[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 10. Zürich, 1743.Versuch eines Gedichtes Daß Michal kommen an, Ahinoam ihr Kind,Die sie allzeit geliebt, sie sich von Freuden findt So überhäuft, daß sie nicht weiß was sie beginnet. Sie läuft bald hin bald her, indeme die gewinnet Den hohen Windelsteig und eilet was sie kan, Daß sie Zeruja mög im Bett noch treffen an. Die aber schon gerüst und sie mit beyden Armen Umfäht und hertzlich küßt: Sie spricht, wo dein Erbarmen Und deine Gütigkeit, o Michal nicht bey dir, Schämt ich mich daß du mich also solltst finden hier.1420. Jch war mir diese Ehr wohl heute nicht versehen, Und weiß in Wahrheit nicht recht wie mir ist geschehen. Des Königs Tochter kommt hie in ein schlechtes Hauß, Es siehet hie, wie man lebt auf dem Lande, aus. Wo ich Zeruja find, die Michal hiezu saget, Da ist es eben recht, und alles mir behaget, Weil ich von David hört daß dein Hauß also nah, Konnt ich mich zwingen nicht bevor ich dich hie sah. Nun ist mir aber wohl. Hiemit sie sich umfassen, Und David der sie will etwas alleine lassen,1430. Bestellet unterdeß daß man die Speiß bereit, Der kleine Joab kommt mit seinen Brüdern beyd Um ihren Vetter her und ihn gar frölich grüssen. Wann David kam ins Hauß sich alle freuen müssen. Der Suri war nicht inn, doch thate das Gesind, Was David haben wollt, der lässet bald ein Rind Zurichten und dabey läst Esel er herführen, Die sollen Speiß und Tranck, wie es sich will gebühren, Hintragen nach der Höl, und Joab bittet sehr, Er mög ihn nehmen mit, er wollte auch die Ehr1440. Geniessen daß er könnt des Königs Töchter sehen. Der David sagt ihm zu, er sollte mit hingehen, Darauf schmückt er sich aus, weil schon in seinem Blut Sich zeigt ein stoltzer Sinn und ein erhobner Muth. Weil nun die Michal eilt um ihrer Schwester willen, Bitt sie Zeruja soll ihr Wünschen doch erfüllen, Und fahren mit ihr hin, die ist alsbald bereit, Man spannt den Wagen an, da Michal ihre Zeit Jm-
Verſuch eines Gedichtes Daß Michal kommen an, Ahinoam ihr Kind,Die ſie allzeit geliebt, ſie ſich von Freuden findt So uͤberhaͤuft, daß ſie nicht weiß was ſie beginnet. Sie laͤuft bald hin bald her, indeme die gewinnet Den hohen Windelſteig und eilet was ſie kan, Daß ſie Zeruja moͤg im Bett noch treffen an. Die aber ſchon geruͤſt und ſie mit beyden Armen Umfaͤht und hertzlich kuͤßt: Sie ſpricht, wo dein Erbarmen Und deine Guͤtigkeit, o Michal nicht bey dir, Schaͤmt ich mich daß du mich alſo ſolltſt finden hier.1420. Jch war mir dieſe Ehr wohl heute nicht verſehen, Und weiß in Wahrheit nicht recht wie mir iſt geſchehen. Des Koͤnigs Tochter kommt hie in ein ſchlechtes Hauß, Es ſiehet hie, wie man lebt auf dem Lande, aus. Wo ich Zeruja find, die Michal hiezu ſaget, Da iſt es eben recht, und alles mir behaget, Weil ich von David hoͤrt daß dein Hauß alſo nah, Konnt ich mich zwingen nicht bevor ich dich hie ſah. Nun iſt mir aber wohl. Hiemit ſie ſich umfaſſen, Und David der ſie will etwas alleine laſſen,1430. Beſtellet unterdeß daß man die Speiß bereit, Der kleine Joab kommt mit ſeinen Bruͤdern beyd Um ihren Vetter her und ihn gar froͤlich gruͤſſen. Wann David kam ins Hauß ſich alle freuen muͤſſen. Der Suri war nicht inn, doch thate das Geſind, Was David haben wollt, der laͤſſet bald ein Rind Zurichten und dabey laͤſt Eſel er herfuͤhren, Die ſollen Speiß und Tranck, wie es ſich will gebuͤhren, Hintragen nach der Hoͤl, und Joab bittet ſehr, Er moͤg ihn nehmen mit, er wollte auch die Ehr1440. Genieſſen daß er koͤnnt des Koͤnigs Toͤchter ſehen. Der David ſagt ihm zu, er ſollte mit hingehen, Darauf ſchmuͤckt er ſich aus, weil ſchon in ſeinem Blut Sich zeigt ein ſtoltzer Sinn und ein erhobner Muth. Weil nun die Michal eilt um ihrer Schweſter willen, Bitt ſie Zeruja ſoll ihr Wuͤnſchen doch erfuͤllen, Und fahren mit ihr hin, die iſt alsbald bereit, Man ſpannt den Wagen an, da Michal ihre Zeit Jm-
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Verſuch eines Gedichtes
Daß Michal kommen an, Ahinoam ihr Kind,
Die ſie allzeit geliebt, ſie ſich von Freuden findt
So uͤberhaͤuft, daß ſie nicht weiß was ſie beginnet.
Sie laͤuft bald hin bald her, indeme die gewinnet
Den hohen Windelſteig und eilet was ſie kan,
Daß ſie Zeruja moͤg im Bett noch treffen an.
Die aber ſchon geruͤſt und ſie mit beyden Armen
Umfaͤht und hertzlich kuͤßt: Sie ſpricht, wo dein Erbarmen
Und deine Guͤtigkeit, o Michal nicht bey dir,
Schaͤmt ich mich daß du mich alſo ſolltſt finden hier.
Jch war mir dieſe Ehr wohl heute nicht verſehen,
Und weiß in Wahrheit nicht recht wie mir iſt geſchehen.
Des Koͤnigs Tochter kommt hie in ein ſchlechtes Hauß,
Es ſiehet hie, wie man lebt auf dem Lande, aus.
Wo ich Zeruja find, die Michal hiezu ſaget,
Da iſt es eben recht, und alles mir behaget,
Weil ich von David hoͤrt daß dein Hauß alſo nah,
Konnt ich mich zwingen nicht bevor ich dich hie ſah.
Nun iſt mir aber wohl. Hiemit ſie ſich umfaſſen,
Und David der ſie will etwas alleine laſſen,
Beſtellet unterdeß daß man die Speiß bereit,
Der kleine Joab kommt mit ſeinen Bruͤdern beyd
Um ihren Vetter her und ihn gar froͤlich gruͤſſen.
Wann David kam ins Hauß ſich alle freuen muͤſſen.
Der Suri war nicht inn, doch thate das Geſind,
Was David haben wollt, der laͤſſet bald ein Rind
Zurichten und dabey laͤſt Eſel er herfuͤhren,
Die ſollen Speiß und Tranck, wie es ſich will gebuͤhren,
Hintragen nach der Hoͤl, und Joab bittet ſehr,
Er moͤg ihn nehmen mit, er wollte auch die Ehr
Genieſſen daß er koͤnnt des Koͤnigs Toͤchter ſehen.
Der David ſagt ihm zu, er ſollte mit hingehen,
Darauf ſchmuͤckt er ſich aus, weil ſchon in ſeinem Blut
Sich zeigt ein ſtoltzer Sinn und ein erhobner Muth.
Weil nun die Michal eilt um ihrer Schweſter willen,
Bitt ſie Zeruja ſoll ihr Wuͤnſchen doch erfuͤllen,
Und fahren mit ihr hin, die iſt alsbald bereit,
Man ſpannt den Wagen an, da Michal ihre Zeit
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