[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 9. Zürich, 1749.Prüffung der Uebersetzung Der Schiffbruch zeigen soll, den jener für sein Geld,Nach überstandner Noth, mit Fleiß bey dir bestellt. 30. Dein nicht die nothwendigste Verbindung mit der folgenden Be- schreibung eines Schiffbruchs hätte: Doch läßt sichs nicht wohl begreiffen, daß sie gar keine Beziehung auf den Schiff- bruch haben sollten, oder daß die getroffene Wahl unter so vielen andern Dingen, die eben so wenig mit einem Schiff- bruch in Verbindung stehen, auf die Cypressen ohne eini- gen Grund sollte gefallen seyn. Hier hätte demnach der deutsche Uebersetzer wenigstens in einer beygefügten Anmer- kung die Gründe dieser Wahl aus dem Alterthum erklä- ren sollen: Nunc erat his locus. Allein wo ihn sein Bond, und die deutsche Acerra verläßt, da waget er es nicht bald uns geheime Nachrichten aus der Antiquität mitzutheilen. V. 28. 29. Da sich in deinen Bildern der Schiff bruch etc. Horaz fodert weit mehr durch das Si fractis navibus exspes enatat: Da er eben durch das einzige Beywort exspes alle die Gefahr vergrössernden Umstände in eins zu- sammen fasset; und will, daß der poetische Mahler durch seine bewegliche Vorstellung der Gefahr, dem Leser alle Vermuthung einer möglichen Rettung abschneide. Der Hr. von Eckard hat dieses weit glücklicher und geschickter ausgebildet, wenn er sagt: ..... Gesezt, du schilderst gut Cypressenwälder ab. Wie aber, armes Blut, Wird es dir dann ergehn, wenn du des Meeres Rasen, Ein ganz zerscheitert Schiff, der tollen Winde blasen, Und wie den Schiffer kaum ein Bret noch bringt empor, Geschicklich mahlen sollst? V. 29. 30. Den jener für sein Geld, nach überstand-
ner Noth, mit Fleiß bey dir bestellt.) Beym Horaz heißt es einfältig: Aere dato qui pingitur. Hergegen hat der deutsche Uebersetzer hier abermahl gewie- sen, wie man ohne eine paraphrastische Kaltsinnigkeit, den- noch ohne Noth plauderhaft seyn könne. Gewiß ist, daß Pruͤffung der Ueberſetzung Der Schiffbruch zeigen ſoll, den jener fuͤr ſein Geld,Nach uͤberſtandner Noth, mit Fleiß bey dir beſtellt. 30. Dein nicht die nothwendigſte Verbindung mit der folgenden Be- ſchreibung eines Schiffbruchs haͤtte: Doch laͤßt ſichs nicht wohl begreiffen, daß ſie gar keine Beziehung auf den Schiff- bruch haben ſollten, oder daß die getroffene Wahl unter ſo vielen andern Dingen, die eben ſo wenig mit einem Schiff- bruch in Verbindung ſtehen, auf die Cypreſſen ohne eini- gen Grund ſollte gefallen ſeyn. Hier haͤtte demnach der deutſche Ueberſetzer wenigſtens in einer beygefuͤgten Anmer- kung die Gruͤnde dieſer Wahl aus dem Alterthum erklaͤ- ren ſollen: Nunc erat his locus. Allein wo ihn ſein Bond, und die deutſche Acerra verlaͤßt, da waget er es nicht bald uns geheime Nachrichten aus der Antiquitaͤt mitzutheilen. V. 28. 29. Da ſich in deinen Bildern der Schiff bruch ꝛc. Horaz fodert weit mehr durch das Si fractis navibus exſpes enatat: Da er eben durch das einzige Beywort exſpes alle die Gefahr vergroͤſſernden Umſtaͤnde in eins zu- ſammen faſſet; und will, daß der poetiſche Mahler durch ſeine bewegliche Vorſtellung der Gefahr, dem Leſer alle Vermuthung einer moͤglichen Rettung abſchneide. Der Hr. von Eckard hat dieſes weit gluͤcklicher und geſchickter ausgebildet, wenn er ſagt: ..... Geſezt, du ſchilderſt gut Cypreſſenwaͤlder ab. Wie aber, armes Blut, Wird es dir dann ergehn, wenn du des Meeres Raſen, Ein ganz zerſcheitert Schiff, der tollen Winde blaſen, Und wie den Schiffer kaum ein Bret noch bringt empor, Geſchicklich mahlen ſollſt? V. 29. 30. Den jener fuͤr ſein Geld, nach uͤberſtand-
ner Noth, mit Fleiß bey dir beſtellt.) Beym Horaz heißt es einfaͤltig: Aere dato qui pingitur. Hergegen hat der deutſche Ueberſetzer hier abermahl gewie- ſen, wie man ohne eine paraphraſtiſche Kaltſinnigkeit, den- noch ohne Noth plauderhaft ſeyn koͤnne. Gewiß iſt, daß <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0090" n="90"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Pruͤffung der Ueberſetzung</hi> </fw><lb/> <l>Der Schiffbruch zeigen ſoll<note place="foot"><hi rendition="#fr">V. 28. 29. Da ſich in deinen Bildern der Schiff bruch ꝛc.</hi><lb/> Horaz fodert weit mehr durch das <hi rendition="#aq">Si fractis navibus<lb/> exſpes enatat:</hi> Da er eben durch das einzige Beywort<lb/><hi rendition="#aq">exſpes</hi> alle die Gefahr vergroͤſſernden Umſtaͤnde in eins zu-<lb/> ſammen faſſet; und will, daß der poetiſche Mahler durch<lb/> ſeine bewegliche Vorſtellung der Gefahr, dem Leſer alle<lb/> Vermuthung einer moͤglichen Rettung abſchneide. Der<lb/> Hr. <hi rendition="#fr">von Eckard</hi> hat dieſes weit gluͤcklicher und geſchickter<lb/> ausgebildet, wenn er ſagt:<lb/><lg type="poem"><l>..... <hi rendition="#fr">Geſezt, du ſchilderſt gut</hi></l><lb/><l><hi rendition="#fr">Cypreſſenwaͤlder ab. Wie aber, armes Blut,</hi></l><lb/><l><hi rendition="#fr">Wird es dir dann ergehn, wenn du des Meeres Raſen,</hi></l><lb/><l><hi rendition="#fr">Ein ganz zerſcheitert Schiff, der tollen Winde blaſen,</hi></l><lb/><l><hi rendition="#fr">Und wie den Schiffer kaum ein Bret noch bringt empor,</hi></l><lb/><l><hi rendition="#fr">Geſchicklich mahlen ſollſt?</hi></l></lg></note>, den jener fuͤr ſein Geld,</l><lb/> <l>Nach uͤberſtandner Noth, mit Fleiß bey dir beſtellt. <note place="right">30.</note><note xml:id="a013" place="foot" next="#a013b"><hi rendition="#fr">V. 29. 30. Den jener fuͤr ſein Geld, nach uͤberſtand-<lb/> ner Noth, mit Fleiß bey dir beſtellt.)</hi><lb/> Beym Horaz heißt es einfaͤltig: <hi rendition="#aq">Aere dato qui pingitur.</hi><lb/> Hergegen hat der deutſche Ueberſetzer hier abermahl gewie-<lb/> ſen, wie man ohne eine paraphraſtiſche Kaltſinnigkeit, den-<lb/> noch ohne Noth plauderhaft ſeyn koͤnne. Gewiß iſt, daß</note></l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Dein</fw><lb/> <note xml:id="a012b" prev="#a012" place="foot">nicht die nothwendigſte Verbindung mit der folgenden Be-<lb/> ſchreibung eines Schiffbruchs haͤtte: Doch laͤßt ſichs nicht<lb/> wohl begreiffen, daß ſie gar keine Beziehung auf den Schiff-<lb/> bruch haben ſollten, oder daß die getroffene Wahl unter ſo<lb/> vielen andern Dingen, die eben ſo wenig mit einem Schiff-<lb/> bruch in Verbindung ſtehen, auf die Cypreſſen ohne eini-<lb/> gen Grund ſollte gefallen ſeyn. Hier haͤtte demnach der<lb/> deutſche Ueberſetzer wenigſtens in einer beygefuͤgten Anmer-<lb/> kung die Gruͤnde dieſer Wahl aus dem Alterthum erklaͤ-<lb/> ren ſollen: <hi rendition="#aq">Nunc erat his locus.</hi> Allein wo ihn ſein <hi rendition="#fr">Bond,</hi><lb/> und die deutſche <hi rendition="#aq">Acerra</hi> verlaͤßt, da waget er es nicht bald<lb/> uns geheime Nachrichten aus der Antiquitaͤt mitzutheilen.</note><lb/><lb/><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [90/0090]
Pruͤffung der Ueberſetzung
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Dein
V. 28. 29. Da ſich in deinen Bildern der Schiff bruch ꝛc.
Horaz fodert weit mehr durch das Si fractis navibus
exſpes enatat: Da er eben durch das einzige Beywort
exſpes alle die Gefahr vergroͤſſernden Umſtaͤnde in eins zu-
ſammen faſſet; und will, daß der poetiſche Mahler durch
ſeine bewegliche Vorſtellung der Gefahr, dem Leſer alle
Vermuthung einer moͤglichen Rettung abſchneide. Der
Hr. von Eckard hat dieſes weit gluͤcklicher und geſchickter
ausgebildet, wenn er ſagt:
..... Geſezt, du ſchilderſt gut
Cypreſſenwaͤlder ab. Wie aber, armes Blut,
Wird es dir dann ergehn, wenn du des Meeres Raſen,
Ein ganz zerſcheitert Schiff, der tollen Winde blaſen,
Und wie den Schiffer kaum ein Bret noch bringt empor,
Geſchicklich mahlen ſollſt?
V. 29. 30. Den jener fuͤr ſein Geld, nach uͤberſtand-
ner Noth, mit Fleiß bey dir beſtellt.)
Beym Horaz heißt es einfaͤltig: Aere dato qui pingitur.
Hergegen hat der deutſche Ueberſetzer hier abermahl gewie-
ſen, wie man ohne eine paraphraſtiſche Kaltſinnigkeit, den-
noch ohne Noth plauderhaft ſeyn koͤnne. Gewiß iſt, daß
nicht die nothwendigſte Verbindung mit der folgenden Be-
ſchreibung eines Schiffbruchs haͤtte: Doch laͤßt ſichs nicht
wohl begreiffen, daß ſie gar keine Beziehung auf den Schiff-
bruch haben ſollten, oder daß die getroffene Wahl unter ſo
vielen andern Dingen, die eben ſo wenig mit einem Schiff-
bruch in Verbindung ſtehen, auf die Cypreſſen ohne eini-
gen Grund ſollte gefallen ſeyn. Hier haͤtte demnach der
deutſche Ueberſetzer wenigſtens in einer beygefuͤgten Anmer-
kung die Gruͤnde dieſer Wahl aus dem Alterthum erklaͤ-
ren ſollen: Nunc erat his locus. Allein wo ihn ſein Bond,
und die deutſche Acerra verlaͤßt, da waget er es nicht bald
uns geheime Nachrichten aus der Antiquitaͤt mitzutheilen.
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