[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 8. Zürich, 1743.Von der Poesie etc. gemertzet, und neuere dafür gesetzet worden.Viel Poesie finden wir darinnen nicht, der Verfasser hat eintzig auf das Spruchreiche, und Deutliche gesehen; doch können wir auch einige lebhafte Stellen auszeichnen: Wo sind die nun, der Rom erst was? Auf ihrem Palast waechset Gras. Wie lieb der Mensch lebendig sey, Er ist nach Tod Beywohnung frey. Der Bauch ist gar ein boeser Sack Er verhoent aller Würtze Geschmack. Wer Muscatnuss nimt in den Mund Und es wieder austhet zu Stund; Sie waer ihm darnach ungezaem, Daß er sie in Mund wieder naem. Seit wir uns selber widerstahn, Wer soll uns dann vor sauber han? Zu der Seelen drey Strassen gahn, Die dem Tod allzeit offen stahn. Wer in Sünden erlieget todt, Des Seel wird leiden ewig Not. Die ander ist, wer übel thut Und sich bedünkt dennoch syn gut. Die dritt Strass ist so breit und weit Dass all Welt darauf geht allzeit. Die Welt mit Falschheit wircken thut Ein Band, das zeucht zur Hoellen Glut. Criti-
Von der Poeſie ꝛc. gemertzet, und neuere dafuͤr geſetzet worden.Viel Poeſie finden wir darinnen nicht, der Verfaſſer hat eintzig auf das Spruchreiche, und Deutliche geſehen; doch koͤnnen wir auch einige lebhafte Stellen auszeichnen: Wo ſind die nun, der Rom erſt was? Auf ihrem Palaſt wæchſet Gras. Wie lieb der Menſch lebendig ſey, Er iſt nach Tod Beywohnung frey. Der Bauch iſt gar ein bœſer Sack Er verhœnt aller Würtze Geſchmack. Wer Muſcatnuſs nimt in den Mund Und es wieder austhet zu Stund; Sie wær ihm darnach ungezæm, Daß er ſie in Mund wieder næm. Seit wir uns ſelber widerſtahn, Wer ſoll uns dann vor ſauber han? Zu der Seelen drey Straſſen gahn, Die dem Tod allzeit offen ſtahn. Wer in Sünden erlieget todt, Des Seel wird leiden ewig Not. Die ander iſt, wer übel thut Und ſich bedünkt dennoch ſyn gut. Die dritt Straſs iſt ſo breit und weit Daſs all Welt darauf geht allzeit. Die Welt mit Falſchheit wircken thut Ein Band, das zeucht zur Hœllen Glut. Criti-
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Von der Poeſie ꝛc.
gemertzet, und neuere dafuͤr geſetzet worden.
Viel Poeſie finden wir darinnen nicht, der
Verfaſſer hat eintzig auf das Spruchreiche,
und Deutliche geſehen; doch koͤnnen wir auch
einige lebhafte Stellen auszeichnen:
Wo ſind die nun, der Rom erſt was?
Auf ihrem Palaſt wæchſet Gras.
Wie lieb der Menſch lebendig ſey,
Er iſt nach Tod Beywohnung frey.
Der Bauch iſt gar ein bœſer Sack
Er verhœnt aller Würtze Geſchmack.
Wer Muſcatnuſs nimt in den Mund
Und es wieder austhet zu Stund;
Sie wær ihm darnach ungezæm,
Daß er ſie in Mund wieder næm.
Seit wir uns ſelber widerſtahn,
Wer ſoll uns dann vor ſauber han?
Zu der Seelen drey Straſſen gahn,
Die dem Tod allzeit offen ſtahn.
Wer in Sünden erlieget todt,
Des Seel wird leiden ewig Not.
Die ander iſt, wer übel thut
Und ſich bedünkt dennoch ſyn gut.
Die dritt Straſs iſt ſo breit und weit
Daſs all Welt darauf geht allzeit.
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