Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 10. Zürich, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite
von David.
Jst nur sein Fleiß gewandt. Er dencket stets dahin
Wie er Gott dienen mög mit Andachtsvollem Sinn.260.
So brachte David hin die Zeit bey seinen Heerden,
Die ihm nicht lange konnt auf diese Weise werden,
Als ihm an einem Tag, wie für der Sonnenschein
Er kühlen Schatten sucht, diß eben fiele ein:
Wie Gott der Wunder-Gott, den Sauel fallen lassen,
Den er doch erst erwehlt den Scepter zu umfassen,
Und seufzte bitterlich, daß der verworffen gar,
Der da in Jsrael der erste König war.
Ach! dacht er bey sich selbst, was hat doch Saul begangen,
Daß er nicht wiederum Vergebung kan erlangen?270.
Wohin ist Gottes Güt? es ist zwar Gott gerecht,
Doch geht er ins Gericht nicht oft mit seinem Knecht.
Wann alle Missethat der Höchste wollte straffen,
So würd uns allen ja sein strenger Zorn hinraffen;
Warum findt Saul allein denn jetzo keine Gnad?
Ach, fuhr er weiter fort, es ist des Höchsten Rath,
Dem muß man halten still; der Höchste kennt die Hertzen,
Wer weiß ob Saul nicht will mit Buß und Reue schertzen,
Vielleicht erkennt er nicht die Sünd die er gethan,
Und will doch, daß ihn Gott soll wieder nehmen an.280.
Hierauf schwieg David still und stellt ihm für die Augen
Wie hoch und schwer es sey, für Gottes Geist zu taugen.
Drum ward er sehr betrübt, wie er daran gedacht,
Was unlängst Samuel bey ihnen hat gemacht,
Wie der sein Haupt gesalbt, daß er solt König werden,
Daß er ein grosses Volck, statt seiner schwachen Heerden,
Einsmahls regieren sollt. Dis gab ihm keine Ruh;
Sein Hertze fragt' ihn stets: sag an, was machest du?
Nicht,
V. 281. Hierauf schwieg David still und stellt ihm für die Augen.)
[Spaltenumbruch] Jn diesen Gedancken wird uns
gar tief in das Hertz Davids hin-
ein zu sehen gestattet, und sie sind
so beschaffen, daß wir nothwendig
eine grosse Hochachtung für seine
Gottesfurcht und seine Aufrich-
tigkeit empfangen. Die Vor-
stellungen sind sehr nachdrüklich:
[Spaltenumbruch] Sein Herze fragt ihn stets:
Sag an, was machest du?
Nicht daß sein hoher Muth
wollt zu regieren scheuen etc.
Was bin ich mehr als Saul,
etc. Was soll mir dann die
Kron etc.
von David.
Jſt nur ſein Fleiß gewandt. Er dencket ſtets dahin
Wie er Gott dienen moͤg mit Andachtsvollem Sinn.260.
So brachte David hin die Zeit bey ſeinen Heerden,
Die ihm nicht lange konnt auf dieſe Weiſe werden,
Als ihm an einem Tag, wie fuͤr der Sonnenſchein
Er kuͤhlen Schatten ſucht, diß eben fiele ein:
Wie Gott der Wunder-Gott, den Sauel fallen laſſen,
Den er doch erſt erwehlt den Scepter zu umfaſſen,
Und ſeufzte bitterlich, daß der verworffen gar,
Der da in Jſrael der erſte Koͤnig war.
Ach! dacht er bey ſich ſelbſt, was hat doch Saul begangen,
Daß er nicht wiederum Vergebung kan erlangen?270.
Wohin iſt Gottes Guͤt? es iſt zwar Gott gerecht,
Doch geht er ins Gericht nicht oft mit ſeinem Knecht.
Wann alle Miſſethat der Hoͤchſte wollte ſtraffen,
So wuͤrd uns allen ja ſein ſtrenger Zorn hinraffen;
Warum findt Saul allein denn jetzo keine Gnad?
Ach, fuhr er weiter fort, es iſt des Hoͤchſten Rath,
Dem muß man halten ſtill; der Hoͤchſte kennt die Hertzen,
Wer weiß ob Saul nicht will mit Buß und Reue ſchertzen,
Vielleicht erkennt er nicht die Suͤnd die er gethan,
Und will doch, daß ihn Gott ſoll wieder nehmen an.280.
Hierauf ſchwieg David ſtill und ſtellt ihm fuͤr die Augen
Wie hoch und ſchwer es ſey, fuͤr Gottes Geiſt zu taugen.
Drum ward er ſehr betruͤbt, wie er daran gedacht,
Was unlaͤngſt Samuel bey ihnen hat gemacht,
Wie der ſein Haupt geſalbt, daß er ſolt Koͤnig werden,
Daß er ein groſſes Volck, ſtatt ſeiner ſchwachen Heerden,
Einsmahls regieren ſollt. Dis gab ihm keine Ruh;
Sein Hertze fragt’ ihn ſtets: ſag an, was macheſt du?
Nicht,
V. 281. Hierauf ſchwieg David ſtill und ſtellt ihm fuͤr die Augen.)
[Spaltenumbruch] Jn dieſen Gedancken wird uns
gar tief in das Hertz Davids hin-
ein zu ſehen geſtattet, und ſie ſind
ſo beſchaffen, daß wir nothwendig
eine groſſe Hochachtung fuͤr ſeine
Gottesfurcht und ſeine Aufrich-
tigkeit empfangen. Die Vor-
ſtellungen ſind ſehr nachdruͤklich:
[Spaltenumbruch] Sein Herze fragt ihn ſtets:
Sag an, was macheſt du?
Nicht daß ſein hoher Muth
wollt zu regieren ſcheuen ꝛc.
Was bin ich mehr als Saul,
ꝛc. Was ſoll mir dann die
Kron ꝛc.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0029" n="29"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">von David.</hi> </hi> </fw><lb/>
          <l>J&#x017F;t nur &#x017F;ein Fleiß gewandt. Er dencket &#x017F;tets dahin</l><lb/>
          <l>Wie er Gott dienen mo&#x0364;g mit Andachtsvollem Sinn.<note place="right">260.</note></l><lb/>
          <l>So brachte David hin die Zeit bey &#x017F;einen Heerden,</l><lb/>
          <l>Die ihm nicht lange konnt auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e werden,</l><lb/>
          <l>Als ihm an einem Tag, wie fu&#x0364;r der Sonnen&#x017F;chein</l><lb/>
          <l>Er ku&#x0364;hlen Schatten &#x017F;ucht, diß eben fiele ein:</l><lb/>
          <l>Wie Gott der Wunder-Gott, den Sauel fallen la&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
          <l>Den er doch er&#x017F;t erwehlt den Scepter zu umfa&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
          <l>Und &#x017F;eufzte bitterlich, daß der verworffen gar,</l><lb/>
          <l>Der da in J&#x017F;rael der er&#x017F;te Ko&#x0364;nig war.</l><lb/>
          <l>Ach! dacht er bey &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t, was hat doch Saul begangen,</l><lb/>
          <l>Daß er nicht wiederum Vergebung kan erlangen?<note place="right">270.</note></l><lb/>
          <l>Wohin i&#x017F;t Gottes Gu&#x0364;t? es i&#x017F;t zwar Gott gerecht,</l><lb/>
          <l>Doch geht er ins Gericht nicht oft mit &#x017F;einem Knecht.</l><lb/>
          <l>Wann alle Mi&#x017F;&#x017F;ethat der Ho&#x0364;ch&#x017F;te wollte &#x017F;traffen,</l><lb/>
          <l>So wu&#x0364;rd uns allen ja &#x017F;ein &#x017F;trenger Zorn hinraffen;</l><lb/>
          <l>Warum findt Saul allein denn jetzo keine Gnad?</l><lb/>
          <l>Ach, fuhr er weiter fort, es i&#x017F;t des Ho&#x0364;ch&#x017F;ten Rath,</l><lb/>
          <l>Dem muß man halten &#x017F;till; der Ho&#x0364;ch&#x017F;te kennt die Hertzen,</l><lb/>
          <l>Wer weiß ob Saul nicht will mit Buß und Reue &#x017F;chertzen,</l><lb/>
          <l>Vielleicht erkennt er nicht die Su&#x0364;nd die er gethan,</l><lb/>
          <l>Und will doch, daß ihn Gott &#x017F;oll wieder nehmen an.<note place="right">280.</note></l><lb/>
          <l>Hierauf &#x017F;chwieg David &#x017F;till und &#x017F;tellt ihm fu&#x0364;r die Augen<note place="foot">V. 281. Hierauf &#x017F;chwieg David &#x017F;till und &#x017F;tellt ihm fu&#x0364;r die Augen.)<lb/><cb/>
Jn die&#x017F;en Gedancken wird uns<lb/>
gar tief in das Hertz Davids hin-<lb/>
ein zu &#x017F;ehen ge&#x017F;tattet, und &#x017F;ie &#x017F;ind<lb/>
&#x017F;o be&#x017F;chaffen, daß wir nothwendig<lb/>
eine gro&#x017F;&#x017F;e Hochachtung fu&#x0364;r &#x017F;eine<lb/>
Gottesfurcht und &#x017F;eine Aufrich-<lb/>
tigkeit empfangen. Die Vor-<lb/>
&#x017F;tellungen &#x017F;ind &#x017F;ehr nachdru&#x0364;klich:<lb/><cb/> <hi rendition="#fr">Sein Herze fragt ihn &#x017F;tets:<lb/>
Sag an, was mache&#x017F;t du?<lb/>
Nicht daß &#x017F;ein hoher Muth<lb/>
wollt zu regieren &#x017F;cheuen &#xA75B;c.<lb/>
Was bin ich mehr als Saul,<lb/>
&#xA75B;c. Was &#x017F;oll mir dann die<lb/>
Kron &#xA75B;c.</hi></note></l><lb/>
          <l>Wie hoch und &#x017F;chwer es &#x017F;ey, fu&#x0364;r Gottes Gei&#x017F;t zu taugen.</l><lb/>
          <l>Drum ward er &#x017F;ehr betru&#x0364;bt, wie er daran gedacht,</l><lb/>
          <l>Was unla&#x0364;ng&#x017F;t Samuel bey ihnen hat gemacht,</l><lb/>
          <l>Wie der &#x017F;ein Haupt ge&#x017F;albt, daß er &#x017F;olt Ko&#x0364;nig werden,</l><lb/>
          <l>Daß er ein gro&#x017F;&#x017F;es Volck, &#x017F;tatt &#x017F;einer &#x017F;chwachen Heerden,</l><lb/>
          <l>Einsmahls regieren &#x017F;ollt. Dis gab ihm keine Ruh;</l><lb/>
          <l>Sein Hertze fragt&#x2019; ihn &#x017F;tets: &#x017F;ag an, was mache&#x017F;t du?</l><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Nicht,</fw><lb/><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[29/0029] von David. Jſt nur ſein Fleiß gewandt. Er dencket ſtets dahin Wie er Gott dienen moͤg mit Andachtsvollem Sinn. So brachte David hin die Zeit bey ſeinen Heerden, Die ihm nicht lange konnt auf dieſe Weiſe werden, Als ihm an einem Tag, wie fuͤr der Sonnenſchein Er kuͤhlen Schatten ſucht, diß eben fiele ein: Wie Gott der Wunder-Gott, den Sauel fallen laſſen, Den er doch erſt erwehlt den Scepter zu umfaſſen, Und ſeufzte bitterlich, daß der verworffen gar, Der da in Jſrael der erſte Koͤnig war. Ach! dacht er bey ſich ſelbſt, was hat doch Saul begangen, Daß er nicht wiederum Vergebung kan erlangen? Wohin iſt Gottes Guͤt? es iſt zwar Gott gerecht, Doch geht er ins Gericht nicht oft mit ſeinem Knecht. Wann alle Miſſethat der Hoͤchſte wollte ſtraffen, So wuͤrd uns allen ja ſein ſtrenger Zorn hinraffen; Warum findt Saul allein denn jetzo keine Gnad? Ach, fuhr er weiter fort, es iſt des Hoͤchſten Rath, Dem muß man halten ſtill; der Hoͤchſte kennt die Hertzen, Wer weiß ob Saul nicht will mit Buß und Reue ſchertzen, Vielleicht erkennt er nicht die Suͤnd die er gethan, Und will doch, daß ihn Gott ſoll wieder nehmen an. Hierauf ſchwieg David ſtill und ſtellt ihm fuͤr die Augen Wie hoch und ſchwer es ſey, fuͤr Gottes Geiſt zu taugen. Drum ward er ſehr betruͤbt, wie er daran gedacht, Was unlaͤngſt Samuel bey ihnen hat gemacht, Wie der ſein Haupt geſalbt, daß er ſolt Koͤnig werden, Daß er ein groſſes Volck, ſtatt ſeiner ſchwachen Heerden, Einsmahls regieren ſollt. Dis gab ihm keine Ruh; Sein Hertze fragt’ ihn ſtets: ſag an, was macheſt du? Nicht, V. 281. Hierauf ſchwieg David ſtill und ſtellt ihm fuͤr die Augen.) Jn dieſen Gedancken wird uns gar tief in das Hertz Davids hin- ein zu ſehen geſtattet, und ſie ſind ſo beſchaffen, daß wir nothwendig eine groſſe Hochachtung fuͤr ſeine Gottesfurcht und ſeine Aufrich- tigkeit empfangen. Die Vor- ſtellungen ſind ſehr nachdruͤklich: Sein Herze fragt ihn ſtets: Sag an, was macheſt du? Nicht daß ſein hoher Muth wollt zu regieren ſcheuen ꝛc. Was bin ich mehr als Saul, ꝛc. Was ſoll mir dann die Kron ꝛc.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung10_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung10_1743/29
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 10. Zürich, 1743, S. 29. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung10_1743/29>, abgerufen am 03.12.2024.