[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 10. Zürich, 1743.
Versuch eines Gedichtes Dieß edele Gesetz war seine Lust und Freude,Daran fand er stets Lust, auch in dem grösten Leyde.430. Da denckt er Tag und Nacht mit grosser Sorgfalt auf, Setzt es zur Richtschnur sich in seinem Lebenslauf. Als er dieß fest gestellt, und noch in etwas wachte, Auf seiner Lägerstätt, und Gott sein Hertze brachte, Deucht ihm, es käm ein Wag für seine Höl gerannt, Der Räder rollen macht ihm dieses so bekannt. Doch ließ das Ungestüm nicht zu, es zu verhören, Was dieß bedeuten möcht, und ob es Leute wären, Doch plötzlich hellt die Höl des starcken Blitzes Schein, Daß er drey Weiber schaut, die allda treten ein.440. Das gleich verschwundne Licht läst ihn nichts mehrers sehen, Doch höret er, daß sie nah bey ihm über gehen, Horcht also in der Still. Mitdeß sagt eine Stimm: Wohl uns, daß wir allhie nun für des Donners Grimm Jn trockner Sicherheit. Worauf die andre sagte: Ach! wann ich wünschen könnt, so wolt ich, daß es tagte, Jch bin so sehr erkält. Dies büßt recht unsre Lust, Sprach drauf die dritte Stimm. Ja wer hat dieß gewust, Die erste wiederredt, wir müssen auch erfahren, Was Ungemach bedeut, gleich unsern Kriegesschaaren.450. Ja du Soldaten-Weib, sagt eine drauf zu ihr, Du achtest nichts, du bist es mehr gewohnt, als wir. Du must es lernen auch, die erste wiederholte, Dann wann der Adriel dich noch bekommen sollte, Must V. 443. Mitdeß sagt eine Stimm etc.)
[Spaltenumbruch] Wenn nicht nur David, son- dern auch seine Freunde und Ver- traute in so kleinen Umständen so weitläufftig aufgeführt werden, wie in dieser Unterredung und der Fortsetzung derselben, diese Frauens-Personen, so wird das schwache Gedächtniß unter der grossen Anzahl Dinge, Beschrei- bungen und Vorstellungen erli- gen, ehe wir David noch auf dem Throne Sauls werden zu se- [Spaltenumbruch] hen bekommen. Sonst sind der- gleichen kleine Umstände und Ge- spräche an sich selbst gantz beque- me die Gemüther mit Lebhaftig- keit und Eindruck zu offenbaren. Man muß nur darauf sehen, daß sie mit den Haupt-Theilen des Gedichtes in einem gehörigen Masse Verhältnisses stehen, und der Majestät des Jnhalts nicht nachtheilig werden. Verſuch eines Gedichtes Dieß edele Geſetz war ſeine Luſt und Freude,Daran fand er ſtets Luſt, auch in dem groͤſten Leyde.430. Da denckt er Tag und Nacht mit groſſer Sorgfalt auf, Setzt es zur Richtſchnur ſich in ſeinem Lebenslauf. Als er dieß feſt geſtellt, und noch in etwas wachte, Auf ſeiner Laͤgerſtaͤtt, und Gott ſein Hertze brachte, Deucht ihm, es kaͤm ein Wag fuͤr ſeine Hoͤl gerannt, Der Raͤder rollen macht ihm dieſes ſo bekannt. Doch ließ das Ungeſtuͤm nicht zu, es zu verhoͤren, Was dieß bedeuten moͤcht, und ob es Leute waͤren, Doch ploͤtzlich hellt die Hoͤl des ſtarcken Blitzes Schein, Daß er drey Weiber ſchaut, die allda treten ein.440. Das gleich verſchwundne Licht laͤſt ihn nichts mehrers ſehen, Doch hoͤret er, daß ſie nah bey ihm uͤber gehen, Horcht alſo in der Still. Mitdeß ſagt eine Stimm: Wohl uns, daß wir allhie nun fuͤr des Donners Grimm Jn trockner Sicherheit. Worauf die andre ſagte: Ach! wann ich wuͤnſchen koͤnnt, ſo wolt ich, daß es tagte, Jch bin ſo ſehr erkaͤlt. Dies buͤßt recht unſre Luſt, Sprach drauf die dritte Stimm. Ja wer hat dieß gewuſt, Die erſte wiederredt, wir muͤſſen auch erfahren, Was Ungemach bedeut, gleich unſern Kriegesſchaaren.450. Ja du Soldaten-Weib, ſagt eine drauf zu ihr, Du achteſt nichts, du biſt es mehr gewohnt, als wir. Du muſt es lernen auch, die erſte wiederholte, Dann wann der Adriel dich noch bekommen ſollte, Muſt V. 443. Mitdeß ſagt eine Stimm ꝛc.)
[Spaltenumbruch] Wenn nicht nur David, ſon- dern auch ſeine Freunde und Ver- traute in ſo kleinen Umſtaͤnden ſo weitlaͤufftig aufgefuͤhrt werden, wie in dieſer Unterredung und der Fortſetzung derſelben, dieſe Frauens-Perſonen, ſo wird das ſchwache Gedaͤchtniß unter der groſſen Anzahl Dinge, Beſchrei- bungen und Vorſtellungen erli- gen, ehe wir David noch auf dem Throne Sauls werden zu ſe- [Spaltenumbruch] hen bekommen. Sonſt ſind der- gleichen kleine Umſtaͤnde und Ge- ſpraͤche an ſich ſelbſt gantz beque- me die Gemuͤther mit Lebhaftig- keit und Eindruck zu offenbaren. Man muß nur darauf ſehen, daß ſie mit den Haupt-Theilen des Gedichtes in einem gehoͤrigen Maſſe Verhaͤltniſſes ſtehen, und der Majeſtaͤt des Jnhalts nicht nachtheilig werden. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0034" n="34"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Verſuch eines Gedichtes</hi> </fw><lb/> <l>Dieß edele Geſetz war ſeine Luſt und Freude,</l><lb/> <l>Daran fand er ſtets Luſt, auch in dem groͤſten Leyde.<note place="right">430.</note></l><lb/> <l>Da denckt er Tag und Nacht mit groſſer Sorgfalt auf,</l><lb/> <l>Setzt es zur Richtſchnur ſich in ſeinem Lebenslauf.</l> </lg><lb/> <lg type="poem"> <l>Als er dieß feſt geſtellt, und noch in etwas wachte,</l><lb/> <l>Auf ſeiner Laͤgerſtaͤtt, und Gott ſein Hertze brachte,</l><lb/> <l>Deucht ihm, es kaͤm ein Wag fuͤr ſeine Hoͤl gerannt,</l><lb/> <l>Der Raͤder rollen macht ihm dieſes ſo bekannt.</l><lb/> <l>Doch ließ das Ungeſtuͤm nicht zu, es zu verhoͤren,</l><lb/> <l>Was dieß bedeuten moͤcht, und ob es Leute waͤren,</l><lb/> <l>Doch ploͤtzlich hellt die Hoͤl des ſtarcken Blitzes Schein,</l><lb/> <l>Daß er drey Weiber ſchaut, die allda treten ein.<note place="right">440.</note></l><lb/> <l>Das gleich verſchwundne Licht laͤſt ihn nichts mehrers ſehen,</l><lb/> <l>Doch hoͤret er, daß ſie nah bey ihm uͤber gehen,</l><lb/> <l>Horcht alſo in der Still. Mitdeß ſagt eine Stimm:<note place="foot">V. 443. Mitdeß ſagt eine Stimm ꝛc.)<lb/><cb/> Wenn nicht nur David, ſon-<lb/> dern auch ſeine Freunde und Ver-<lb/> traute in ſo kleinen Umſtaͤnden ſo<lb/> weitlaͤufftig aufgefuͤhrt werden,<lb/> wie in dieſer Unterredung und<lb/> der Fortſetzung derſelben, dieſe<lb/> Frauens-Perſonen, ſo wird das<lb/> ſchwache Gedaͤchtniß unter der<lb/> groſſen Anzahl Dinge, Beſchrei-<lb/> bungen und Vorſtellungen erli-<lb/> gen, ehe wir David noch auf<lb/> dem Throne Sauls werden zu ſe-<lb/><cb/> hen bekommen. Sonſt ſind der-<lb/> gleichen kleine Umſtaͤnde und Ge-<lb/> ſpraͤche an ſich ſelbſt gantz beque-<lb/> me die Gemuͤther mit Lebhaftig-<lb/> keit und Eindruck zu offenbaren.<lb/> Man muß nur darauf ſehen, daß<lb/> ſie mit den Haupt-Theilen des<lb/> Gedichtes in einem gehoͤrigen<lb/> Maſſe Verhaͤltniſſes ſtehen, und<lb/> der Majeſtaͤt des Jnhalts nicht<lb/> nachtheilig werden.</note></l><lb/> <l>Wohl uns, daß wir allhie nun fuͤr des Donners Grimm</l><lb/> <l>Jn trockner Sicherheit. Worauf die andre ſagte:</l><lb/> <l>Ach! wann ich wuͤnſchen koͤnnt, ſo wolt ich, daß es tagte,</l><lb/> <l>Jch bin ſo ſehr erkaͤlt. Dies buͤßt recht unſre Luſt,</l><lb/> <l>Sprach drauf die dritte Stimm. Ja wer hat dieß gewuſt,</l><lb/> <l>Die erſte wiederredt, wir muͤſſen auch erfahren,</l><lb/> <l>Was Ungemach bedeut, gleich unſern Kriegesſchaaren.<note place="right">450.</note></l><lb/> <l>Ja du Soldaten-Weib, ſagt eine drauf zu ihr,</l><lb/> <l>Du achteſt nichts, du biſt es mehr gewohnt, als wir.</l><lb/> <l>Du muſt es lernen auch, die erſte wiederholte,</l><lb/> <l>Dann wann der Adriel dich noch bekommen ſollte,</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Muſt</fw><lb/><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [34/0034]
Verſuch eines Gedichtes
Dieß edele Geſetz war ſeine Luſt und Freude,
Daran fand er ſtets Luſt, auch in dem groͤſten Leyde.
Da denckt er Tag und Nacht mit groſſer Sorgfalt auf,
Setzt es zur Richtſchnur ſich in ſeinem Lebenslauf.
Als er dieß feſt geſtellt, und noch in etwas wachte,
Auf ſeiner Laͤgerſtaͤtt, und Gott ſein Hertze brachte,
Deucht ihm, es kaͤm ein Wag fuͤr ſeine Hoͤl gerannt,
Der Raͤder rollen macht ihm dieſes ſo bekannt.
Doch ließ das Ungeſtuͤm nicht zu, es zu verhoͤren,
Was dieß bedeuten moͤcht, und ob es Leute waͤren,
Doch ploͤtzlich hellt die Hoͤl des ſtarcken Blitzes Schein,
Daß er drey Weiber ſchaut, die allda treten ein.
Das gleich verſchwundne Licht laͤſt ihn nichts mehrers ſehen,
Doch hoͤret er, daß ſie nah bey ihm uͤber gehen,
Horcht alſo in der Still. Mitdeß ſagt eine Stimm:
Wohl uns, daß wir allhie nun fuͤr des Donners Grimm
Jn trockner Sicherheit. Worauf die andre ſagte:
Ach! wann ich wuͤnſchen koͤnnt, ſo wolt ich, daß es tagte,
Jch bin ſo ſehr erkaͤlt. Dies buͤßt recht unſre Luſt,
Sprach drauf die dritte Stimm. Ja wer hat dieß gewuſt,
Die erſte wiederredt, wir muͤſſen auch erfahren,
Was Ungemach bedeut, gleich unſern Kriegesſchaaren.
Ja du Soldaten-Weib, ſagt eine drauf zu ihr,
Du achteſt nichts, du biſt es mehr gewohnt, als wir.
Du muſt es lernen auch, die erſte wiederholte,
Dann wann der Adriel dich noch bekommen ſollte,
Muſt
V. 443. Mitdeß ſagt eine Stimm ꝛc.)
Wenn nicht nur David, ſon-
dern auch ſeine Freunde und Ver-
traute in ſo kleinen Umſtaͤnden ſo
weitlaͤufftig aufgefuͤhrt werden,
wie in dieſer Unterredung und
der Fortſetzung derſelben, dieſe
Frauens-Perſonen, ſo wird das
ſchwache Gedaͤchtniß unter der
groſſen Anzahl Dinge, Beſchrei-
bungen und Vorſtellungen erli-
gen, ehe wir David noch auf
dem Throne Sauls werden zu ſe-
hen bekommen. Sonſt ſind der-
gleichen kleine Umſtaͤnde und Ge-
ſpraͤche an ſich ſelbſt gantz beque-
me die Gemuͤther mit Lebhaftig-
keit und Eindruck zu offenbaren.
Man muß nur darauf ſehen, daß
ſie mit den Haupt-Theilen des
Gedichtes in einem gehoͤrigen
Maſſe Verhaͤltniſſes ſtehen, und
der Majeſtaͤt des Jnhalts nicht
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