[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 9. Zürich, 1749.bey Ankunft Martin Opitzens. weiter erzehlet, so mit Verwunderung zu le-sen, wissen alle Gelehrte, wie von Anfang her auf eben diese Kunst so viel gehalten worden, daß man die Poeten eine heimliche Zusammen- kunfft und Verbündnuß mit den Göttern zu haben geargwohnet, und ihre Schrifften als Orackel und Propheceyungen gehalten hat. Jtem, daß Homerus der Brunnen-Quell und Ursprung aller Weißheit zu seyn geschätzet wor- den. Daß der grosse Alexander, deßgleichen die Sonne nicht beschienen, eben dieses Ho- meri Gedichte allezeit unter sein Hauptküssen gelegt, und auf so einem edlen Schatz wohl zu ruhen vermeinet. Daß vorgegeben wor- den, Orpheus, weil er durch dieses Mittel die noch unbezwungene und verwildete Hertzen zu guten Sitten und der Tugend angewiesen, habe die unbändigen Thiere samt Bergen, Wüsten und Wäldern mit seinem Gesang be- weget. Und was sonsten hin und wieder bey den Griechen zu finden. Bey den Römern auch ist Virgilius in solch Ansehen kommen, daß, wie Quintilianus, oder wer er ist, mel- det, als man etliche seiner Verse offentlich ver- lesen, das gantze Volck aus sonderlicher Wür- digung aufgestanden, und daß ihm, wann er gegenwärtig gewesen, solche Ehr als Käyser Augusto selbst widerfahren sey. Daß ich des weisen Moysis Lobgesanges, der Psalmen, des hohen B 5
bey Ankunft Martin Opitzens. weiter erzehlet, ſo mit Verwunderung zu le-ſen, wiſſen alle Gelehrte, wie von Anfang her auf eben dieſe Kunſt ſo viel gehalten worden, daß man die Poeten eine heimliche Zuſammen- kunfft und Verbuͤndnuß mit den Goͤttern zu haben geargwohnet, und ihre Schrifften als Orackel und Propheceyungen gehalten hat. Jtem, daß Homerus der Brunnen-Quell und Urſprung aller Weißheit zu ſeyn geſchaͤtzet wor- den. Daß der groſſe Alexander, deßgleichen die Sonne nicht beſchienen, eben dieſes Ho- meri Gedichte allezeit unter ſein Hauptkuͤſſen gelegt, und auf ſo einem edlen Schatz wohl zu ruhen vermeinet. Daß vorgegeben wor- den, Orpheus, weil er durch dieſes Mittel die noch unbezwungene und verwildete Hertzen zu guten Sitten und der Tugend angewieſen, habe die unbaͤndigen Thiere ſamt Bergen, Wuͤſten und Waͤldern mit ſeinem Geſang be- weget. Und was ſonſten hin und wieder bey den Griechen zu finden. Bey den Roͤmern auch iſt Virgilius in ſolch Anſehen kommen, daß, wie Quintilianus, oder wer er iſt, mel- det, als man etliche ſeiner Verſe offentlich ver- leſen, das gantze Volck aus ſonderlicher Wuͤr- digung aufgeſtanden, und daß ihm, wann er gegenwaͤrtig geweſen, ſolche Ehr als Kaͤyſer Auguſto ſelbſt widerfahren ſey. Daß ich des weiſen Moyſis Lobgeſanges, der Pſalmen, des hohen B 5
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bey Ankunft Martin Opitzens.
weiter erzehlet, ſo mit Verwunderung zu le-
ſen, wiſſen alle Gelehrte, wie von Anfang her
auf eben dieſe Kunſt ſo viel gehalten worden,
daß man die Poeten eine heimliche Zuſammen-
kunfft und Verbuͤndnuß mit den Goͤttern zu
haben geargwohnet, und ihre Schrifften als
Orackel und Propheceyungen gehalten hat.
Jtem, daß Homerus der Brunnen-Quell und
Urſprung aller Weißheit zu ſeyn geſchaͤtzet wor-
den. Daß der groſſe Alexander, deßgleichen
die Sonne nicht beſchienen, eben dieſes Ho-
meri Gedichte allezeit unter ſein Hauptkuͤſſen
gelegt, und auf ſo einem edlen Schatz wohl
zu ruhen vermeinet. Daß vorgegeben wor-
den, Orpheus, weil er durch dieſes Mittel die
noch unbezwungene und verwildete Hertzen zu
guten Sitten und der Tugend angewieſen,
habe die unbaͤndigen Thiere ſamt Bergen,
Wuͤſten und Waͤldern mit ſeinem Geſang be-
weget. Und was ſonſten hin und wieder bey
den Griechen zu finden. Bey den Roͤmern
auch iſt Virgilius in ſolch Anſehen kommen,
daß, wie Quintilianus, oder wer er iſt, mel-
det, als man etliche ſeiner Verſe offentlich ver-
leſen, das gantze Volck aus ſonderlicher Wuͤr-
digung aufgeſtanden, und daß ihm, wann er
gegenwaͤrtig geweſen, ſolche Ehr als Kaͤyſer
Auguſto ſelbſt widerfahren ſey. Daß ich des
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