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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 7. Zürich, 1743.

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für die epische Poesie.


Die Sitten der Zeiten, die Studien und Ge-
werbe, die im Schwang gehen, und dem der
es darinnen weit gebracht hat, am meisten
Ehre bringen, können gleicherweise ihre grossen
Vortheile für einen Poeten haben. Sie richten
sich nach dem Glükesstande einer Nation. Die
Künste, die in dem Leben den grössesten Nutzen
haben, welche nemlich unsrer natürlichen Bedürff-
niß zu Statten kommen, und unsre Personen, unsre
Haab und Gut in Sicherheit setzen, machen vor
allen andern ihre Erfinder berühmt; und mit
weiterm Verlaufe der Zeit, wenn der Reichthum
in ein Land gekommen ist, ziehen die Künstler
in wollüstigen Dingen, und die Meister in präch-
tigen Gebäuden, unsre Augen auf sich. Wo
noch der erste von diesen beyden Umständen die
Oberhand hat, behütet er den Poeten vor zwey
Uebeln, welchen Longinus den Verfall der Poe-
sie Schuld giebt, nemlich einer unersättlichen Be-
gierde nach Reichthum, und der Liebe zur Wol-
lust. Was vor ein grosser Vortheil ist es in
der That vor einen Poeten, zu dessen Zeiten
die Waffen das rühmlichste Handwerk sind, und
ein patriotischer Geist der beliebteste Character ist?
Wo man nothwendig dergleichen haben muß;
wo der Mann, der seine Stadt heldenmüthig
beschützt, sein Gebiethe erweitert hatte, oder für
das Vaterland gestorben war, göttliche Ehre er-
langet? Wo Liebe der Freyheit, und Verachtung
des Todes mit ihrem herrlichsten Gefolge, der

Ehre,
B 2
fuͤr die epiſche Poeſie.


Die Sitten der Zeiten, die Studien und Ge-
werbe, die im Schwang gehen, und dem der
es darinnen weit gebracht hat, am meiſten
Ehre bringen, koͤnnen gleicherweiſe ihre groſſen
Vortheile fuͤr einen Poeten haben. Sie richten
ſich nach dem Gluͤkesſtande einer Nation. Die
Kuͤnſte, die in dem Leben den groͤſſeſten Nutzen
haben, welche nemlich unſrer natuͤrlichen Beduͤrff-
niß zu Statten kommen, und unſre Perſonen, unſre
Haab und Gut in Sicherheit ſetzen, machen vor
allen andern ihre Erfinder beruͤhmt; und mit
weiterm Verlaufe der Zeit, wenn der Reichthum
in ein Land gekommen iſt, ziehen die Kuͤnſtler
in wolluͤſtigen Dingen, und die Meiſter in praͤch-
tigen Gebaͤuden, unſre Augen auf ſich. Wo
noch der erſte von dieſen beyden Umſtaͤnden die
Oberhand hat, behuͤtet er den Poeten vor zwey
Uebeln, welchen Longinus den Verfall der Poe-
ſie Schuld giebt, nemlich einer unerſaͤttlichen Be-
gierde nach Reichthum, und der Liebe zur Wol-
luſt. Was vor ein groſſer Vortheil iſt es in
der That vor einen Poeten, zu deſſen Zeiten
die Waffen das ruͤhmlichſte Handwerk ſind, und
ein patriotiſcher Geiſt der beliebteſte Character iſt?
Wo man nothwendig dergleichen haben muß;
wo der Mann, der ſeine Stadt heldenmuͤthig
beſchuͤtzt, ſein Gebiethe erweitert hatte, oder fuͤr
das Vaterland geſtorben war, goͤttliche Ehre er-
langet? Wo Liebe der Freyheit, und Verachtung
des Todes mit ihrem herrlichſten Gefolge, der

Ehre,
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[19/0019] fuͤr die epiſche Poeſie. Die Sitten der Zeiten, die Studien und Ge- werbe, die im Schwang gehen, und dem der es darinnen weit gebracht hat, am meiſten Ehre bringen, koͤnnen gleicherweiſe ihre groſſen Vortheile fuͤr einen Poeten haben. Sie richten ſich nach dem Gluͤkesſtande einer Nation. Die Kuͤnſte, die in dem Leben den groͤſſeſten Nutzen haben, welche nemlich unſrer natuͤrlichen Beduͤrff- niß zu Statten kommen, und unſre Perſonen, unſre Haab und Gut in Sicherheit ſetzen, machen vor allen andern ihre Erfinder beruͤhmt; und mit weiterm Verlaufe der Zeit, wenn der Reichthum in ein Land gekommen iſt, ziehen die Kuͤnſtler in wolluͤſtigen Dingen, und die Meiſter in praͤch- tigen Gebaͤuden, unſre Augen auf ſich. Wo noch der erſte von dieſen beyden Umſtaͤnden die Oberhand hat, behuͤtet er den Poeten vor zwey Uebeln, welchen Longinus den Verfall der Poe- ſie Schuld giebt, nemlich einer unerſaͤttlichen Be- gierde nach Reichthum, und der Liebe zur Wol- luſt. Was vor ein groſſer Vortheil iſt es in der That vor einen Poeten, zu deſſen Zeiten die Waffen das ruͤhmlichſte Handwerk ſind, und ein patriotiſcher Geiſt der beliebteſte Character iſt? Wo man nothwendig dergleichen haben muß; wo der Mann, der ſeine Stadt heldenmuͤthig beſchuͤtzt, ſein Gebiethe erweitert hatte, oder fuͤr das Vaterland geſtorben war, goͤttliche Ehre er- langet? Wo Liebe der Freyheit, und Verachtung des Todes mit ihrem herrlichſten Gefolge, der Ehre, B 2

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 7. Zürich, 1743, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung07_1743/19>, abgerufen am 23.11.2024.