[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 9. Zürich, 1749.von Horazens Dichtkunst. Auf eines Pferdes Hals. Den dicken Vogelkropf Bedeckt ein bunter Schmuck von farbigtem Gefieder: Hernach erblicket man verschiedner Thiere Glieder. Von oben zeigt ein Weib ihr schönes Angesicht. 5. Von unten wirds ein Fisch. Jhr Freunde, lacht doch nicht! Wir wollen mit Geduld des Malers Thorheit schonen. Jndes- V. 2. Den dicken Vogelkropf) Dieses ist wiederum ein Gottschedischer Zusatz, der sei- nen zureichenden Grund darinne hat, weil ihm Horazens Bild noch nicht abentheurlich genug vorkam. V. 3. Ein bunter Schmuck von farbigtem Gefieder) Dieser vollständige poetische Ausdruck verdunckelt das einfältige Horatzische varias plumas ungemein: Man muß es nicht dahin mißdeuten, als ob es einen bunten Schmuck aus lauter weissem oder aus gleichfarbigtem Ge- fieder geben könnte: Das farbigt hier ist ein poetisches Beywort, welches dienet den poetischen Begriff und zu- gleich das Sylbenmaß des Verses recht vollständig zu machen. V. 6. Von unten wirds ein Fisch) Dieses hätte Hr. Gottsched durch ein Kupfer erklären sollen. V. 6. 7. ... Jhr Freunde, lacht doch nicht, Wir wollen mit Geduld des Malers Thorheit schonen.) Dieses gibt Horaz nur schlechtweg: Spectatum admissi risum teneatis amici! Hr. Gottsched hingegen hat neben der kernhaften Ueberse- zung annoch vor nöthig erachtet, diese Stelle mit einer Anmerckung zu beleuchten, wo er euch ein Geheimniß aus [Crit. Samml. IX. St.] F.
von Horazens Dichtkunſt. Auf eines Pferdes Hals. Den dicken Vogelkropf Bedeckt ein bunter Schmuck von farbigtem Gefieder: Hernach erblicket man verſchiedner Thiere Glieder. Von oben zeigt ein Weib ihr ſchoͤnes Angeſicht. 5. Von unten wirds ein Fiſch. Jhr Freunde, lacht doch nicht! Wir wollen mit Geduld des Malers Thorheit ſchonen. Jndeſ- V. 2. Den dicken Vogelkropf) Dieſes iſt wiederum ein Gottſchediſcher Zuſatz, der ſei- nen zureichenden Grund darinne hat, weil ihm Horazens Bild noch nicht abentheurlich genug vorkam. V. 3. Ein bunter Schmuck von farbigtem Gefieder) Dieſer vollſtaͤndige poetiſche Ausdruck verdunckelt das einfaͤltige Horatziſche varias plumas ungemein: Man muß es nicht dahin mißdeuten, als ob es einen bunten Schmuck aus lauter weiſſem oder aus gleichfarbigtem Ge- fieder geben koͤnnte: Das farbigt hier iſt ein poetiſches Beywort, welches dienet den poetiſchen Begriff und zu- gleich das Sylbenmaß des Verſes recht vollſtaͤndig zu machen. V. 6. Von unten wirds ein Fiſch) Dieſes haͤtte Hr. Gottſched durch ein Kupfer erklaͤren ſollen. V. 6. 7. ... Jhr Freunde, lacht doch nicht, Wir wollen mit Geduld des Malers Thorheit ſchonen.) Dieſes gibt Horaz nur ſchlechtweg: Spectatum admiſſi riſum teneatis amici! Hr. Gottſched hingegen hat neben der kernhaften Ueberſe- zung annoch vor noͤthig erachtet, dieſe Stelle mit einer Anmerckung zu beleuchten, wo er euch ein Geheimniß aus [Crit. Sam̃l. IX. St.] F.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0081" n="81"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">von Horazens Dichtkunſt.</hi> </fw><lb/> <l>Auf eines Pferdes Hals. Den dicken Vogelkropf <note place="foot"><hi rendition="#fr">V. 2. Den dicken Vogelkropf)</hi><lb/> Dieſes iſt wiederum ein Gottſchediſcher Zuſatz, der ſei-<lb/> nen zureichenden Grund darinne hat, weil ihm Horazens<lb/> Bild noch nicht abentheurlich genug vorkam.</note></l><lb/> <l>Bedeckt ein bunter Schmuck von farbigtem Gefieder:<note place="foot"><hi rendition="#fr">V. 3. Ein bunter Schmuck von farbigtem Gefieder)</hi><lb/> Dieſer vollſtaͤndige poetiſche Ausdruck verdunckelt das<lb/> einfaͤltige Horatziſche <hi rendition="#aq">varias plumas</hi> ungemein: Man muß<lb/> es nicht dahin mißdeuten, als ob es einen <hi rendition="#fr">bunten</hi><lb/> Schmuck aus lauter weiſſem oder aus gleichfarbigtem Ge-<lb/> fieder geben koͤnnte: Das <hi rendition="#fr">farbigt</hi> hier iſt ein poetiſches<lb/> Beywort, welches dienet den poetiſchen Begriff und zu-<lb/> gleich das Sylbenmaß des Verſes recht vollſtaͤndig zu<lb/> machen.</note> </l><lb/> <l>Hernach erblicket man verſchiedner Thiere Glieder.</l><lb/> <l>Von oben zeigt ein Weib ihr ſchoͤnes Angeſicht. <note place="right">5.</note></l><lb/> <l>Von unten wirds ein Fiſch. <note place="foot"><hi rendition="#fr">V. 6. Von unten wirds ein Fiſch)</hi><lb/> Dieſes haͤtte Hr. Gottſched durch ein Kupfer erklaͤren<lb/> ſollen.</note> Jhr Freunde, lacht doch nicht!</l><lb/> <l>Wir wollen mit Geduld des Malers Thorheit ſchonen. <note xml:id="a005" place="foot" next="#a005b"><hi rendition="#fr">V. 6. 7. ... Jhr Freunde, lacht doch nicht,<lb/> Wir wollen mit Geduld des Malers Thorheit ſchonen.)</hi><lb/> Dieſes gibt Horaz nur ſchlechtweg:<lb/><hi rendition="#c"><hi rendition="#aq">Spectatum admiſſi riſum teneatis amici!</hi></hi><lb/> Hr. Gottſched hingegen hat neben der kernhaften Ueberſe-<lb/> zung annoch vor noͤthig erachtet, dieſe Stelle mit einer<lb/> Anmerckung zu beleuchten, wo er euch ein Geheimniß aus</note></l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Jndeſ-</fw><lb/> <fw place="bottom" type="sig">[Crit. Sam̃l. <hi rendition="#aq">IX.</hi> St.] F.</fw><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [81/0081]
von Horazens Dichtkunſt.
Auf eines Pferdes Hals. Den dicken Vogelkropf
Bedeckt ein bunter Schmuck von farbigtem Gefieder:
Hernach erblicket man verſchiedner Thiere Glieder.
Von oben zeigt ein Weib ihr ſchoͤnes Angeſicht.
Von unten wirds ein Fiſch. Jhr Freunde, lacht doch nicht!
Wir wollen mit Geduld des Malers Thorheit ſchonen.
Jndeſ-
V. 2. Den dicken Vogelkropf)
Dieſes iſt wiederum ein Gottſchediſcher Zuſatz, der ſei-
nen zureichenden Grund darinne hat, weil ihm Horazens
Bild noch nicht abentheurlich genug vorkam.
V. 3. Ein bunter Schmuck von farbigtem Gefieder)
Dieſer vollſtaͤndige poetiſche Ausdruck verdunckelt das
einfaͤltige Horatziſche varias plumas ungemein: Man muß
es nicht dahin mißdeuten, als ob es einen bunten
Schmuck aus lauter weiſſem oder aus gleichfarbigtem Ge-
fieder geben koͤnnte: Das farbigt hier iſt ein poetiſches
Beywort, welches dienet den poetiſchen Begriff und zu-
gleich das Sylbenmaß des Verſes recht vollſtaͤndig zu
machen.
V. 6. Von unten wirds ein Fiſch)
Dieſes haͤtte Hr. Gottſched durch ein Kupfer erklaͤren
ſollen.
V. 6. 7. ... Jhr Freunde, lacht doch nicht,
Wir wollen mit Geduld des Malers Thorheit ſchonen.)
Dieſes gibt Horaz nur ſchlechtweg:
Spectatum admiſſi riſum teneatis amici!
Hr. Gottſched hingegen hat neben der kernhaften Ueberſe-
zung annoch vor noͤthig erachtet, dieſe Stelle mit einer
Anmerckung zu beleuchten, wo er euch ein Geheimniß aus
[Crit. Sam̃l. IX. St.] F.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |