Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 10. Zürich, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite
von David.

Ob nun sein guter Zweck zwar billig stand zu loben,
So sahn wir doch nicht gern es länger aufgeschoben.
Abenar gab den Rath, wir solten nun das Recht,
Und nicht die Güt ansehn, er merckte, daß es schlecht640.
Um Adriel must stehn, weil der den Richter meidet,
Dann wer ein sichres Recht, sich nie vom Rechten scheidet.
Drauf wieß man ihn dahin, wo Joel hielt Gericht,
Und sagt man ihm, daß wir ihn wollten sprechen nicht.
Drauf geht die Sache an. Die im Gerichte sassen,
Die sahen bald, wie uns das Recht würd sincken lassen,
Und daß wir keinen Fug an Adriels sein Gut.
Wie dieß Abenar hört, er dieses heimlich thut,
Und giebt dem Richter Geld, der unsschon war gewogen,
Weil, als er mich gesehn, er einen Gift gesogen650.
Der Liebesbrunst in sich, daß seine geile Flamm,
Je öffter er mich sah, je mehrern Zunder nahm.
Die Mutter wuste nicht Abenars sein Bestechen,
Und hätt sie nie gegönnt, also das Recht zu schwächen,
Besondern, weil sie meint, die Sache wär für ihr,
Ließ sie dem Recht den Lauf, und hüt sich nicht dafür,
Was der Abenar that. Der es also gestellet,
Daß Joel nur für uns ein gutes Urtheil fället.
Es waren beyde Theil für seinem Richtersthron,
Und meinte jedermann den Sieg zu haben schon.660.
Jch hatte Adriel noch nicht zuvor gesehen,
Und blieb er, wie er mich ersah, bestürtzet stehen,
Er wandte fast kein Aug von mir die ganze Zeit,
Und weil der Richter spricht, und ihm giebt den Bescheid,
Daß er sein gantzes Gut und Erbe uns soll lassen,
Sieht er gantz freudig aus, und zeiget uns kein Hassen,
Er giebt sich willig drein: und obwohl seine Freund,
Sich stellen sehr betrübt, an ihm doch nichts erscheint.
Hingegen fühlte ich in mir ein sonders Leyden,
Jch war darum betrübt, was meinen Freunden Freuden670.
Und grosse Ruhe bracht: ganz traurig gieng ich hin
Vom Richter in das Haus, ich klagt in meinem Sinn
Des Adriels Verlust, der alles hat verlohren,
Was ihm in seinem Stamm war billig angebohren,
Und
C 5
von David.

Ob nun ſein guter Zweck zwar billig ſtand zu loben,
So ſahn wir doch nicht gern es laͤnger aufgeſchoben.
Abenar gab den Rath, wir ſolten nun das Recht,
Und nicht die Guͤt anſehn, er merckte, daß es ſchlecht640.
Um Adriel muſt ſtehn, weil der den Richter meidet,
Dann wer ein ſichres Recht, ſich nie vom Rechten ſcheidet.
Drauf wieß man ihn dahin, wo Joel hielt Gericht,
Und ſagt man ihm, daß wir ihn wollten ſprechen nicht.
Drauf geht die Sache an. Die im Gerichte ſaſſen,
Die ſahen bald, wie uns das Recht wuͤrd ſincken laſſen,
Und daß wir keinen Fug an Adriels ſein Gut.
Wie dieß Abenar hoͤrt, er dieſes heimlich thut,
Und giebt dem Richter Geld, der unsſchon war gewogen,
Weil, als er mich geſehn, er einen Gift geſogen650.
Der Liebesbrunſt in ſich, daß ſeine geile Flamm,
Je oͤffter er mich ſah, je mehrern Zunder nahm.
Die Mutter wuſte nicht Abenars ſein Beſtechen,
Und haͤtt ſie nie gegoͤnnt, alſo das Recht zu ſchwaͤchen,
Beſondern, weil ſie meint, die Sache waͤr fuͤr ihr,
Ließ ſie dem Recht den Lauf, und huͤt ſich nicht dafuͤr,
Was der Abenar that. Der es alſo geſtellet,
Daß Joel nur fuͤr uns ein gutes Urtheil faͤllet.
Es waren beyde Theil fuͤr ſeinem Richtersthron,
Und meinte jedermann den Sieg zu haben ſchon.660.
Jch hatte Adriel noch nicht zuvor geſehen,
Und blieb er, wie er mich erſah, beſtuͤrtzet ſtehen,
Er wandte faſt kein Aug von mir die ganze Zeit,
Und weil der Richter ſpricht, und ihm giebt den Beſcheid,
Daß er ſein gantzes Gut und Erbe uns ſoll laſſen,
Sieht er gantz freudig aus, und zeiget uns kein Haſſen,
Er giebt ſich willig drein: und obwohl ſeine Freund,
Sich ſtellen ſehr betruͤbt, an ihm doch nichts erſcheint.
Hingegen fuͤhlte ich in mir ein ſonders Leyden,
Jch war darum betruͤbt, was meinen Freunden Freuden670.
Und groſſe Ruhe bracht: ganz traurig gieng ich hin
Vom Richter in das Haus, ich klagt in meinem Sinn
Des Adriels Verluſt, der alles hat verlohren,
Was ihm in ſeinem Stamm war billig angebohren,
Und
C 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <l>
            <pb facs="#f0041" n="41"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">von David.</hi> </hi> </fw>
          </l><lb/>
          <l>Ob nun &#x017F;ein guter Zweck zwar billig &#x017F;tand zu loben,</l><lb/>
          <l>So &#x017F;ahn wir doch nicht gern es la&#x0364;nger aufge&#x017F;choben.</l><lb/>
          <l>Abenar gab den Rath, wir &#x017F;olten nun das Recht,</l><lb/>
          <l>Und nicht die Gu&#x0364;t an&#x017F;ehn, er merckte, daß es &#x017F;chlecht<note place="right">640.</note></l><lb/>
          <l>Um Adriel mu&#x017F;t &#x017F;tehn, weil der den Richter meidet,</l><lb/>
          <l>Dann wer ein &#x017F;ichres Recht, &#x017F;ich nie vom Rechten &#x017F;cheidet.</l><lb/>
          <l>Drauf wieß man ihn dahin, wo Joel hielt Gericht,</l><lb/>
          <l>Und &#x017F;agt man ihm, daß wir ihn wollten &#x017F;prechen nicht.</l><lb/>
          <l>Drauf geht die Sache an. Die im Gerichte &#x017F;a&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
          <l>Die &#x017F;ahen bald, wie uns das Recht wu&#x0364;rd &#x017F;incken la&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
          <l>Und daß wir keinen Fug an Adriels &#x017F;ein Gut.</l><lb/>
          <l>Wie dieß Abenar ho&#x0364;rt, er die&#x017F;es heimlich thut,</l><lb/>
          <l>Und giebt dem Richter Geld, der uns&#x017F;chon war gewogen,</l><lb/>
          <l>Weil, als er mich ge&#x017F;ehn, er einen Gift ge&#x017F;ogen<note place="right">650.</note></l><lb/>
          <l>Der Liebesbrun&#x017F;t in &#x017F;ich, daß &#x017F;eine geile Flamm,</l><lb/>
          <l>Je o&#x0364;ffter er mich &#x017F;ah, je mehrern Zunder nahm.</l><lb/>
          <l>Die Mutter wu&#x017F;te nicht Abenars &#x017F;ein Be&#x017F;techen,</l><lb/>
          <l>Und ha&#x0364;tt &#x017F;ie nie gego&#x0364;nnt, al&#x017F;o das Recht zu &#x017F;chwa&#x0364;chen,</l><lb/>
          <l>Be&#x017F;ondern, weil &#x017F;ie meint, die Sache wa&#x0364;r fu&#x0364;r ihr,</l><lb/>
          <l>Ließ &#x017F;ie dem Recht den Lauf, und hu&#x0364;t &#x017F;ich nicht dafu&#x0364;r,</l><lb/>
          <l>Was der Abenar that. Der es al&#x017F;o ge&#x017F;tellet,</l><lb/>
          <l>Daß Joel nur fu&#x0364;r uns ein gutes Urtheil fa&#x0364;llet.</l><lb/>
          <l>Es waren beyde Theil fu&#x0364;r &#x017F;einem Richtersthron,</l><lb/>
          <l>Und meinte jedermann den Sieg zu haben &#x017F;chon.<note place="right">660.</note></l><lb/>
          <l>Jch hatte Adriel noch nicht zuvor ge&#x017F;ehen,</l><lb/>
          <l>Und blieb er, wie er mich er&#x017F;ah, be&#x017F;tu&#x0364;rtzet &#x017F;tehen,</l><lb/>
          <l>Er wandte fa&#x017F;t kein Aug von mir die ganze Zeit,</l><lb/>
          <l>Und weil der Richter &#x017F;pricht, und ihm giebt den Be&#x017F;cheid,</l><lb/>
          <l>Daß er &#x017F;ein gantzes Gut und Erbe uns &#x017F;oll la&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
          <l>Sieht er gantz freudig aus, und zeiget uns kein Ha&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
          <l>Er giebt &#x017F;ich willig drein: und obwohl &#x017F;eine Freund,</l><lb/>
          <l>Sich &#x017F;tellen &#x017F;ehr betru&#x0364;bt, an ihm doch nichts er&#x017F;cheint.</l><lb/>
          <l>Hingegen fu&#x0364;hlte ich in mir ein &#x017F;onders Leyden,</l><lb/>
          <l>Jch war darum betru&#x0364;bt, was meinen Freunden Freuden<note place="right">670.</note></l><lb/>
          <l>Und gro&#x017F;&#x017F;e Ruhe bracht: ganz traurig gieng ich hin</l><lb/>
          <l>Vom Richter in das Haus, ich klagt in meinem Sinn</l><lb/>
          <l>Des Adriels Verlu&#x017F;t, der alles hat verlohren,</l><lb/>
          <l>Was ihm in &#x017F;einem Stamm war billig angebohren,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C 5</fw><fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/></l>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[41/0041] von David. Ob nun ſein guter Zweck zwar billig ſtand zu loben, So ſahn wir doch nicht gern es laͤnger aufgeſchoben. Abenar gab den Rath, wir ſolten nun das Recht, Und nicht die Guͤt anſehn, er merckte, daß es ſchlecht Um Adriel muſt ſtehn, weil der den Richter meidet, Dann wer ein ſichres Recht, ſich nie vom Rechten ſcheidet. Drauf wieß man ihn dahin, wo Joel hielt Gericht, Und ſagt man ihm, daß wir ihn wollten ſprechen nicht. Drauf geht die Sache an. Die im Gerichte ſaſſen, Die ſahen bald, wie uns das Recht wuͤrd ſincken laſſen, Und daß wir keinen Fug an Adriels ſein Gut. Wie dieß Abenar hoͤrt, er dieſes heimlich thut, Und giebt dem Richter Geld, der unsſchon war gewogen, Weil, als er mich geſehn, er einen Gift geſogen Der Liebesbrunſt in ſich, daß ſeine geile Flamm, Je oͤffter er mich ſah, je mehrern Zunder nahm. Die Mutter wuſte nicht Abenars ſein Beſtechen, Und haͤtt ſie nie gegoͤnnt, alſo das Recht zu ſchwaͤchen, Beſondern, weil ſie meint, die Sache waͤr fuͤr ihr, Ließ ſie dem Recht den Lauf, und huͤt ſich nicht dafuͤr, Was der Abenar that. Der es alſo geſtellet, Daß Joel nur fuͤr uns ein gutes Urtheil faͤllet. Es waren beyde Theil fuͤr ſeinem Richtersthron, Und meinte jedermann den Sieg zu haben ſchon. Jch hatte Adriel noch nicht zuvor geſehen, Und blieb er, wie er mich erſah, beſtuͤrtzet ſtehen, Er wandte faſt kein Aug von mir die ganze Zeit, Und weil der Richter ſpricht, und ihm giebt den Beſcheid, Daß er ſein gantzes Gut und Erbe uns ſoll laſſen, Sieht er gantz freudig aus, und zeiget uns kein Haſſen, Er giebt ſich willig drein: und obwohl ſeine Freund, Sich ſtellen ſehr betruͤbt, an ihm doch nichts erſcheint. Hingegen fuͤhlte ich in mir ein ſonders Leyden, Jch war darum betruͤbt, was meinen Freunden Freuden Und groſſe Ruhe bracht: ganz traurig gieng ich hin Vom Richter in das Haus, ich klagt in meinem Sinn Des Adriels Verluſt, der alles hat verlohren, Was ihm in ſeinem Stamm war billig angebohren, Und C 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung10_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung10_1743/41
Zitationshilfe: [Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 10. Zürich, 1743, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/bodmer_sammlung10_1743/41>, abgerufen am 21.11.2024.