[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 9. Zürich, 1749.Verworffene Gedichte. Es ist genug, genug, die Götter sind verheertDurch die, so sie gemacht, Stadt, Dorff, und Feld verkehrt. Laß die, durch deren Grimm die Ströme kaum geflossen Von Leichen zugestopfft, nicht ausgehn ungenossen, Und mache kund, daß der, der dir zugegen strebt, Stürtzt, oder bleibt er ja, ihm selbst zur Straffe lebt. Sonnete. Aus dem Lateinischen Adeodati Sebä. Heint als der Monde war in seinen Kreiß gezogen, Und mich der süsse Schlaf umfangen durch die Nacht, Ward mir mein Augentrost im Traume fürgebracht, Als läge sie bey mir an meine Brust gebogen, Jhr Hertze war in mich, mein Hertz in sie geflogen; Fand aber gäntzlich nichts, wie ich des Morgens wacht, Und hielt die Lacken in den Armen, drum ich lacht, Als ich recht innen ward, daß ich so sehr betrogen. Verräther, loser Traum, warum denn fleuchst du bald? Laß mich doch länger sehn die liebliche Gestalt, Laß sich doch mehr bey mir diß schöne Vorbild säumen. Betrieger, krieg ich nichts als Hohn und Spott von ihr, Und ihrer Schönheit Ros', ach bitt ich, laß doch mir Drey tausend Jahr so süß, ohn alles Wachen, träumen. Die Liebe kränckt mein Hertz, der Krieg das Vaterland, Der Krieg mit Haß und Zorn, die Liebe mit dem Bogen; Die D 4
Verworffene Gedichte. Es iſt genug, genug, die Goͤtter ſind verheertDurch die, ſo ſie gemacht, Stadt, Dorff, und Feld verkehrt. Laß die, durch deren Grimm die Stroͤme kaum gefloſſen Von Leichen zugeſtopfft, nicht ausgehn ungenoſſen, Und mache kund, daß der, der dir zugegen ſtrebt, Stuͤrtzt, oder bleibt er ja, ihm ſelbſt zur Straffe lebt. Sonnete. Aus dem Lateiniſchen Adeodati Sebaͤ. Heint als der Monde war in ſeinen Kreiß gezogen, Und mich der ſuͤſſe Schlaf umfangen durch die Nacht, Ward mir mein Augentroſt im Traume fuͤrgebracht, Als laͤge ſie bey mir an meine Bruſt gebogen, Jhr Hertze war in mich, mein Hertz in ſie geflogen; Fand aber gaͤntzlich nichts, wie ich des Morgens wacht, Und hielt die Lacken in den Armen, drum ich lacht, Als ich recht innen ward, daß ich ſo ſehr betrogen. Verraͤther, loſer Traum, warum denn fleuchſt du bald? Laß mich doch laͤnger ſehn die liebliche Geſtalt, Laß ſich doch mehr bey mir diß ſchoͤne Vorbild ſaͤumen. Betrieger, krieg ich nichts als Hohn und Spott von ihr, Und ihrer Schoͤnheit Roſ’, ach bitt ich, laß doch mir Drey tauſend Jahr ſo ſuͤß, ohn alles Wachen, traͤumen. Die Liebe kraͤnckt mein Hertz, der Krieg das Vaterland, Der Krieg mit Haß und Zorn, die Liebe mit dem Bogen; Die D 4
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Verworffene Gedichte.
Es iſt genug, genug, die Goͤtter ſind verheert
Durch die, ſo ſie gemacht, Stadt, Dorff, und Feld verkehrt.
Laß die, durch deren Grimm die Stroͤme kaum gefloſſen
Von Leichen zugeſtopfft, nicht ausgehn ungenoſſen,
Und mache kund, daß der, der dir zugegen ſtrebt,
Stuͤrtzt, oder bleibt er ja, ihm ſelbſt zur Straffe lebt.
Sonnete.
Aus dem Lateiniſchen Adeodati Sebaͤ.
Heint als der Monde war in ſeinen Kreiß gezogen,
Und mich der ſuͤſſe Schlaf umfangen durch die Nacht,
Ward mir mein Augentroſt im Traume fuͤrgebracht,
Als laͤge ſie bey mir an meine Bruſt gebogen,
Jhr Hertze war in mich, mein Hertz in ſie geflogen;
Fand aber gaͤntzlich nichts, wie ich des Morgens wacht,
Und hielt die Lacken in den Armen, drum ich lacht,
Als ich recht innen ward, daß ich ſo ſehr betrogen.
Verraͤther, loſer Traum, warum denn fleuchſt du bald?
Laß mich doch laͤnger ſehn die liebliche Geſtalt,
Laß ſich doch mehr bey mir diß ſchoͤne Vorbild ſaͤumen.
Betrieger, krieg ich nichts als Hohn und Spott von ihr,
Und ihrer Schoͤnheit Roſ’, ach bitt ich, laß doch mir
Drey tauſend Jahr ſo ſuͤß, ohn alles Wachen, traͤumen.
Die Liebe kraͤnckt mein Hertz, der Krieg das Vaterland,
Der Krieg mit Haß und Zorn, die Liebe mit dem Bogen;
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