[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 10. Zürich, 1743.Versuch eines Gedichtes Sich auf die Lasterbahn, das diese töden kan,Von denen sie zuerst das Leben nehmen an. Er wünscht bey Jsai sich stets so zu bezeigen, Daß der nicht mog zum Grab die grauen Haare neigen, Besondern seine Lust im Alter an ihm sehn. Dieß will er halten stets wie auch bisher geschehn. Weil aber nun die Zeit und das getobte Brausen, Der Elementen Krieg, des Windes tolles Sausen1270. Sich wiederum gelegt, und alles war in Ruh, So daß die Morgenröth anbrechen wollte nu; Merckt David, daß die drey anheben einzuschlaffen, Drum steht er leise auf, und geht nach seinen Schafen. Die Dämmerung vermag zu stillen nicht die Lust, Daß er die sehen könn, von der ihm nun bewust, Daß sie ihm wäre hold, er must noch länger harren, Und seine keusche Freud bis auf den Tag versparen. Die Weile ward ihm lang, die Klippen sah er an, Ob deren ihre Spitz ihm nicht was melden kan.1280. Jndeme wird der Stein, den er ansieht, erröthet, Und drauf die Finsterniß zu weichen angenöthet, Allmählich wird es hell, der Purpur breit sich aus, Und scheinet in die Höl, in dieses Klippenhaus. Das Feld wird hierauf wach. Zuerst tönt aus den Büschen Der Nachtigallen Lied, ihr angenehmes Zischen Sagt gute Nacht der Nacht, der stillen Einsamkeit, Und rufft der immer zu, daß sie doch nicht zu weit Von ihnen sich begeb, dann diese sie belieben. Hier auf der Vögel Heer vermehret sich zu üben,1290. Und zwitschert in die Wett, die Nachtigall wird still, Weil sie nicht ihre Kunst bey andern mengen will. Man höret hin und her die muntern Hunde bellen, Der Schall geht in die Berg, die mehr und mehr sich hellen Weil nach der Morgenröth der Sonnen helles Kleid Auf ihren Gipfeln wird sehr herrlich ausgebreit. Der V. 1285. Zuerst tönt aus den Büschen. etc.)
[Spaltenumbruch] Folgende umständliche Be- schreibung ist wieder ein anmu- [Spaltenumbruch] thiges Stücke von einem Schä- fergedichte. Verſuch eines Gedichtes Sich auf die Laſterbahn, das dieſe toͤden kan,Von denen ſie zuerſt das Leben nehmen an. Er wuͤnſcht bey Jſai ſich ſtets ſo zu bezeigen, Daß der nicht mog zum Grab die grauen Haare neigen, Beſondern ſeine Luſt im Alter an ihm ſehn. Dieß will er halten ſtets wie auch bisher geſchehn. Weil aber nun die Zeit und das getobte Brauſen, Der Elementen Krieg, des Windes tolles Sauſen1270. Sich wiederum gelegt, und alles war in Ruh, So daß die Morgenroͤth anbrechen wollte nu; Merckt David, daß die drey anheben einzuſchlaffen, Drum ſteht er leiſe auf, und geht nach ſeinen Schafen. Die Daͤmmerung vermag zu ſtillen nicht die Luſt, Daß er die ſehen koͤnn, von der ihm nun bewuſt, Daß ſie ihm waͤre hold, er muſt noch laͤnger harren, Und ſeine keuſche Freud bis auf den Tag verſparen. Die Weile ward ihm lang, die Klippen ſah er an, Ob deren ihre Spitz ihm nicht was melden kan.1280. Jndeme wird der Stein, den er anſieht, erroͤthet, Und drauf die Finſterniß zu weichen angenoͤthet, Allmaͤhlich wird es hell, der Purpur breit ſich aus, Und ſcheinet in die Hoͤl, in dieſes Klippenhaus. Das Feld wird hierauf wach. Zuerſt toͤnt aus den Buͤſchen Der Nachtigallen Lied, ihr angenehmes Ziſchen Sagt gute Nacht der Nacht, der ſtillen Einſamkeit, Und rufft der immer zu, daß ſie doch nicht zu weit Von ihnen ſich begeb, dann dieſe ſie belieben. Hier auf der Voͤgel Heer vermehret ſich zu uͤben,1290. Und zwitſchert in die Wett, die Nachtigall wird ſtill, Weil ſie nicht ihre Kunſt bey andern mengen will. Man hoͤret hin und her die muntern Hunde bellen, Der Schall geht in die Berg, die mehr und mehr ſich hellen Weil nach der Morgenroͤth der Sonnen helles Kleid Auf ihren Gipfeln wird ſehr herrlich ausgebreit. Der V. 1285. Zuerſt toͤnt aus den Buͤſchen. ꝛc.)
[Spaltenumbruch] Folgende umſtaͤndliche Be- ſchreibung iſt wieder ein anmu- [Spaltenumbruch] thiges Stuͤcke von einem Schaͤ- fergedichte. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0058" n="58"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Verſuch eines Gedichtes</hi> </fw><lb/> <l>Sich auf die Laſterbahn, das dieſe toͤden kan,</l><lb/> <l>Von denen ſie zuerſt das Leben nehmen an.</l><lb/> <l>Er wuͤnſcht bey Jſai ſich ſtets ſo zu bezeigen,</l><lb/> <l>Daß der nicht mog zum Grab die grauen Haare neigen,</l><lb/> <l>Beſondern ſeine Luſt im Alter an ihm ſehn.</l><lb/> <l>Dieß will er halten ſtets wie auch bisher geſchehn.</l> </lg><lb/> <lg type="poem"> <l>Weil aber nun die Zeit und das getobte Brauſen,</l><lb/> <l>Der Elementen Krieg, des Windes tolles Sauſen<note place="right">1270.</note></l><lb/> <l>Sich wiederum gelegt, und alles war in Ruh,</l><lb/> <l>So daß die Morgenroͤth anbrechen wollte nu;</l><lb/> <l>Merckt David, daß die drey anheben einzuſchlaffen,</l><lb/> <l>Drum ſteht er leiſe auf, und geht nach ſeinen Schafen.</l><lb/> <l>Die Daͤmmerung vermag zu ſtillen nicht die Luſt,</l><lb/> <l>Daß er die ſehen koͤnn, von der ihm nun bewuſt,</l><lb/> <l>Daß ſie ihm waͤre hold, er muſt noch laͤnger harren,</l><lb/> <l>Und ſeine keuſche Freud bis auf den Tag verſparen.</l><lb/> <l>Die Weile ward ihm lang, die Klippen ſah er an,</l><lb/> <l>Ob deren ihre Spitz ihm nicht was melden kan.<note place="right">1280.</note></l><lb/> <l>Jndeme wird der Stein, den er anſieht, erroͤthet,</l><lb/> <l>Und drauf die Finſterniß zu weichen angenoͤthet,</l><lb/> <l>Allmaͤhlich wird es hell, der Purpur breit ſich aus,</l><lb/> <l>Und ſcheinet in die Hoͤl, in dieſes Klippenhaus.</l><lb/> <l>Das Feld wird hierauf wach. Zuerſt toͤnt aus den Buͤſchen<note place="foot">V. 1285. Zuerſt toͤnt aus den Buͤſchen. ꝛc.)<lb/><cb/> Folgende umſtaͤndliche Be-<lb/> ſchreibung iſt wieder ein anmu-<lb/><cb/> thiges Stuͤcke von einem Schaͤ-<lb/> fergedichte.</note></l><lb/> <l>Der Nachtigallen Lied, ihr angenehmes Ziſchen</l><lb/> <l>Sagt gute Nacht der Nacht, der ſtillen Einſamkeit,</l><lb/> <l>Und rufft der immer zu, daß ſie doch nicht zu weit</l><lb/> <l>Von ihnen ſich begeb, dann dieſe ſie belieben.</l><lb/> <l>Hier auf der Voͤgel Heer vermehret ſich zu uͤben,<note place="right">1290.</note></l><lb/> <l>Und zwitſchert in die Wett, die Nachtigall wird ſtill,</l><lb/> <l>Weil ſie nicht ihre Kunſt bey andern mengen will.</l><lb/> <l>Man hoͤret hin und her die muntern Hunde bellen,</l><lb/> <l>Der Schall geht in die Berg, die mehr und mehr ſich hellen</l><lb/> <l>Weil nach der Morgenroͤth der Sonnen helles Kleid</l><lb/> <l>Auf ihren Gipfeln wird ſehr herrlich ausgebreit.</l><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Der</fw><lb/><lb/> </lg> </div> </body> </text> </TEI> [58/0058]
Verſuch eines Gedichtes
Sich auf die Laſterbahn, das dieſe toͤden kan,
Von denen ſie zuerſt das Leben nehmen an.
Er wuͤnſcht bey Jſai ſich ſtets ſo zu bezeigen,
Daß der nicht mog zum Grab die grauen Haare neigen,
Beſondern ſeine Luſt im Alter an ihm ſehn.
Dieß will er halten ſtets wie auch bisher geſchehn.
Weil aber nun die Zeit und das getobte Brauſen,
Der Elementen Krieg, des Windes tolles Sauſen
Sich wiederum gelegt, und alles war in Ruh,
So daß die Morgenroͤth anbrechen wollte nu;
Merckt David, daß die drey anheben einzuſchlaffen,
Drum ſteht er leiſe auf, und geht nach ſeinen Schafen.
Die Daͤmmerung vermag zu ſtillen nicht die Luſt,
Daß er die ſehen koͤnn, von der ihm nun bewuſt,
Daß ſie ihm waͤre hold, er muſt noch laͤnger harren,
Und ſeine keuſche Freud bis auf den Tag verſparen.
Die Weile ward ihm lang, die Klippen ſah er an,
Ob deren ihre Spitz ihm nicht was melden kan.
Jndeme wird der Stein, den er anſieht, erroͤthet,
Und drauf die Finſterniß zu weichen angenoͤthet,
Allmaͤhlich wird es hell, der Purpur breit ſich aus,
Und ſcheinet in die Hoͤl, in dieſes Klippenhaus.
Das Feld wird hierauf wach. Zuerſt toͤnt aus den Buͤſchen
Der Nachtigallen Lied, ihr angenehmes Ziſchen
Sagt gute Nacht der Nacht, der ſtillen Einſamkeit,
Und rufft der immer zu, daß ſie doch nicht zu weit
Von ihnen ſich begeb, dann dieſe ſie belieben.
Hier auf der Voͤgel Heer vermehret ſich zu uͤben,
Und zwitſchert in die Wett, die Nachtigall wird ſtill,
Weil ſie nicht ihre Kunſt bey andern mengen will.
Man hoͤret hin und her die muntern Hunde bellen,
Der Schall geht in die Berg, die mehr und mehr ſich hellen
Weil nach der Morgenroͤth der Sonnen helles Kleid
Auf ihren Gipfeln wird ſehr herrlich ausgebreit.
Der
V. 1285. Zuerſt toͤnt aus den Buͤſchen. ꝛc.)
Folgende umſtaͤndliche Be-
ſchreibung iſt wieder ein anmu-
thiges Stuͤcke von einem Schaͤ-
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