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[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 10. Zürich, 1743.

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Versuch eines Gedichtes
Nicht, daß sein hoher Muth wolt zu regieren scheuen,
Nein, weil des andern Fall ihn nicht vermag zu freuen.290.
Er sorgt nur weil er sich dazu unwürdig fand,
Es möcht sein Regiment nicht haben lang Bestand.
Was bin ich mehr als Saul, sprach er, ich kan auch fehlen,
Was soll mir dann die Kron, die würde mich nur quälen;
Jedoch, hie hielt er inn, befahl es seinem Gott,
Und dacht es muß geschehn des Höchsten sein Geboth;
Desselben Wille war sein Will und macht ihn schweigen,
Er will nicht grübeln mehr, er will Gehorsam zeigen
Und folgen dem Beruff, in Demuth schlecht und recht,
Er ist bereit zu seyn ein König oder Knecht.300.
Jndem diß David nun so alles überleget,
Ersieht er wie die Heerd sich überall beweget,
Und daß ein grauser Bär zu seinem Hertzeleyd
Ein Lamm daraus erwischt mit grosser Hefftigkeit.
Der David säumet nicht dem Unthier nachzueilen,
Verfolgt ihn auf der Spur ohn ferneres Verweilen,
Der starcke Gottes-Geist regieret seinen Muth,
Daß er in heilgem Grimm was ungemeines thut.
Er kommt dem Bären nah und dieser sieht den Knaben,
Denckt, daß er diesen Raub zu jenem auch will haben,310.
Verläßt daher das Lamm und geht auf David loß,
Er bäumt sich vor ihm auf, macht Klau und Rachen groß,
Er fasset David schon; der greifft ihm in den Rachen,
Und hält ihn wie ein Lamm: der Starcke kan nichts machen,
Den Würger würget er, mit grosser Stärck und Macht,
Der jenen fällen will, wird selbsten umgebracht.
Hier sah man Gottes Krafft, die Davids schwachen Händen
Das ihm entführte Lamm wollt wiederum zuwenden;
Und da dasselb aus Furcht für David selbsten läuft,
Wodurch es die Gefahr unwissend doppelt häuft;320.
Jndem es in dem Wald hofft seinen Schutz zu haben,
Begegnet ihm ein Löw allda in vollem Traben,
Der es auch schier erwischt, wenn Davids sein Getön
Der auf den Löwen drang, ihn nicht gemachet stehn.
Der Löw in Zorn erhitzt, spitzt seine scharffe Klauen,
Und springt auf David zu, der sonder einzigs Grauen
Den
Verſuch eines Gedichtes
Nicht, daß ſein hoher Muth wolt zu regieren ſcheuen,
Nein, weil des andern Fall ihn nicht vermag zu freuen.290.
Er ſorgt nur weil er ſich dazu unwuͤrdig fand,
Es moͤcht ſein Regiment nicht haben lang Beſtand.
Was bin ich mehr als Saul, ſprach er, ich kan auch fehlen,
Was ſoll mir dann die Kron, die wuͤrde mich nur quaͤlen;
Jedoch, hie hielt er inn, befahl es ſeinem Gott,
Und dacht es muß geſchehn des Hoͤchſten ſein Geboth;
Deſſelben Wille war ſein Will und macht ihn ſchweigen,
Er will nicht gruͤbeln mehr, er will Gehorſam zeigen
Und folgen dem Beruff, in Demuth ſchlecht und recht,
Er iſt bereit zu ſeyn ein Koͤnig oder Knecht.300.
Jndem diß David nun ſo alles uͤberleget,
Erſieht er wie die Heerd ſich uͤberall beweget,
Und daß ein grauſer Baͤr zu ſeinem Hertzeleyd
Ein Lamm daraus erwiſcht mit groſſer Hefftigkeit.
Der David ſaͤumet nicht dem Unthier nachzueilen,
Verfolgt ihn auf der Spur ohn ferneres Verweilen,
Der ſtarcke Gottes-Geiſt regieret ſeinen Muth,
Daß er in heilgem Grimm was ungemeines thut.
Er kommt dem Baͤren nah und dieſer ſieht den Knaben,
Denckt, daß er dieſen Raub zu jenem auch will haben,310.
Verlaͤßt daher das Lamm und geht auf David loß,
Er baͤumt ſich vor ihm auf, macht Klau und Rachen groß,
Er faſſet David ſchon; der greifft ihm in den Rachen,
Und haͤlt ihn wie ein Lamm: der Starcke kan nichts machen,
Den Wuͤrger wuͤrget er, mit groſſer Staͤrck und Macht,
Der jenen faͤllen will, wird ſelbſten umgebracht.
Hier ſah man Gottes Krafft, die Davids ſchwachen Haͤnden
Das ihm entfuͤhrte Lamm wollt wiederum zuwenden;
Und da daſſelb aus Furcht fuͤr David ſelbſten laͤuft,
Wodurch es die Gefahr unwiſſend doppelt haͤuft;320.
Jndem es in dem Wald hofft ſeinen Schutz zu haben,
Begegnet ihm ein Loͤw allda in vollem Traben,
Der es auch ſchier erwiſcht, wenn Davids ſein Getoͤn
Der auf den Loͤwen drang, ihn nicht gemachet ſtehn.
Der Loͤw in Zorn erhitzt, ſpitzt ſeine ſcharffe Klauen,
Und ſpringt auf David zu, der ſonder einzigs Grauen
Den
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[30/0030] Verſuch eines Gedichtes Nicht, daß ſein hoher Muth wolt zu regieren ſcheuen, Nein, weil des andern Fall ihn nicht vermag zu freuen. Er ſorgt nur weil er ſich dazu unwuͤrdig fand, Es moͤcht ſein Regiment nicht haben lang Beſtand. Was bin ich mehr als Saul, ſprach er, ich kan auch fehlen, Was ſoll mir dann die Kron, die wuͤrde mich nur quaͤlen; Jedoch, hie hielt er inn, befahl es ſeinem Gott, Und dacht es muß geſchehn des Hoͤchſten ſein Geboth; Deſſelben Wille war ſein Will und macht ihn ſchweigen, Er will nicht gruͤbeln mehr, er will Gehorſam zeigen Und folgen dem Beruff, in Demuth ſchlecht und recht, Er iſt bereit zu ſeyn ein Koͤnig oder Knecht. Jndem diß David nun ſo alles uͤberleget, Erſieht er wie die Heerd ſich uͤberall beweget, Und daß ein grauſer Baͤr zu ſeinem Hertzeleyd Ein Lamm daraus erwiſcht mit groſſer Hefftigkeit. Der David ſaͤumet nicht dem Unthier nachzueilen, Verfolgt ihn auf der Spur ohn ferneres Verweilen, Der ſtarcke Gottes-Geiſt regieret ſeinen Muth, Daß er in heilgem Grimm was ungemeines thut. Er kommt dem Baͤren nah und dieſer ſieht den Knaben, Denckt, daß er dieſen Raub zu jenem auch will haben, Verlaͤßt daher das Lamm und geht auf David loß, Er baͤumt ſich vor ihm auf, macht Klau und Rachen groß, Er faſſet David ſchon; der greifft ihm in den Rachen, Und haͤlt ihn wie ein Lamm: der Starcke kan nichts machen, Den Wuͤrger wuͤrget er, mit groſſer Staͤrck und Macht, Der jenen faͤllen will, wird ſelbſten umgebracht. Hier ſah man Gottes Krafft, die Davids ſchwachen Haͤnden Das ihm entfuͤhrte Lamm wollt wiederum zuwenden; Und da daſſelb aus Furcht fuͤr David ſelbſten laͤuft, Wodurch es die Gefahr unwiſſend doppelt haͤuft; Jndem es in dem Wald hofft ſeinen Schutz zu haben, Begegnet ihm ein Loͤw allda in vollem Traben, Der es auch ſchier erwiſcht, wenn Davids ſein Getoͤn Der auf den Loͤwen drang, ihn nicht gemachet ſtehn. Der Loͤw in Zorn erhitzt, ſpitzt ſeine ſcharffe Klauen, Und ſpringt auf David zu, der ſonder einzigs Grauen Den

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Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 10. Zürich, 1743, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung10_1743/30>, abgerufen am 21.11.2024.