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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 7. Zürich, 1743.

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Von der Poesie
"herrscher des Aufganges und der edlen Per-
"ser, welcher neun hundert tausend Mann
"wider die Griechen angeführt, als er sehr
"grossen Verlust zur See gelitten, sey er so
"sehr ergrimmet, daß er das Meer habe geis-
"sein lassen, und Ketten darein geworffen,
"es zu stillen, und es nach seinem Willen zu
"fesseln. Aber dieser Hohn half ihm nichts,
"er floh davon. Desgleichen höret man von
"Venedig, daß sie das Meer ihnen gnädig
"zu machen, jährlich einen Ring hineinwerf-
"fen, damit es sie wie eine Braut umfienge.
"Aber wie oft hat es sich mit Uebergüssen feind-
"lich gegen ihnen erwiesen? Wenn sie auch
"ihrer Gemahlin wohl traueten, was dörfften
"sie viel Dämme um dasselbe bauen? Des-
"halben hat man eine gewissere Weise die
"Wasser und Flüsse zu zähmen, daß sie ge-
"schlacht und gefolgig werden, und die Leute
"ohne Beschwerden fertigen, handfeste Ar-
"beitsamkeit, und standhafte Unverdrossenheit,
"durch rudern, stossen, schalten, etc.

Dieses Gedichte ist durchgehends ernsthaf-
tig, und man trifft nicht eine schmutzige Zeile
darinnen an, die einem sittsamen Leser an-
stössig seyn möchte. Man weis sonst wie hoch
es Fischart in der cynischen Sprache gebracht
hat. Jn seiner freyen Uebersetzung des Gar-
gantua hat er den Rabelais selbst, den Va-
ter der Lotterbübischen Schreibart, beynahe
übertroffen.

Wenn
Von der Poeſie
„herrſcher des Aufganges und der edlen Per-
„ſer, welcher neun hundert tauſend Mann
„wider die Griechen angefuͤhrt, als er ſehr
„groſſen Verluſt zur See gelitten, ſey er ſo
„ſehr ergrimmet, daß er das Meer habe geiſ-
„ſein laſſen, und Ketten darein geworffen,
„es zu ſtillen, und es nach ſeinem Willen zu
„feſſeln. Aber dieſer Hohn half ihm nichts,
„er floh davon. Desgleichen hoͤret man von
„Venedig, daß ſie das Meer ihnen gnaͤdig
„zu machen, jaͤhrlich einen Ring hineinwerf-
„fen, damit es ſie wie eine Braut umfienge.
„Aber wie oft hat es ſich mit Ueberguͤſſen feind-
„lich gegen ihnen erwieſen? Wenn ſie auch
„ihrer Gemahlin wohl traueten, was doͤrfften
„ſie viel Daͤmme um daſſelbe bauen? Des-
„halben hat man eine gewiſſere Weiſe die
„Waſſer und Fluͤſſe zu zaͤhmen, daß ſie ge-
„ſchlacht und gefolgig werden, und die Leute
„ohne Beſchwerden fertigen, handfeſte Ar-
„beitſamkeit, und ſtandhafte Unverdroſſenheit,
„durch rudern, ſtoſſen, ſchalten, ꝛc.

Dieſes Gedichte iſt durchgehends ernſthaf-
tig, und man trifft nicht eine ſchmutzige Zeile
darinnen an, die einem ſittſamen Leſer an-
ſtoͤſſig ſeyn moͤchte. Man weis ſonſt wie hoch
es Fiſchart in der cyniſchen Sprache gebracht
hat. Jn ſeiner freyen Ueberſetzung des Gar-
gantua hat er den Rabelais ſelbſt, den Va-
ter der Lotterbuͤbiſchen Schreibart, beynahe
uͤbertroffen.

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[72/0072] Von der Poeſie „herrſcher des Aufganges und der edlen Per- „ſer, welcher neun hundert tauſend Mann „wider die Griechen angefuͤhrt, als er ſehr „groſſen Verluſt zur See gelitten, ſey er ſo „ſehr ergrimmet, daß er das Meer habe geiſ- „ſein laſſen, und Ketten darein geworffen, „es zu ſtillen, und es nach ſeinem Willen zu „feſſeln. Aber dieſer Hohn half ihm nichts, „er floh davon. Desgleichen hoͤret man von „Venedig, daß ſie das Meer ihnen gnaͤdig „zu machen, jaͤhrlich einen Ring hineinwerf- „fen, damit es ſie wie eine Braut umfienge. „Aber wie oft hat es ſich mit Ueberguͤſſen feind- „lich gegen ihnen erwieſen? Wenn ſie auch „ihrer Gemahlin wohl traueten, was doͤrfften „ſie viel Daͤmme um daſſelbe bauen? Des- „halben hat man eine gewiſſere Weiſe die „Waſſer und Fluͤſſe zu zaͤhmen, daß ſie ge- „ſchlacht und gefolgig werden, und die Leute „ohne Beſchwerden fertigen, handfeſte Ar- „beitſamkeit, und ſtandhafte Unverdroſſenheit, „durch rudern, ſtoſſen, ſchalten, ꝛc. Dieſes Gedichte iſt durchgehends ernſthaf- tig, und man trifft nicht eine ſchmutzige Zeile darinnen an, die einem ſittſamen Leſer an- ſtoͤſſig ſeyn moͤchte. Man weis ſonſt wie hoch es Fiſchart in der cyniſchen Sprache gebracht hat. Jn ſeiner freyen Ueberſetzung des Gar- gantua hat er den Rabelais ſelbſt, den Va- ter der Lotterbuͤbiſchen Schreibart, beynahe uͤbertroffen. Wenn

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 7. Zürich, 1743, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung07_1743/72>, abgerufen am 24.11.2024.