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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 8. Zürich, 1743.

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Von der Poesie
"sey; auch warum so viele Thoren sind; was
"vor Freude und Ehre die Weisheit hat, und wie
"besorglich sie dem Narren steht. Hier findet
"man den gantzen Lauf der Welt, so daß das
"Buch zum Kauf gut werden muß. Man findet
"hier Narren, wie man will, zum Schimpfe,
"zum Ernst, und zu allem Spiele. Ein Wei-
"ser findet was ihn erfreuet, ein Narr redet
"gern von seinen Brüdern. Man findet hier
"arme und reiche Thoren, schlimm schlemm, ein
"jeder findet hier seines gleichen.

Es zeigt ein unerschrokenes Gewissen, ein starckes
Vertrauen auf die Wahrheit, und eine grosse
Liebe für die Besserung des Nebenmenschen, wie
er sich über die Vorstellung der gefährlichen Ar-
beit Satyren zu schreiben, tröstet.

"Jch schneide
"hier manchem Manne eine Kappe, der sich doch
"dessen nichts annimmt. Hätte ich ihn bey sei-
"nem Nahmen genannt, so hätte er gesagt, ich
"hätte ihn nicht erkennt. Doch hoffe ich, daß
"die Weisen ein Wolgefallen daran haben, und
"aus ihrer Wissendheit sagen werden, daß ich
"recht und wahr gesagt habe. Nachdem ich
"von den Narren solche Kundschaft habe, so
"gebe ich einen Squizzo von ihnen, sie müssen
"alle die Wahrheit hören, ob sie ihnen gleich nicht
"gefällt; wie Terentius wohl spricht, daß wer die
"Wahrheit sagt, Haß verdiene. Und wer sich
"lange schneutzt, der wirft etwann Blut von
"sich; und wann man die Coleram anreget, so
"wird gar oft die Galle beweget. Darum achte
"ich es nicht, ob man mich schon mit Worten
"hinter-
Von der Poeſie
„ſey; auch warum ſo viele Thoren ſind; was
„vor Freude und Ehre die Weisheit hat, und wie
„beſorglich ſie dem Narren ſteht. Hier findet
„man den gantzen Lauf der Welt, ſo daß das
„Buch zum Kauf gut werden muß. Man findet
„hier Narren, wie man will, zum Schimpfe,
„zum Ernſt, und zu allem Spiele. Ein Wei-
„ſer findet was ihn erfreuet, ein Narr redet
„gern von ſeinen Bruͤdern. Man findet hier
„arme und reiche Thoren, ſchlimm ſchlemm, ein
„jeder findet hier ſeines gleichen.

Es zeigt ein unerſchrokenes Gewiſſen, ein ſtarckes
Vertrauen auf die Wahrheit, und eine groſſe
Liebe fuͤr die Beſſerung des Nebenmenſchen, wie
er ſich uͤber die Vorſtellung der gefaͤhrlichen Ar-
beit Satyren zu ſchreiben, troͤſtet.

„Jch ſchneide
„hier manchem Manne eine Kappe, der ſich doch
„deſſen nichts annimmt. Haͤtte ich ihn bey ſei-
„nem Nahmen genannt, ſo haͤtte er geſagt, ich
„haͤtte ihn nicht erkennt. Doch hoffe ich, daß
„die Weiſen ein Wolgefallen daran haben, und
„aus ihrer Wiſſendheit ſagen werden, daß ich
„recht und wahr geſagt habe. Nachdem ich
„von den Narren ſolche Kundſchaft habe, ſo
„gebe ich einen Squizzo von ihnen, ſie muͤſſen
„alle die Wahrheit hoͤren, ob ſie ihnen gleich nicht
„gefaͤllt; wie Terentius wohl ſpricht, daß wer die
„Wahrheit ſagt, Haß verdiene. Und wer ſich
„lange ſchneutzt, der wirft etwann Blut von
„ſich; und wann man die Coleram anreget, ſo
„wird gar oft die Galle beweget. Darum achte
„ich es nicht, ob man mich ſchon mit Worten
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[6/0006] Von der Poeſie „ſey; auch warum ſo viele Thoren ſind; was „vor Freude und Ehre die Weisheit hat, und wie „beſorglich ſie dem Narren ſteht. Hier findet „man den gantzen Lauf der Welt, ſo daß das „Buch zum Kauf gut werden muß. Man findet „hier Narren, wie man will, zum Schimpfe, „zum Ernſt, und zu allem Spiele. Ein Wei- „ſer findet was ihn erfreuet, ein Narr redet „gern von ſeinen Bruͤdern. Man findet hier „arme und reiche Thoren, ſchlimm ſchlemm, ein „jeder findet hier ſeines gleichen. Es zeigt ein unerſchrokenes Gewiſſen, ein ſtarckes Vertrauen auf die Wahrheit, und eine groſſe Liebe fuͤr die Beſſerung des Nebenmenſchen, wie er ſich uͤber die Vorſtellung der gefaͤhrlichen Ar- beit Satyren zu ſchreiben, troͤſtet. „Jch ſchneide „hier manchem Manne eine Kappe, der ſich doch „deſſen nichts annimmt. Haͤtte ich ihn bey ſei- „nem Nahmen genannt, ſo haͤtte er geſagt, ich „haͤtte ihn nicht erkennt. Doch hoffe ich, daß „die Weiſen ein Wolgefallen daran haben, und „aus ihrer Wiſſendheit ſagen werden, daß ich „recht und wahr geſagt habe. Nachdem ich „von den Narren ſolche Kundſchaft habe, ſo „gebe ich einen Squizzo von ihnen, ſie muͤſſen „alle die Wahrheit hoͤren, ob ſie ihnen gleich nicht „gefaͤllt; wie Terentius wohl ſpricht, daß wer die „Wahrheit ſagt, Haß verdiene. Und wer ſich „lange ſchneutzt, der wirft etwann Blut von „ſich; und wann man die Coleram anreget, ſo „wird gar oft die Galle beweget. Darum achte „ich es nicht, ob man mich ſchon mit Worten „hinter-

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 8. Zürich, 1743, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung08_1743/6>, abgerufen am 28.04.2024.