[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 9. Zürich, 1749.Prüffung der Uebersetzung Doch m[a]nches Dichters Schrift wird prächtig angefangen, 20.Man schmückt sie hin und her mit Edelsteinen aus, Beschreibt Dianens Häyn, Altar und Götterhaus, Entwirft mit grosser Kunst des Rheinstroms Wasserwogen, Und malt der Farben Glanz im bunten Regenbogen. Das alles ist schon gut; nur hier gehörts nicht her. 25. Dort V. 20. Doch manches Dichters Schrift wird prächtig angefangen.) Der lateinische Poet kömmt hier auf die stolze Vermes- senheit derjenigen Dichter seiner Zeit, die in ihren Ge- dichten nicht nach einem Plan, oder nach Absichten gear- beitet, sondern sich eingebildet, es sey in der Poesie alles willkürlich, das vornemste komme darauf an, daß man etwas wagen dörffe, und ein wenig prahlen und groß thun könne, das sind die Incoepta gravia & magna professa: Od man nun was dergleichen aus der Uebersetzung errathen könne, das will ich dem Urtheil des Lesers überlassen. V. 23. Entwirft mit grosser Kunst des Rheinstroms Wasserwogen.) Das heißt in dem Lateinischen gantz einfältig Aut flumen Rhenum. Aber den vorhergehenden Vers, Et properantis aquae per amoenos ambitus agros, in welchem der Poet die künstliche Beschreibung einer Ba- che ausführlich nachahmet, hat unser deutsche Uebersetzer gäntzlich weggelassen, doch so geschickt, daß es niemand leicht mercken kan, der nur die deutsche Uebersetzung lieset. V. 25. Das alles ist schon gut; nur hier gehörts
nicht her.) Es ist freylich an dem, daß Horaz die poetischen Schil- dereyen für sich selbst betrachtet hier nicht tadelt; sondern Pruͤffung der Ueberſetzung Doch m[a]nches Dichters Schrift wird praͤchtig angefangẽ, 20.Man ſchmuͤckt ſie hin und her mit Edelſteinen aus, Beſchreibt Dianens Haͤyn, Altar und Goͤtterhaus, Entwirft mit groſſer Kunſt des Rheinſtroms Waſſerwogen, Und malt der Farben Glanz im bunten Regenbogen. Das alles iſt ſchon gut; nur hier gehoͤrts nicht her. 25. Dort V. 20. Doch manches Dichters Schrift wird praͤchtig angefangen.) Der lateiniſche Poet koͤmmt hier auf die ſtolze Vermeſ- ſenheit derjenigen Dichter ſeiner Zeit, die in ihren Ge- dichten nicht nach einem Plan, oder nach Abſichten gear- beitet, ſondern ſich eingebildet, es ſey in der Poeſie alles willkuͤrlich, das vornemſte komme darauf an, daß man etwas wagen doͤrffe, und ein wenig prahlen und groß thun koͤnne, das ſind die Incœpta gravia & magna profeſſa: Od man nun was dergleichen aus der Ueberſetzung errathen koͤnne, das will ich dem Urtheil des Leſers uͤberlaſſen. V. 23. Entwirft mit groſſer Kunſt des Rheinſtroms Waſſerwogen.) Das heißt in dem Lateiniſchen gantz einfaͤltig Aut flumen Rhenum. Aber den vorhergehenden Vers, Et properantis aquæ per amœnos ambitus agros, in welchem der Poet die kuͤnſtliche Beſchreibung einer Ba- che ausfuͤhrlich nachahmet, hat unſer deutſche Ueberſetzer gaͤntzlich weggelaſſen, doch ſo geſchickt, daß es niemand leicht mercken kan, der nur die deutſche Ueberſetzung lieſet. V. 25. Das alles iſt ſchon gut; nur hier gehoͤrts
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Pruͤffung der Ueberſetzung
Doch manches Dichters Schrift wird praͤchtig angefangẽ,
Man ſchmuͤckt ſie hin und her mit Edelſteinen aus,
Beſchreibt Dianens Haͤyn, Altar und Goͤtterhaus,
Entwirft mit groſſer Kunſt des Rheinſtroms Waſſerwogen,
Und malt der Farben Glanz im bunten Regenbogen.
Das alles iſt ſchon gut; nur hier gehoͤrts nicht her.
Dort
V. 20. Doch manches Dichters Schrift wird praͤchtig
angefangen.)
Der lateiniſche Poet koͤmmt hier auf die ſtolze Vermeſ-
ſenheit derjenigen Dichter ſeiner Zeit, die in ihren Ge-
dichten nicht nach einem Plan, oder nach Abſichten gear-
beitet, ſondern ſich eingebildet, es ſey in der Poeſie alles
willkuͤrlich, das vornemſte komme darauf an, daß man
etwas wagen doͤrffe, und ein wenig prahlen und groß thun
koͤnne, das ſind die Incœpta gravia & magna profeſſa:
Od man nun was dergleichen aus der Ueberſetzung errathen
koͤnne, das will ich dem Urtheil des Leſers uͤberlaſſen.
V. 23. Entwirft mit groſſer Kunſt des Rheinſtroms
Waſſerwogen.)
Das heißt in dem Lateiniſchen gantz einfaͤltig Aut flumen
Rhenum. Aber den vorhergehenden Vers,
Et properantis aquæ per amœnos ambitus agros,
in welchem der Poet die kuͤnſtliche Beſchreibung einer Ba-
che ausfuͤhrlich nachahmet, hat unſer deutſche Ueberſetzer
gaͤntzlich weggelaſſen, doch ſo geſchickt, daß es niemand
leicht mercken kan, der nur die deutſche Ueberſetzung
lieſet.
V. 25. Das alles iſt ſchon gut; nur hier gehoͤrts
nicht her.)
Es iſt freylich an dem, daß Horaz die poetiſchen Schil-
dereyen fuͤr ſich ſelbſt betrachtet hier nicht tadelt; ſondern
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