[Bodmer, Johann Jacob]: Sammlung Critischer, Poetischer, und anderer geistvollen Schriften. Bd. 11. Zürich, 1743.Hr. Pr. Gottscheds Schreiben ihr geschickt genung seyd, meine Worte und Ge-dancken recht vorsichtig herauszusuchen und zu mei- nem Vortheil zu kehren, wo es euch nicht an dem Willen fehlet. Doch auch diese Vertheidigung muß den Geist der Syncretisterey, und die Nei- gung einen Theil meines Ruhms der Gefälligkeit für die Schweitzer aufzuopfern, verrathen: Oder was hat sonst der folgende Ausspruch, den ihr Bl. 430. habet einfliessen lassen, anders zu bedeuten? Wo es heißt: Nach der Vergleichung, die der Critische Hr. Geschichtschreiber würcklich anstellet, kan der Hr. Gottsched ohnmöglich von einem Critischen Enthusiasmus freygespro- chen werden: Sonderlich wenn man bey dem 9ten §. des angeführten Capitels stehen bleibt. Jst dieses nicht so viel als zugestanden, daß ich mir in dem Capitel meiner Dichtkunst, welches von dem poetischen Geschmack handelt, selbst wie- derspreche, und Weisses und Schwartzes unter ein- ander werffe? XII. Dieser Geist der Syncretisterey, und ei- Poesie
Hr. Pr. Gottſcheds Schreiben ihr geſchickt genung ſeyd, meine Worte und Ge-dancken recht vorſichtig herauszuſuchen und zu mei- nem Vortheil zu kehren, wo es euch nicht an dem Willen fehlet. Doch auch dieſe Vertheidigung muß den Geiſt der Syncretiſterey, und die Nei- gung einen Theil meines Ruhms der Gefaͤlligkeit fuͤr die Schweitzer aufzuopfern, verrathen: Oder was hat ſonſt der folgende Ausſpruch, den ihr Bl. 430. habet einflieſſen laſſen, anders zu bedeuten? Wo es heißt: Nach der Vergleichung, die der Critiſche Hr. Geſchichtſchreiber wuͤrcklich anſtellet, kan der Hr. Gottſched ohnmoͤglich von einem Critiſchen Enthuſiasmus freygeſpro- chen werden: Sonderlich wenn man bey dem 9ten §. des angefuͤhrten Capitels ſtehen bleibt. Jſt dieſes nicht ſo viel als zugeſtanden, daß ich mir in dem Capitel meiner Dichtkunſt, welches von dem poetiſchen Geſchmack handelt, ſelbſt wie- derſpreche, und Weiſſes und Schwartzes unter ein- ander werffe? XII. Dieſer Geiſt der Syncretiſterey, und ei- Poeſie
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Hr. Pr. Gottſcheds Schreiben
ihr geſchickt genung ſeyd, meine Worte und Ge-
dancken recht vorſichtig herauszuſuchen und zu mei-
nem Vortheil zu kehren, wo es euch nicht an dem
Willen fehlet. Doch auch dieſe Vertheidigung
muß den Geiſt der Syncretiſterey, und die Nei-
gung einen Theil meines Ruhms der Gefaͤlligkeit
fuͤr die Schweitzer aufzuopfern, verrathen: Oder
was hat ſonſt der folgende Ausſpruch, den ihr Bl.
430. habet einflieſſen laſſen, anders zu bedeuten?
Wo es heißt: Nach der Vergleichung, die
der Critiſche Hr. Geſchichtſchreiber wuͤrcklich
anſtellet, kan der Hr. Gottſched ohnmoͤglich
von einem Critiſchen Enthuſiasmus freygeſpro-
chen werden: Sonderlich wenn man bey dem
9ten §. des angefuͤhrten Capitels ſtehen bleibt.
Jſt dieſes nicht ſo viel als zugeſtanden, daß ich
mir in dem Capitel meiner Dichtkunſt, welches
von dem poetiſchen Geſchmack handelt, ſelbſt wie-
derſpreche, und Weiſſes und Schwartzes unter ein-
ander werffe?
XII. Dieſer Geiſt der Syncretiſterey, und ei-
ne heimliche Luſt mich dem Geſpoͤtte meiner Fein-
de bloß zugeben, offenbaret ſich auch in einigen
folgenden Artickeln eurer Vertheidigung. Z. Ex.
Jn dem Urtheil von Beſſers Gedichte uͤber ſeine
Kuͤhlweinin, wo ihr euch deutlich fuͤr Hrn. Bod-
mer erklaͤret, und mich einer Ungeſchicklichkeit
mein ſonſt begruͤndtes Urtheil zu rechtfertigen oͤffent-
lich beſchuldiget. Jn dem Urtheil uͤber den Cani-
ziſchen Ausdruck ſterbend leben Bl. 440. wo ihr
wiederum meinem Tadler voͤllig Recht gebet. Jn
dem Puncten von der Lehre der Figuren in der
Poeſie
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