doch
hypothe-
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