[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 9. Zürich, 1749.Martin Opitzens Wie der so unverschuldt sein Vaterland verlassen,Muß suchen einen Weg der ihm gantz unbekandt, Geht über Berg und Thal durch angenehme Strassen, Nichts achtend, als allein sein liebes Vaterland: Wann er dann ungefehr erblicket einen Bronnen, Der sonst verborgen ist in mitten in dem Wald, Befreyet vor der Hitz und Ungedult der Sonnen, Da nichts als nur das Wild hat seinen Aufenthalt, So ist er wolgemuth, vergisset aller Dinge, Erforschet nur den Quell des Brünneleins mit Fleiß, Und wünscht, daß ihn alldar der sanffte Schlaf umringe, Weil er vor grosser Lust sich selber auch nicht weiß. Nicht weniger auch mich, weil ich so sehr geirret Durch Freud und höchste Lust der süssen Liebes-Pein, Weil mein Gemüthe sich in Wollust gantz verwirret, Wird nichts nicht machen loß, als nur der Tod allein. Auf Herrn Matthei Ruttarti, und Jhr vielgeliebtes Paar, die ihr die enge StrassenJgfr. Anna Namßlerin Hochzeit. Der alten Ewigkeit solt gehen, und verlassen Dasjenige so euch nicht wiederkommen kan, Und eurer Jungfrauschaft den letzten Tod thut an; Jhr vielgeliebtes Paar, ihr heute noch Jungfrauen; Die ihr euch nach euch selbst werdt morgen früh umschauen; Die
Martin Opitzens Wie der ſo unverſchuldt ſein Vaterland verlaſſen,Muß ſuchen einen Weg der ihm gantz unbekandt, Geht uͤber Berg und Thal durch angenehme Straſſen, Nichts achtend, als allein ſein liebes Vaterland: Wann er dann ungefehr erblicket einen Bronnen, Der ſonſt verborgen iſt in mitten in dem Wald, Befreyet vor der Hitz und Ungedult der Sonnen, Da nichts als nur das Wild hat ſeinen Aufenthalt, So iſt er wolgemuth, vergiſſet aller Dinge, Erforſchet nur den Quell des Bruͤnneleins mit Fleiß, Und wuͤnſcht, daß ihn alldar der ſanffte Schlaf umringe, Weil er vor groſſer Luſt ſich ſelber auch nicht weiß. Nicht weniger auch mich, weil ich ſo ſehr geirret Durch Freud und hoͤchſte Luſt der ſuͤſſen Liebes-Pein, Weil mein Gemuͤthe ſich in Wolluſt gantz verwirret, Wird nichts nicht machen loß, als nur der Tod allein. Auf Herrn Matthei Ruttarti, und Jhr vielgeliebtes Paar, die ihr die enge StraſſenJgfr. Anna Namßlerin Hochzeit. Der alten Ewigkeit ſolt gehen, und verlaſſen Dasjenige ſo euch nicht wiederkommen kan, Und eurer Jungfrauſchaft den letzten Tod thut an; Jhr vielgeliebtes Paar, ihr heute noch Jungfrauen; Die ihr euch nach euch ſelbſt werdt morgen fruͤh umſchauen; Die
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Martin Opitzens
Wie der ſo unverſchuldt ſein Vaterland verlaſſen,
Muß ſuchen einen Weg der ihm gantz unbekandt,
Geht uͤber Berg und Thal durch angenehme Straſſen,
Nichts achtend, als allein ſein liebes Vaterland:
Wann er dann ungefehr erblicket einen Bronnen,
Der ſonſt verborgen iſt in mitten in dem Wald,
Befreyet vor der Hitz und Ungedult der Sonnen,
Da nichts als nur das Wild hat ſeinen Aufenthalt,
So iſt er wolgemuth, vergiſſet aller Dinge,
Erforſchet nur den Quell des Bruͤnneleins mit Fleiß,
Und wuͤnſcht, daß ihn alldar der ſanffte Schlaf umringe,
Weil er vor groſſer Luſt ſich ſelber auch nicht weiß.
Nicht weniger auch mich, weil ich ſo ſehr geirret
Durch Freud und hoͤchſte Luſt der ſuͤſſen Liebes-Pein,
Weil mein Gemuͤthe ſich in Wolluſt gantz verwirret,
Wird nichts nicht machen loß, als nur der Tod allein.
Auf Herrn Matthei Ruttarti, und
Jgfr. Anna Namßlerin Hochzeit.
Jhr vielgeliebtes Paar, die ihr die enge Straſſen
Der alten Ewigkeit ſolt gehen, und verlaſſen
Dasjenige ſo euch nicht wiederkommen kan,
Und eurer Jungfrauſchaft den letzten Tod thut an;
Jhr vielgeliebtes Paar, ihr heute noch Jungfrauen;
Die ihr euch nach euch ſelbſt werdt morgen fruͤh umſchauen;
Die
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